Fußball-Bundesliga
Debatte um Teillegalisierung von Pyrotechnik

Mit Beginn der Fußballsaison nimmt die Debatte über eine mögliche Legalisierung von Pyrotechnik wieder einmal an Fahrt auf. Angetrieben wird sie von einem Versuch in Norwegen zur legalen Nutzung von Feuerwerk in den Stadien.

Von Daniel Theweleit |
Das Bild zeigt die Eckfahne von Borussia Mönchengladbach im Pyro-Nebel
Das Bundesliga-Auftaktspiel zwischen Mönchengladbach und Leverkusen wurde wegen starken Nebels durch Pyro-Einsatz der Heimfans für zehn Minuten unterbrochen. (picture alliance / SVEN SIMON / Anke Waelischmiller)
Offenkundig trifft der Ballermann-Hit "Pyrotechnik ist kein Verbrechen" einen Nerv. Jedenfalls kletterte er in diesem Sommer bis auf Platz drei der Apple Schlager Charts. Die Interpreten Ikke Hüftgold und Balkonultra sprechen einem Teil der Anhänger aus dem Herzen. Von denen glauben viele, das Abbrennen von Feuerwerk beim Fußball sei Teil der Fankultur.
Auch das Fanbündnis „Unsere Kurve“ hat zu Saisonbeginn dazu aufgerufen, einen legalen Rahmen für die Nutzung von Pyrotechnik zu schaffen. Denn Verbote sind wirkungslos, sagt Jost Peter aus dem Vorstand der Aktivisten: „Also im Moment haben wir ein ja, ich möchte ja fast sagen rechtsfreien Raum. Das ist verboten, und umgekehrt ist es aber so, dass wer Pyro einsetzen will, das tut. Pyro ins Stadion zu schmuggeln ist nicht zu verhindern. Das ist ein Fakt, mit dem man sich abfinden muss in dieser Debatte.“

Effektive Kontrollen sind unmöglich 

Weil an den Spieltagen effiziente Kontrollen der Besucher an allen Körperstellen, wo sich Fackeln und anderes verstecken lassen, unmöglich sind. Und weil im Verlauf einer Woche hunderte Menschen im Stadion unterwegs sind. Handwerker, Lieferanten, Veranstalter, Greenkeeper, Sicherheitsfirmen – alle können Feuerwerk hineinschmuggeln.
Deshalb plädiert Philip Krämer, der für die Grünen im Sportausschuss des Bundestages sitzt, für ein Umdenken. Man müsse anerkennen, „dass die gesamte Restriktion der letzten Jahre ja nicht dazu geführt hat, dass wir weniger Pyrotechnik in Stadien haben. Ganz im Gegenteil, wir haben eher eine Zunahme seit der Corona-Unterbrechung.“
Auf der anderen Seite sei Pyrotechnik gerade für Ultra-Gruppen fester Bestandteil des Stadionerlebnisses, sagt Krämer. Man müsse anerkennen, dass „Pyrotechnik ein Teil der Fankultur ist. Das kann man gut oder schlecht finden, es ist aber einfach so. Und damit muss man in einer gewissen Form umgehen. Von daher würde ich eher dafür plädieren, wegzugehen von den Verboten und Geboten hin zu einer Liberalisierung, die hoffentlich am Ende dann für mehr Sicherheit für alle sorgt.“

Polizeigewerkschaft: Pyrotechnik abbrennen ist lebensgefährlich

Eine Position, die nicht nur bei der Polizei für Entsetzen sorgt. In der Realität der voll besetzten Kurven, auf denen Testosteron und Alkohol die Köpfe vernebeln, ist kaum vorstellbar, wie Pyrotechnik ohne jedes Risiko verwendet werden soll. „Ich empfehle die Gutachten der Feuerwehr, die dringend davor warnen, so was abzubrennen. Da haben wir es noch mal von Fachleuten auch schwarz auf weiß", sagt Erich Rettinghaus aus dem Bundesvorstand der Polizeigewerkschaft.
Er rät dringend von einer Legalisierung ab. „Es ist lebensgefährlich und eine Ordnungswidrigkeit und unter Umständen dann auch mit großer Wahrscheinlichkeit ein Straftatbestand. Also eine Legalisierung oder ein kontrolliertes Abbrennen ist weder gewünscht, noch ist das ein erklärtes Ziel. Wir können aus Sicherheitsgründen wirklich nur sagen: Das hat da absolut nichts zu suchen."

Vereine und Verbände suchen nach Lösungen

Im Hintergrund suchen die Vereine und Verbände nach Auswegen, halten sich öffentlich aber bedeckt. Zu groß ist ihre Angst vor einer Konfrontation mit den Behörden und den Innenministerien. Ein realistisches Ziel, an dem konkret gearbeitet wird, ist nur die Reduzierung der Strafzahlungen, die sich bei manchen Klubs in der vergangenen Saison in den Millionenbereich hineinbewegten. Zu einer Lösung des Kernproblems trägt das aber nicht bei. Hier herrscht Stillstand.
Auch weil Vereinsvertretern, die glauben die Stadien mit einer Teillegalisierung sicherer machen zu können, der Mut fehlt, offen für diesen Schritt zu werben. Schließlich tragen sie als Veranstalter der Spiele die Verantwortung und würden haften, wenn doch etwas passiert. Dass sich diese Gefahr nicht vollständig bannen lässt, räumt auch Jost Peter von „Unsere Kurve“ ein. „Man muss sich, glaube ich, davon verabschieden, dass Pyrotechnik risikofrei zu gestalten ist. Dazu gehört eben immer, dass man eine Fanszene hat, die sagt ja: Wir stimmen da überein, dass wir das Risiko einschränken wollen.“

Norwegen startet Versuch mit legaler Pyrotechnik

In Norwegen hat gerade ein Versuchsprojekt mit legaler Pyrotechnik begonnen. Nach einer derzeit laufenden Vorbereitungsphase, in der Vereine, Fans, Behörden und Sicherheitsdienste konkrete Abläufe üben, dürfen Fans demnächst in einem streng definierten Rahmen Pyro zünden. Es sollen Risikoanalysen vorgenommen werden, nichts darf knallen oder die Hand verlassen.
Nur vorab geschulte Personen dürfen das zertifizierte Feuerwerk mit ausreichend Abstand von anderen Zuschauern abbrennen. Es gibt Löschvorrichtungen und Fanbeauftragte, die die Shows überwachen. Nach der Testphase Ende 2025 gibt es eine Auswertung, die auch in Deutschland mit großer Neugier erwartet wird. Der Grünen-Politiker Krämer glaubt, „dass wir gerade mit Norwegen als Vorbild möglicherweise dann hier auch noch mal zu einer Bewegung kommen könnten. Das würde ich mir zumindest wünschen.“

Fankaktivist: Pyro als "kontrollierte Grenzüberschreitung" 

Bis zu einer diffusen Grenze wird die Wildheit der Kurven ja sogar gefeiert. Ist explizit erwünscht Die Bundesliga vermarktet ihr Publikum als besonders authentisch. Sie präsentiert gerade die Intensität, die von den Leuten erzeugt wird, die manchmal gefährliche Dinge tun, als besonderes Qualitätsmerkmal.
Es ist ein Balanceakt, sagt Fanaktivist Jost Peter. „Pyrotechnik ist ja nicht umsonst hauptsächlich im Fußball verankert. Weil Pyro genau dem entspricht, was der Fußball zu bieten hat: Kontrollierte Grenzüberschreitung, so nenne ich das mal. Das ist für eine ganze Menge an Jugendlichen und jungen Erwachsenen völlig interessant.“
Ein Klub wie RB Leipzig, der Nutzern von Pyrotechnik sehr konsequent keinen Einlass mehr ins Stadion gewährt, will diesen Aspekt der Jugendkultur aus dem Fußball verbannen. Die meisten anderen Vereine und auch die Verbände mühen sich noch auf der Suche nach einer klaren Haltung. Vielleicht hilft das Projekt in Norwegen tatsächlich dabei, eine Lösung zu finden.