Auch wenn die Bundestagsverwaltung in der vom ZDF-Magazin "Frontal21" aufgedeckten Sponsoring-Praxis einer SPD-eigenen Kommunikationsagentur keinen Verstoß gegen Vorschriften zur Parteienfinanzierung sieht, bekommt die Debatte über die möglich indirekte Parteienfinanzierung und für die Öffentlichkeit nicht zu kontrollierenden Lobby Zugängen zu den Parteien eine neue Dynamik. Die stellvertretende SPD Fraktionsvorsitzende Eva Hoegl erklärte am Morgen im Berliner Inforadio:
"Das ist überhaupt nicht klug und selbst wenn das rechtlich zulässig ist, dann darf es das nicht geben. Politikerinnen und Politiker müssen allen Bürgerinnen und Bürgern zur Verfügung stehen, sie werden dafür gut bezahlt und deswegen müssen solche Gespräche immer kostenlos sein, wenn ich das mal so sagen darf. Es darf keine Leistung und Gegenleistung geben."
Formal kein Anlass zur Kritik
Appelle dieser Art hört man immer wieder. Die gelebte Praxis sieht aber anders aus und die Recherchen des ZDF Magazins belegen einmal mehr, dass bezahlte Zugänge zu den politischen Entscheidern, in diesem Fall zu Entscheidern aus der SPD möglich sind. Formal gebe es keinen Anlass zur Kritik, heißt es in einer Erklärung der Bundestagverwaltung. Parteien sei die Gründung von Gesellschaften, juristischen Personen und Unternehmen ebenso erlaubt wie eine Beteiligung daran.
Die Rechenschaftspflicht von Parteien erstrecke sich nicht auf das Zahlenwerk solcher eigenständigen Gesellschaften. Insofern gebe es nach dem geltenden Recht keine Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen Finanzierungsregeln des Parteiengesetzes. Diese formaljuristische Unterscheidung löst jedoch nicht das darunterliegende Problem.
"Die entscheidende Frage ist, ob das politisch und moralisch in Ordnung ist. Denn was die SPD da macht, wenn sie ihre Politiker derart vermarktet, also quasi wie eine Ware anbietet, ist, dass sie das Signal sendet: Politik ist käuflich bei uns. Und das ist ganz verheerend. Das darf nicht sein und Politik darf nicht einmal den Anschein erwecken, käuflich zu sein",
sagte Annette Sawitzki von der Nichtregierungsorganisation Lobbycontrol am morgen im ZDF. Die SPD wehrt sich gegen die Vorwürfe. SPD Schatzmeister Dietmar Niethan erklärte in einem internen Schreiben an den SPD Vorstand, sozialdemokratische Politikerinnen und Politiker könne man weder kaufen noch mieten.
SPD wehrt sich gegen Vorwürfe
Es handele sich um Gesprächsrunden, zu denen die Parteizeitung Vorwärts einlade und für die die Teilnehmer nicht zahlen würden. Die Sponsorengelder würden lediglich dazu verwendet, die Kosten der Veranstaltung zu decken. Der Verlag ziehe daraus keinen Gewinn. Den Fakt, des zumindest relativ exklusiven Zugangs zu politischen Entscheidern, kann die SPD nicht ausräumen, auch wenn nicht von einer verdeckten Parteienfinanzierung gesprochen werden kann. Im Deutschlandfunk sprach sich Christina Deckwirth von Lobbycontrol deshalb einmal mehr für ein verpflichtendes Lobbyregister aus:
"Das heißt, hier müsste sich alle Lobbyisten, die Kontakt aufnehmen mit der Politik, eintragen und offen legen, in wessen Interesse sie Lobbyarbeit machen und wie sie sich finanzieren und auch auf welche Gesetzesprozesse sie Einfluss nehmen. So was gibt es in Brüssel, so was gibt es in den USA in Kanada, das ist durchaus Praxis."
Parteien reagieren verhalten
Auch in Deutschland brauche man klare Regeln, dass der unmittelbare Zugang finanzstarker und zahlungswilliger Interessengruppen zur Politik eingedämmt werde, fordert die Organisation. Die Reaktionen aus den anderen politischen Parteien sind bislang noch verhalten. Allein die Fraktionsvorsitzende der Linken, Sarah Wagenknecht, sagte in der Generaldebatte des Deutschen Bundestags im Blick auf die SPD, die sich einmal als Partei der kleinen Leute verstanden habe,
"dass Arbeiterparteien nicht dafür gegründet worden waren, ihre Minister an zahlungskräftige Wirtschaftslobbyisten zur vermieten und denen dann die Wünsche von den Augen abzulesen, mögen die nun Senkung der Lohnkosten oder CETA heißen."