Kanzlerin Merkel forderte den türkischen Präsidenten in einem Telefonat auf, bei der Reaktion auf den Putschversuch die Prinzipien von Verhältnismäßigkeit und Rechtstaatlichkeit zu achten. Die Welle von Verhaftungen und Entlassungen in der Türkei gebe "Anlass zu großer Sorge", sagte Merkel nach Angaben einer Regierungssprecherin in dem Gespräch. Zudem habe Merkel Erdogan darauf hingewiesen, dass die Wiedereinführung der Todesstrafe von Deutschland und der Europäischen Union vehement abgelehnt werde und "mit dem Ziel einer EU-Mitgliedschaft in keiner Weise vereinbar" sei.
Zuvor hatte bereits die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini nach einem Treffen mit US-Außenminister John Kerry in Brüssel gesagt, kein Land mit Todesstrafe werde in die EU aufgenommen. Auch Regierungssprecher Steffen Seibert hatte sich ähnlich geäußert.
Kritik vom Europarat
Der Europarat hatte eine mögliche Wiedereinführung der Todesstrafe ebenfalls kritisiert. Kein Mitgliedsstaat dürfe die Todesstrafe anwenden, sagte Thorbjørn Jagland, Generalsekretär des Europarates, dem "Tagesspiegel". Das sei eine Verpflichtung unter dem Statut des Europarats. Die Türkei habe beide Protokolle ratifiziert, mit der die Todesstrafe unter allen Umständen abgelehnt werde.
Der CSU-Europapolitiker Manfred Weber kritisierte die Reaktion der türkischen Regierung auf den gescheiteren Putschversuch. Eine EU-Vollmitgliedschaft für die Türkei sei derzeit irreal, sagte er im DLF.
Verpflichtung aus der Europäischen Menschenrechtskonvention
Die Todesstrafe wurde in der Türkei seit 1984 nicht mehr vollstreckt. Sie wurde im Jahr 2004 im Zuge des Strebens der Türkei nach einer EU-Mitgliedschaft abgeschafft. Zudem hat sich die Türkei über Zusatzprotokolle zur Europäischen Menschenrechtskonvention verpflichtet, niemanden mehr zu Tode zu verurteilen.
Nach dem Putschversuch hatte Staatschef Erdogan am Sonntagabend vor Anhängern die Möglichkeit einer Wiedereinführung der Todesstrafe angedeutet. Die Regierung werde mit der Opposition darüber beraten und eine Entscheidung treffen, sagte Erdogan.
(cvo/hba)