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Debatte über Mindestlöhne

Auf einer Mindestlohnkonferenz in Berlin diskutierten Gewerkschafter und Wissenschaftler über menschenwürdige Arbeit. Tenor der Referenten: Mindestlohn schützt vor Armut.

Von Stephan Maas | 07.10.2013
    Da sind sie sich einig. SPD und Gewerkschaften. Während die Sozialdemokraten einen gesetzlichen, flächendeckenden Mindestlohn zu einer der Voraussetzungen für eine Regierungsbeteiligung machen, erklärt Elke Hannack, die stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, am Welttag für Menschenwürdige Arbeit zur Eröffnung einer internationalen Mindestlohnkonferenz, die der DGB gemeinsam mit der SPD-nahen Friedrich Ebert-Stiftung ausrichtet:

    "Auch Deutschland hat einen gesetzlichen Mindestlohn dringend nötig. Auch in diesem, im Vergleich so reichen Land gefährdet die Lohnarmut den Wohlstand der gesamten Gesellschaft."

    Abhilfe kann da ein Mindestlohn schaffen. Erfahrungen aus – vor allem - anderen europäischen Ländern standen im Mittelpunkt der heutigen Tagung.

    "When the minimum wages were introduced in Ireland in the year 2000…"

    Mit der Einführung eines Mindestlohns im Jahr 2000 habe sich die wirtschaftliche Situation vieler Menschen verbessert, erklärt John Douglas, der Präsident des Irish Congress of Trade Unions, dem irischen DGB. Vor allem der Frauen. Denn besonders die arbeiten oft in den schlecht bezahlten, prekären Jobs.

    Anders als von vielen befürchtet, habe die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns auch keineswegs einen negativen Effekt auf die wirtschaftliche Entwicklung gehabt. Diese Befürchtung sei genauso grundlos wie die, dass Mindestlöhne, sind sie denn erst einmal eingeführt, stiegen und stiegen, erklärt auch Thorsten Schulten, der Leiter des Referats Arbeits- und Tarifpolitik in Europa beim Wirtschafts- und Sozialpolitischen Institut der Hans-Böckler-Stiftung:

    "Wenn man sich die Mindestlohnentwicklung mal der letzten zehn Jahre zum Beispiel in Europa anguckt, dann kann man eigentlich sagen, fast durchweg gab es in allen Ländern höchst moderate Anpassungen dieser Mindestlöhne."

    Das gilt auch für den Fall, wenn die Regierung gemeinsam mit den Gewerkschaften und Arbeitgebern die Höhe des Mindestlohnes aushandelt. Was aber, wenn aufgrund einer wirtschaftlichen Krise die Tarifpartner ausgeklammert werden und nur noch die Regierung über die Mindestlohnhöhe entscheidet? Dann wird es im Notfall bitter für die Arbeitnehmer, sagt Andreas Stoimenidis. Er sitzt im Präsidium des Griechischen Gewerkschaftsbundes GSEE.

    "It was reduced by 22 percent, which means…"

    Der Druck der Troika und des Internationalen Währungsfonds habe dazu geführt, dass die Regierung die Mindestlöhne um 22 Prozent gesenkt habe, sagt er. Die Menschen arbeiten jetzt für 586 Brutto. 478 Euro netto. Und bei den jüngeren Arbeitnehmern sei es noch weniger. Da war der Einschnitt über 30 Prozent.

    Wenn die griechischen Gewerkschaften dennoch weiterhin auf einem höheren Mindestlohn bestünden, dann zeigten sie den Menschen wenigstens, dass es auch wieder besser werden könne, eines Tages, erklärt er.

    Auch deshalb spricht er sich, wie seine internationalen Kollegen für einen gesetzlichen Mindestlohn in Deutschland aus. Den würde auch der Ire John Douglas begrüßen, auch in seinem Land hatten Troika und IWF auf einer Senkung des Mindestlohns bestanden, damit das hoch verschuldete Land internationale Hilfe bekommen könnte. Doch hier schoben die Gerichte einer Senkung den Riegel vor. Der Mindestlohn musste wieder angehoben werden.

    "Es ist an der Zeit aus irischer Sicht, es ist an der Zeit aus der Sicht eines sozialen Europas, dass jetzt auch in Deutschland über einen Mindestlohn gesprochen wird, dass er vielleicht bald eingeführt wird. Das gibt uns allen Hoffnung, dass noch Leben in einem sozialen Europa ist. Wenn Deutschland den Mindestlohn einführt, dann sendet es das Signal aus an den Rest Europas und an die Troika, dass Attacken auf die Rechte von Arbeitnehmern keine Chance haben."