Die römisch-katholische Kirche in Deutschland ringt um Reformen. Dabei sind auf dem Synodalen Weg mindestens zwei sehr verschiedene Gruppen unterwegs: die eine fordert institutionelle Veränderungen, unter anderem Gleichberechtigung der Geschlechter und demokratische Elemente. Die andere verteidigt die römische Kirche und ihre Lehre als gottgeschaffen und fordert von den Gläubigen mehr Gebet und Mission.
Wie unterschiedlich die Gruppen sind, das macht der Konflikt zwischen der Theologieprofessorin Johanna Rahner und dem Passauer Bischof Stefan Oster deutlich.
Am vergangenen Wochenende sagte die Tübinger Dogmatikerin Rahner bei einem Frauenforum, wer an der Diskriminierung von Frauen in der katholischen Kirche nichts ändern wolle, sei nichts anderes als "ein Rassist". Die Reaktionen waren heftig, denn schnell wurde daraus: Wer gegen die Frauenweihe ist, ist Rassist. Johanna Rahner stellt klar:
"Ich habe nicht diejenigen, die sich gegen Frauenordination aussprechen – aus welchen Gründen auch immer - als Rassisten bezeichnet. Da würde ich mich also explizit dagegen wehren. Würde aber einen Vorwurf aufrechterhalten: Wer Diskriminierung in der katholischen Kirche ignoriert, sie gar als nicht existent bezeichnet oder sie gar durch eine theologische Denkform überhöht und als solche dann doch wieder legitimiert, der kann sich durchaus den Rassismusvorwurf einhandeln, und zwar zu recht."
Hasserfüllte Mails
Das Rassismus-Zitat zog schnell innerkatholische Kreise. Schon am Sonntag war ein Artikel der Katholischen Nachrichten-Agentur KNA auf "katholisch.de" zu lesen, dem Onlineportal der römisch-katholischen Kirche in Deutschland. Unter der Überschrift:
"Rahner: Nur ‚Rassisten‘ gegen Gleichberechtigung von Frauen in Kirche"
Noch am selben Tag gingen jede Menge kritische und teils hasserfüllte E-Mails bei ihr ein, sagt Johanna Rahner: "Was mich beeindruckt hat bei diesen Reaktionen ist die Geschwindigkeit und die Art und Weise, wie reagiert wurde. Man kann fast schon von einer konzertierten Aktion sprechen. Als ob gewisse Kreise nur warten, bis ihnen die Gelegenheit gegeben wird, um ihre eigene politische Agenda durchzuziehen. Und was dahintersteckt ist eigentlich so etwas, fast schon wie ein katholischer Kulturkampf."
Drohung gegen kritische Positionen?
Am Montag reagierte auch ein Bischof: Stefan Oster aus Passau. Auf seiner Internetseite schreibt Oster:
"Jüngst hat […] die Tübinger Dogmatik-Professorin Johanna Rahner in der Frage nach der Frauenweihe lehramtstreue Katholikinnen und Katholiken, und damit einschließlich den Papst, zu "Rassisten" erklärt, zumindest wenn der Wortlaut der KNA-Meldung stimmt, die das Portal katholisch.de aufgegriffen und mit reißerischer Überschrift verarbeitet hat."
Weiter wirft der Passauer Bischof die Frage auf, welche Positionen und Personen sich eigentlich "katholisch" nennen dürften und wer darüber entscheide. Stefan Oster schreibt mit Blick auf "katholisch.de" und auf katholische Fakultäten:
"Wir Bischöfe [...] ermöglichen durch unsere Zustimmung die Verwendung von Kirchensteuermitteln für die Finanzierung bestimmter Medien und ermöglichen damit eine große Bühne, auf der wir selbst (ich fühle mich zumindest gemeint) als "Rassisten" bezeichnet werden dürfen [...]. Auch haben wir Bischöfe Mitverantwortung dafür, wer an unseren Fakultäten katholische Theologie unterrichten darf."
Der Bischof droht offenbar kritischen katholischen Medien mit dem Entzug von Kirchensteuermitteln und unliebsamen Fakultätsangehörigen mit dem Entzug der Lehrerlaubnis.
Bischof weist Zensurverdacht zurück
"Also, das scheint mir doch fast schon ein impliziter Aufruf zur Pressezensur zu sein", sagt Johanna Rahner.
Bischof Stefan Oster wollte sich aus Termingründen nur schriftlich zu der Sache äußern. Auf Deutschlandfunk-Anfrage weist er den Zensurverdacht zurück:
"Nein, meine Anfrage ging nicht an die Pluralität von Zugängen zum gläubigen Leben, sie ging an den Umgang mit aus meiner Sicht grenzüberschreitenden Ausdrucksformen; oder um die Frage, ob ausgerechnet unsere eigenen Medien bestehende Polarisierungen bewusst verschärfen müssen. Ich bin ziemlich sicher, dass in anderen Berufsfeldern oder Medienwelten nirgendwo leichtfertig das Wort Rassist z. B. gegen die eigenen Auftraggeber oder Dienstvorgesetzte gerichtet werden kann."
Und zur Frage, wie mit Angehörigen katholisch-theologischer Fakultäten verfahren werden sollte, die Positionen vertreten, die Bischöfe wie Oster als nicht-katholisch ansehen, schreibt er:
"Wenn jemand [...] offensiv Lehren verbreitet, die dem überlieferten Glauben in seinen Fundamenten diametral widersprechen, wird diese Person hoffentlich selbst überlegen, ob sie noch im Auftrag der Kirche katholische Theologie unterrichten und verantworten kann."
Verhärtete Fronten
Die innerkatholischen Fronten sind verhärtet. Gefragt, wie es um die kirchliche Debatten- und Streitkultur derzeit bestellt ist, erklärt Stefan Oster auf DLF-Anfrage:
"Ich habe mit meinem Beitrag ausdrücklich zu einer offenen Debatte eingeladen - und selbst versucht, mich schon klar, aber auch differenziert und möglichst fair auszudrücken. Meine Befürchtungen werden aber leider bestätigt, dass wir das argumentativ kaum noch hinbekommen. Die Dynamik, vor allem auch der sozialen Medien, befeuert einen Stil, der aus meiner Sicht dem Geist, aus dem wir glauben und leben wollen, massiv widerspricht."
Die Theologin Johanna Rahner sagt im Gespräch mit dem Deutschlandfunk: "Man könnte mir vorwerfen, dass ich mit dem Begriff des Rassismus wirklich in die tiefere Kiste gegriffen habe." Doch sie bestreitet, damit eine Grenze überschritten zu haben: "Dann sei doch erlaubt, im Rahmen einer solchen Debatte auch einmal ein Beispiel zu bringen – und zwar nur als analoges Beispiel - das die Dramatik auch auf den Punkt bringt, und zwar sprachlich auf den Punkt bringt. Weil: Ich kann jetzt vornehm von Diskriminierung und Nicht-Förderung von Frauen sprechen. Und das Thema Rassismus ist glaube ich in unserer Gesellschaft so besetzt und wir sind auch so hellhörig geworden, dass es um der Sache Willen auch vielleicht mal notwendig ist, solche Begriffe zu verwenden."
Die differenzierteren Erläuterungen Rahners überzeugen Stefan Oster nicht. Der Bischof erklärt schriftlich:
"Wo liegt hier für Prof. Rahner der Unterschied zwischen ihren beiden Aussagen? Ich bleibe dabei: Wer im Kontext der theologischen Frage nach der Frauenweihe von "Rassismus" spricht, weil er anderer Meinung als das katholische Lehramt ist, liegt nicht nur sachlich falsch - er verunglimpft gleichzeitig alle Menschen, die bis hin zu Verfolgung und Mord tatsächlich unter Rassismus zu leiden hatten und haben."