Sina Fröhndrich: Wer fliegt, zahlt sie: die Luftverkehrssteuer. Für Flüge ab Deutschland werden je nach Entfernung zwischen sieben und 40 Euro fällig. Zu wenig, findet Umweltministerin Svenja Schulze, und schlägt vor der Sitzung des Klimakabinetts am Abend vor: Die Steuer sollte erhöht werden. Fliegen teurer machen, um CO2 einzusparen, bringt das etwas? Darüber spreche ich mit dem Grünen-Bundestagsabgeordneten Dieter Janecek, den wir in München erreichen: Soll Fliegen künftig etwas für Reiche werden?
Dieter Janecek: Ja, das Problem ist ja, dass die Verursacherkosten des Fliegens sehr stark von den Reichen ausgelöst werden - die Klimakosten. Das heißt, 20 Prozent der Menschen global sind überhaupt erst mal in ein Flugzeug gestiegen, und in Deutschland sind es diejenigen, die besonders viel Geld haben, die besonders viel fliegen. Also sind die Kosten schon mal, was die Umwelt angeht, bei den Reichen anzusiedeln, aber das Zahlen sozusagen, wer dafür zahlt, das tun wir alle, nämlich mit den Klimafolgekosten.
Fröhndrich: Aber es gibt ja sicherlich auch Familien, die sich vielleicht vor zehn Jahren noch keine Reise leisten konnten und dann immer an die Nordsee oder an die Ostsee gefahren sind und die ja vielleicht auch mal nach Portugal an den Strand möchten.
Vielflieger sollen mehr zahlen
Janecek: Ja, diese Möglichkeit besteht ja auch weiterhin, nur kann man nicht voraussetzen, dass … Zum Beispiel 1990 hatten wir noch ein Drittel der Flugbewegungen in München vom Passagieraufkommen, jetzt haben wir dreimal so viel. Es gibt sehr viel Billigflüge, die sind sehr günstig geworden, und das lässt sich einfach nicht mehr vereinbaren mit der Herausforderung der Klimakrise. Insofern, glaube ich, es wäre schon gerecht, zu sagen, das Fliegen muss insgesamt teurer werden, es wäre noch am besten, wenn das Vielfliegen, also diejenigen, die besonders viel fliegen, noch teurer würde.
Und am Ende muss man sehen, das Fliegen verursacht so viele Emissionen, CO2, dass wir einfach eine Deckelung brauchen. Also es muss die Technologie das lösen, Möglichkeiten zu schaffen, dass das Fliegen auch klimafreundlicher wird. Wenn das nicht so ist, dann muss in der Zukunft auch weniger geflogen werden, anders kommen wir da nicht ehrlich hin.
Fröhndrich: Wenn wir noch mal bei den höheren Kosten bleiben: Eine höhere Luftverkehrssteuer könnte ja schon den finanzschwachen Haushalt bestrafen. Business wird trotzdem geflogen, oder da, wo das Geld ist, wird auch trotzdem geflogen, und das Geld, also durch eine höhere Luftverkehrssteuer verschwindet am Ende im Haushalt.
Janecek: Ja, gut, wir schlagen ja vor, und ich glaube, das macht ja auch die Bundesumweltministerin, dass Einnahmen aus CO2-Besteuerung an den Bürger sofort zurückgehen, am besten gleich am Jahresanfang. Das heißt, er kriegt ein Budget von den Einnahmen, insbesondere ja von den reichen Menschen, die viel fliegen, die dickere Autos haben, die mehr heizen, die dann in den Staatshaushalt kommen - das soll an die Bürger sofort zurückgehen, dadurch gibt es auch einen Gerechtigkeitseffekt. Also wir müssen natürlich die Familien im Blick behalten, und was das Fliegen angeht, da müssen Sie eben auch immer sehen, das ist jetzt kein Massenphänomen, dass Menschen dreimal im Monat nach Mallorca fliegen oder so. Das ist etwas, was sich sehr wenige leisten, und die zahlen momentan sehr wenig in den Umweltposten.
Also wir haben ein Paradoxon. Wir haben das Paradoxon, dass reiche Menschen sehr, sehr viel Umweltkosten verursachen, aber nicht dafür aufkommen.
Fröhndrich: Aber eine Familie mit einem durchschnittlichen Einkommen, die jetzt vielleicht noch nicht als reich gilt, die sagt dann vielleicht in Zukunft, nicht mal mehr der eine Flug im Jahr, der wäre dann vielleicht nicht mehr drin. Die würde man ja schon treffen.
Janecek: Das ist bei den Mengen von Bepreisung, wo wir gerade sprechen, momentan noch nicht der Fall. Wir reden ja jetzt hier von zehn Euro, 15 Euro im ersten Schritt.
"Reiche können sich am Ende immer rauskaufen"
Fröhndrich: Wenn wir über die CO2-Bepreisung sprechen.
Janecek: Über die CO2-Bepreisung, genau.
Fröhndrich: Aber wenn das Ziel - vielleicht auch durch eine höhere Luftverkehrsabgabe - wäre, Fliegen insgesamt deutlich teurer zu machen, spürbar teurer zu machen. Wie wollen Sie solche Familien schützen? Die können ja am Ende nicht bestraft werden, dass dann im Zweifel vielleicht auch deren Kinder bestimmte Teile der Welt nicht sehen können. Ist ja auch Bildung am Ende.
Janecek: Ja, das ist richtig. Wenn man es mal ehrlich sieht, wenn das Fliegen nicht klimaschädlich wäre, dann müsste man es ja fast fördern, weil es natürlich auch die Verbindung von Völkern, Bildung et cetera fördert, und das tut vielen sicherlich auch gut, mal was anderes zu sehen von der Welt.
Eine Alternative ist natürlich, dass wir in Europa auch Möglichkeiten haben. Wir können den europäischen Bahnverkehr ja auch mal stärken und günstiger machen, wir könnten auch dafür sorgen, dass beispielsweise nicht nur Kinder unter 14, sondern auch unter 18 kostenlos mitfahren könnten mit der Bahn, also da eine Konzentration zu schaffen.
Auf der anderen Seite sind die Herausforderungen der Klimakrise so groß, dass wir nicht sagen können, das muss jetzt für alle günstig bleiben. Aber Sie haben recht, das Problem ist, Reiche können sich am Ende immer rauskaufen sozusagen.
Und deswegen fordere ich durchaus auch zum Beispiel, dass Unternehmen … Auch der Bundestag sagt zum Beispiel, Strecken, die in vier Stunden mit der Bahn zu fahren sind, die werden grundsätzlich gar nicht mehr erstattet, also die werden nur noch mit der Bahn gefahren und nicht mit dem Flugzeug. Also auch da muss man ansetzen. Und dann ist die Frage, ob es am Ende nicht auch in der Zukunft CO2-Budgets braucht pro Haushalt - das fordern ja auch manche Vereine, wie der Verein "CO2 Abgabe", der ja letztlich sagt, jeder Haushalt kriegt ein Budget an CO2, das er dann verbrauchen kann, und wenn er drüber kommt, dann muss er deutlich mehr zahlen. Das würde dann den Gerechtigkeitsaspekt noch erhöhen.
Geld verdienen mit dem Nicht-Fliegen
Fröhndrich: Und was Sie ja auch vorgeschlagen haben, ist ja, den Inlandsflugverkehr zu begrenzen, drei Hin- und Rückflüge pro Jahr ist schon auch ein Eingriff in die Reisefreiheit.
Janecek: Ja, das ging um den internationalen Flugverkehr. Den Inlandsflugverkehr, den würde ich ja grundsätzlich so weit es geht vermeiden, weil der ist vermeidbar, bis auf ganz wenige Ausnahmen. Die Freiheit des Einzelnen, das Klima so zu schädigen, dass wir alle dann in einer Zukunft leben, wo wir nichts mehr davon haben, die ist halt einfach nicht da, die können wir uns nicht leisten, glaube ich. Am Ende brauchen wir einen Vertrag zwischen uns allen, der auch sagt, dass Fliegen wird es in der Zukunft weiter geben - es gibt ja auch Versprechen der Flugindustrie, Fliegen klimafreundlicher zu machen, vielleicht mit Wasserstoff et cetera.
Allerdings, wenn man ehrlich ist, diese Technologien, die werden frühestens in 30 bis 50 Jahren zu haben sein in einem großen Maßstab. Also wir können jetzt nicht sagen, das ist uns egal, dass der Flugverkehr jedes Jahr fünf Prozent ansteigt. Und das geht nur über Preise, das geht über bessere Bahnbedingungen, günstigere Bahnen, und das geht ein Stück weit vielleicht auch darüber, dass wir nachdenken, dass Menschen, die besonders viel fliegen, auch deutlich mehr zahlen können.
Fröhndrich: Das heißt also, statt eines Vielfliegerprogramms mit Bonusmeilen eher Negativpunkte, die sich im Preis niederschlagen?
Janecek: Man könnte ja sogar so weit gehen, zu sagen, dass Menschen, die sehr wenig fliegen oder gar nicht fliegen, sogar davon profitieren und von denjenigen, die sehr viel fliegen, dann Zertifikate sozusagen geschenkt bekommen und Geld verdienen können daran. Also diese Modelle sind in der Diskussion, die sind für manche noch weit weg, aber wenn man das Gerechtigkeitsproblem lösen will, nämlich dass die Menschen, die sehr viel Geld haben, sich besonders viel rausnehmen können, dann muss man über solche Modelle auch nachdenken.
Fröhndrich: Wenn wir über weniger Inlandsflüge sprechen und am Ende tatsächlich vielleicht es irgendwann mal eine Entscheidung gibt, weniger Inlandsflüge zuzulassen, dann könnte es ja auch sein, dass sich einige Regionalflughäfen nicht mehr lohnen. Können wir uns das leisten in wirtschaftsschwachen Regionen?
Janecek: Ich glaube, da geht es ja vorrangig nicht um Flugverkehr, der jetzt die Privaten angeht, da geht es um die Frage, ob Geschäftsleute, Unternehmen sozusagen gut angebunden sind, also den Frachtverkehr et cetera. Also das ist eine Frage, ob wir uns das leisten wollen, zu subventionierten Kosten dezentrale Flughäfen zu haben, die sich selbst nicht tragen, da würde ich sagen, nein, das brauchen wir auf Dauer nicht mehr. Aber dass es Flughäfen geben wird auch in der Zukunft, das glaube ich schon, allerdings nicht in jeder Region mehr.
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