Karin Fischer: Der Film "Zero Dark Thirty" soll die "Anatomie einer Jagd" belegen, sagt Regisseurin Kathryn Bigelow, aber er führt mitten ins Zentrum einer schwierigen Debatte, die in den USA schon geführt wurde, bevor der Film in die Kinos kam. Inhaltlich geht es um die Jagd auf Osama Bin Laden und seine Ergreifung; konkret aber und in der Debatte um den Vorspann und die ersten Szenen, die die Anschläge von 9/11 mit dem Terrorkampf in amerikanischen Geheimdienst-Gefängnissen kurzschließen und quälend lange Folterszenen zeigen. Nun könnte man meinen, die Diskussion in Amerika drehe sich um die Frage, ob Folter erlaubt sei. Das tut sie aber nun gerade nicht. Die Frage ging an Sacha Verna in New York: Um welche Frage geht es denn dann?
Sacha Verna: Es geht um die Frage, was darf Hollywood und was darf es nicht, anstatt dass es um die Frage geht, was darf eine Regierung und was darf sie nicht. Was darf Hollywood wird insofern gefragt, als der Regisseurin Kathryn Bigelow vorgeworfen wird, sie stelle die Tatsachen falsch dar. Das heißt, die Botschaft, die der Film dem Publikum bringt, ist die, dass Folter funktioniert.
Die Szene, die Sie erwähnt haben, die Folterszene: In dieser Folterszene presst ein CIA-Agent einem Terrorverdächtigen den entscheidenden Hinweis ab, der zur Ergreifung von Osama Bin Laden führt, und das ist, wenn man der Regierung glauben darf, nicht so, wie es sich tatsächlich abgespielt hat, und das macht man der Kathryn Bigelow zum Vorwurf.
Fischer: Der Film ist inzwischen für fünf Oscars nominiert und natürlich ist er eine reine Mischung aus Fakten und Fiktion. Sie haben gerade gesagt, alle Beteiligten haben glaubhaft abgestritten, dass dieser Aufenthaltsort Osama Bin Ladens durch Folter erwirkt wurde in der Realität. Nun aber noch mal die Frage: Inwiefern legitimiert Kathryn Bigelow tatsächlich Folter mit diesem Film? Hat sie zu wenig Distanz zum Geheimdienst? Und vielleicht nachgeschoben dann noch die Frage: Wer regt sich darüber auf in Amerika?
Verna: Nun, vielleicht zur zweiten Frage zuerst. Darüber aufregen tun sich zum Beispiel Senatoren. Es sind nämlich drei Senatoren sich diesen Film anschauen gegangen, zwei Demokraten und ein Republikaner, der ehemalige Präsidentschaftskandidat McCain zum Beispiel, und die haben der Produktionsgesellschaft einen offenen Brief geschrieben, in dem sie sagen, es sei die moralische Pflicht einer Hollywood-Regisseurin, sich an die Fakten zu halten. Also die regen sich darüber auf.
Es regen sich aber natürlich auch die auf, die Folter grundsätzlich ablehnen und die insofern mit diesem Film nicht zufrieden sind, als sie einfach sagen, er beziehe nicht genau genug Stellung. Das heißt, der Film erkläre nicht, Folter ist gut oder Folter sei schlecht, sondern stelle die Folter einfach als ein Mittel dar, das funktioniert. Und ich glaube, das ist tatsächlich das Problem dieses Films, dass die, die schon immer dagegen waren, in Argumentationszwang kommen, weil eben so, wie der Film das zeigt, Folter ja funktioniert und zumindest zur Ergreifung von Bin Laden geführt haben. Und die, die Folter wenigstens teilweise befürworten, die sagen, ja seht, so kriegt man die bösen Menschen dieser Welt.
Fischer: Ist es eine Unterstützung insofern, als der Film dazu dient, vielleicht sogar ein bisschen wie "Django Unchained" oder "Homeland", dass Amerika seine Wunden leckt?
Verna: Ich glaube schon, wobei man natürlich sagen muss, Amerika kommt aus dem Wunden lecken gar nicht heraus. Die sind seit 2001 daran, ihre Wunden zu lecken. Aber ich glaube, vielleicht muss man da ein bisschen weitergehen sogar, denn das große Problem dieses Films ist doch, dass er auf eine Leerstelle deutet, und die Leerstelle ist die, dass niemand eigentlich weiß, was in diesen geheimen CIA-Gefängnissen vorgeht, welche Methoden der CIA wirklich anwendet. Auch die drei Senatoren, die sich da echauffiert haben, die wissen das nicht so genau. Die wissen sicher mehr als der Durchschnittsamerikaner, aber auch nicht alles. Und ich glaube, was der Film nicht tut, oder jedenfalls nicht bewirkt hat bisher – und das ist schade – ist, dass er eine Forderung nach mehr Transparenz bringt. Das heißt, dieses Unwissen, dass wir einfach darüber im Dunkeln gelassen werden, was da tatsächlich passiert, wie die Praxis tatsächlich aussieht, das wird einfach akzeptiert. Und dass ein solcher Film, der ja dann auch mit unglaublich viel Trommeln und Tamtam für Oscars nominiert wird, für Golden Globes nominiert wird und so, dass selbst ein solcher Film das nicht kann, das ist schon bedenklich, finde ich.
Fischer: "Zero Dark Thirty" und die Folterdebatte in den USA – Sacha Verna gab Auskunft. Bei uns läuft der Film nächste Woche an, die Kritik hören Sie am Samstag in "Kultur heute".
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Sacha Verna: Es geht um die Frage, was darf Hollywood und was darf es nicht, anstatt dass es um die Frage geht, was darf eine Regierung und was darf sie nicht. Was darf Hollywood wird insofern gefragt, als der Regisseurin Kathryn Bigelow vorgeworfen wird, sie stelle die Tatsachen falsch dar. Das heißt, die Botschaft, die der Film dem Publikum bringt, ist die, dass Folter funktioniert.
Die Szene, die Sie erwähnt haben, die Folterszene: In dieser Folterszene presst ein CIA-Agent einem Terrorverdächtigen den entscheidenden Hinweis ab, der zur Ergreifung von Osama Bin Laden führt, und das ist, wenn man der Regierung glauben darf, nicht so, wie es sich tatsächlich abgespielt hat, und das macht man der Kathryn Bigelow zum Vorwurf.
Fischer: Der Film ist inzwischen für fünf Oscars nominiert und natürlich ist er eine reine Mischung aus Fakten und Fiktion. Sie haben gerade gesagt, alle Beteiligten haben glaubhaft abgestritten, dass dieser Aufenthaltsort Osama Bin Ladens durch Folter erwirkt wurde in der Realität. Nun aber noch mal die Frage: Inwiefern legitimiert Kathryn Bigelow tatsächlich Folter mit diesem Film? Hat sie zu wenig Distanz zum Geheimdienst? Und vielleicht nachgeschoben dann noch die Frage: Wer regt sich darüber auf in Amerika?
Verna: Nun, vielleicht zur zweiten Frage zuerst. Darüber aufregen tun sich zum Beispiel Senatoren. Es sind nämlich drei Senatoren sich diesen Film anschauen gegangen, zwei Demokraten und ein Republikaner, der ehemalige Präsidentschaftskandidat McCain zum Beispiel, und die haben der Produktionsgesellschaft einen offenen Brief geschrieben, in dem sie sagen, es sei die moralische Pflicht einer Hollywood-Regisseurin, sich an die Fakten zu halten. Also die regen sich darüber auf.
Es regen sich aber natürlich auch die auf, die Folter grundsätzlich ablehnen und die insofern mit diesem Film nicht zufrieden sind, als sie einfach sagen, er beziehe nicht genau genug Stellung. Das heißt, der Film erkläre nicht, Folter ist gut oder Folter sei schlecht, sondern stelle die Folter einfach als ein Mittel dar, das funktioniert. Und ich glaube, das ist tatsächlich das Problem dieses Films, dass die, die schon immer dagegen waren, in Argumentationszwang kommen, weil eben so, wie der Film das zeigt, Folter ja funktioniert und zumindest zur Ergreifung von Bin Laden geführt haben. Und die, die Folter wenigstens teilweise befürworten, die sagen, ja seht, so kriegt man die bösen Menschen dieser Welt.
Fischer: Ist es eine Unterstützung insofern, als der Film dazu dient, vielleicht sogar ein bisschen wie "Django Unchained" oder "Homeland", dass Amerika seine Wunden leckt?
Verna: Ich glaube schon, wobei man natürlich sagen muss, Amerika kommt aus dem Wunden lecken gar nicht heraus. Die sind seit 2001 daran, ihre Wunden zu lecken. Aber ich glaube, vielleicht muss man da ein bisschen weitergehen sogar, denn das große Problem dieses Films ist doch, dass er auf eine Leerstelle deutet, und die Leerstelle ist die, dass niemand eigentlich weiß, was in diesen geheimen CIA-Gefängnissen vorgeht, welche Methoden der CIA wirklich anwendet. Auch die drei Senatoren, die sich da echauffiert haben, die wissen das nicht so genau. Die wissen sicher mehr als der Durchschnittsamerikaner, aber auch nicht alles. Und ich glaube, was der Film nicht tut, oder jedenfalls nicht bewirkt hat bisher – und das ist schade – ist, dass er eine Forderung nach mehr Transparenz bringt. Das heißt, dieses Unwissen, dass wir einfach darüber im Dunkeln gelassen werden, was da tatsächlich passiert, wie die Praxis tatsächlich aussieht, das wird einfach akzeptiert. Und dass ein solcher Film, der ja dann auch mit unglaublich viel Trommeln und Tamtam für Oscars nominiert wird, für Golden Globes nominiert wird und so, dass selbst ein solcher Film das nicht kann, das ist schon bedenklich, finde ich.
Fischer: "Zero Dark Thirty" und die Folterdebatte in den USA – Sacha Verna gab Auskunft. Bei uns läuft der Film nächste Woche an, die Kritik hören Sie am Samstag in "Kultur heute".
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