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Debatte über Seehofer-Rücktrittsangebot
"Die CSU hat sich verrannt"

Im Konflikt mit Angela Merkel sei eine Randfrage zur Grundsatz- und Symbolfrage hochstilisiert worden, in der die CSU ganz allein dastehe, sagte der Publizist Michael Spreng im Dlf. Dies sei strategisch und taktisch stümperhaft gewesen, sodass die CSU am Ende in dieser ausweglosen Sackgasse gelandet sei.

Michael Spreng im Gespräch mit Jasper Barenberg |
    Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU)
    Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) (imago stock&people)
    Jasper Barenberg: Am Telefon ist der Publizist und Politikberater Michael Spreng. Schönen guten Tag Ihnen!
    Michael Spreng: Guten Tag, Herr Barenberg.
    Barenberg: Herr Spreng, ist es gut, ist es richtig, ist es sinnvoll, dass Horst Seehofer heute noch einmal versucht, mit Angela Merkel ins Gespräch zu kommen?
    Spreng: Dieses Gespräch ist ja ein Kompromiss zwischen Herrn Dobrindt und Herrn Seehofer. Seehofer wollte gestern zurücktreten; Dobrindt hat gesagt, das ist nicht akzeptabel. Jetzt wird gewissermaßen Merkel zur Schiedsrichterin zwischen den beiden gemacht – in der Hoffnung, wenn sie bei ihrer Position bleibt, dann zumindest für den Bruch Frau Merkel den schwarzen Peter zuschieben zu können. Aber dieses Spiel wird Frau Merkel nicht mit sich machen lassen.
    Merkel hat "keinen Bewegungsspielraum mehr"
    Barenberg: Warum sollte sie das nicht mitmachen? Wir haben gerade gehört, es gibt auch in der CDU gerade an der Spitze durchaus den großen Wunsch - naturgemäß -, dass man sich doch noch irgendwie einigt.
    Spreng: Ja, aber die Positionen sind festgeschrieben von beiden Seiten. Der CDU-Vorstand hat gestern bei einer Enthaltung einen einstimmigen Beschluss gefasst, ähnlich der CSU-Vorstand. Frau Merkel ist in Europa im Wort, beim Europäischen Rat. Sie hat auch keinen Bewegungsspielraum mehr. Außerdem fällt es mir schwer, mir irgendwelche Kompromisse vorzustellen, und es wäre ja lächerlich, sich am Ende darauf zu einigen, dass man am Tag nur drei Flüchtlinge zurückweist.
    CSU hätte Bruch vorher herbeiführen sollen
    Barenberg: Sind in Ihren Augen die Rollen in diesem Drama, in dieser Tragikomödie eigentlich klar verteilt? Die CSU hat bewusst einen Streit in der Sache zu einem Machtkampf bis zu einem Punkt eskalieren lassen, dass der politische Schaden am Ende eigentlich unausweichlich ist.
    Spreng: Ja, so sehe ich das. Die CSU hätte entweder nicht mit der CDU in die Bundestagswahl ziehen sollen, oder vorher den Bruch herbeiführen. Aber zum jetzigen Zeitpunkt wurde eine Randfrage zur Grundsatz- und Symbolfrage hochstilisiert, und in dieser Randfrage steht die CSU allein, weil auch in der CDU selbst die CDU-Politiker, die eine härtere Politik an den Grenzen wollen, sagen, Frau Merkel hat in Brüssel gut verhandelt, wir müssen ihr jetzt die Zeit geben und die Chance, daraus mehr zu machen. Insofern sind die Positionen völlig verhärtet und die CSU hat sich verrannt. Sie steckt in einer Sackgasse, aus der ich im Augenblick keinen Ausweg sehe.
    "Versuch der CSU, Frau Merkel zu stürzen"
    Barenberg: Ist die Zuspitzung eigentlich aus dem Konflikt heraus in der Sache überhaupt noch erklärbar, oder ist lange schon klar, dass es ganz andere Motivationen und ganz andere Antriebe gibt?
    Spreng: Ich glaube ja, dahinter steckt der Versuch der CSU, Frau Merkel zu stürzen. Denn die CSU weiß genau: Solange sie mit Frau Merkel in einer Koalition ist, dem größten Feindbild der AfD, hat sie keine Chance, die AfD in Bayern kleinzukriegen. Insofern glaube ich, dass von einigen führenden Leuten die eigentliche Motivation war, auf diesem Weg Frau Merkel loszuwerden und damit, wie sie meinen, ihren schlimmsten Malus für die bayerische Landtagswahl. Aber diese Operation ist strategisch und taktisch stümperhaft geführt worden, sodass am Ende die CSU in dieser ausweglosen Sackgasse gelandet ist.
    Seehofers Fehler
    Barenberg: Wenn Sie jetzt sagen, einige führende Leute haben dieses Ganze in Bewegung gesetzt, meinen Sie damit Horst Seehofer, oder meinen Sie damit Markus Söder, den Ministerpräsidenten, oder Alexander Dobrindt, den Landesgruppenchef?
    Spreng: Im Grunde alle, die Sie genannt haben. Es ist bekannt, dass Horst Seehofer schon vor zwei Jahren gesagt hat, Frau Merkel wolle eine andere Republik, ein anderes Deutschland - eine Meinung, die von anderen führenden Politikern geteilt wird. Nur er hat nicht vor zwei Jahren die Konsequenz daraus gezogen, sondern will jetzt die Konsequenz ziehen an einem ungeeigneten Beispiel, und das ist der entscheidende strategische Fehler, den die CSU gemacht hat.
    Söder und Dobrindt: Scharfmacher im Hintergrund
    Barenberg: Man hat ja mehr und mehr den Eindruck bekommen, dass Horst Seehofer, sagen wir mal, möglicherweise beides ist: Täter am Anfang, aber am Ende eher Opfer, Antreiber der Auseinandersetzung und jetzt inzwischen der Getriebene. Wie sehen Sie das?
    Spreng: Ja, aber hauptsächlich von sich selbst getrieben. Natürlich spielen auch Söder und Dobrindt im Hintergrund eine Rolle, gewissermaßen als Scharfmacher, die immer neue Stichworte in die Debatte geliefert haben, die den Streit angeheizt haben. Aber er hat sich auch selbst in diese Falle manövriert. Er hat einen Plan vorgestellt und angekündigt, ihn in eigener Verantwortung umsetzen zu wollen, der nicht mal in den Koalitionsverhandlungen beschlossen worden war. Das ist ein überfallartiger Versuch, ein politisches Thema durchzusetzen, das während der Koalitionsverhandlungen überhaupt nicht beschlossen wurde.
    Barenberg: Was ja auch die Frage aufwirft, ob die SPD überhaupt mitspielen wird.
    Spreng: Nein. Die SPD wird das auf keinen Fall mitmachen. Aber ich finde sie klug beraten, sich im Augenblick im Hintergrund zu halten, und nicht die Pfeile auf sich zu ziehen. Das ist ein Streit, den erst mal CDU und CSU abschließend austragen müssen.
    Massiver Schaden für die CSU
    Barenberg: Und wenn das darauf hinausläuft, dass Horst Seehofer heute zurücktritt, dann sagen ja einige in der CSU, die Koalition kann dann trotzdem weitermachen. Halten Sie das für vorstellbar?
    Spreng: Vorstellbar ist im Augenblick alles bei diesem absurden Theater. Aber es ist schwer vorstellbar, denn die Beschlusslage der CSU bleibt ja, die einstimmige - bis auf eine Gegenstimme - Unterstützung des Masterplans. Auch ein zukünftiger CSU-Innenminister wäre daran gebunden. Wie verhält der sich dann in der Regierung? Was hat das wiederum für Folgen für die Landtagswahl, wenn der bayerische Löwe erst brüllt, aber dann mit einem anderen Innenminister gewissermaßen als Bettvorleger bei Mutti landet? Diese Lage für die CSU, die hier bei der bayerischen Landtagswahl, egal welche Option ergriffen wird, egal wie es jetzt ausgeht, massiv Schaden nimmt, diese Lage ändert sich dadurch nicht.
    Barenberg: Wenn Sie jetzt Angela Merkel einen guten Rat geben sollten für das Gespräch heute Nachmittag, was würden Sie angesichts dieser Lage ihr raten? Wie sollte sie sich verhalten?
    Spreng: Ja gut, was heißt hier noch Ratschläge geben? In dieser Situation hat Frau Merkel keine andere Chance, als das zu machen, was sie bisher gemacht hat: konziliant im Ton, hart in der Sache. Und so hat sie ja wohl schon am Samstagabend mit Herrn Seehofer gesprochen mit dem bekannten Ergebnis.
    Jeder beschwört die Gemeinsamkeit
    Barenberg: Gerade haben wir von Markus Söder, dem bayerischen Ministerpräsidenten gehört, dass er jetzt öffentlich erklärt, nein, nein, da stehe sehr viel auf dem Spiel und die Fraktionsgemeinschaft wolle man auf keinen Fall aufs Spiel setzen und die Regierung auch nicht. Wie sollte er sich jetzt verhalten?
    Spreng: Ich glaube, das ist jetzt Teil des schwarze Peter Spiels. Jetzt werden sehr viele taktische Äußerungen gemacht. Jeder beschwört die Gemeinsamkeit, damit er nicht am Ende der Schuldige ist. – Ich würde im Augenblick da gar nichts auf die Goldwaage legen, sondern abwarten, wie die Fraktionssitzung, wie heute Abend das Gespräch ausgeht.
    Barenberg: Der Publizist und Politikberater Michael Spreng hier live im Deutschlandfunk. Danke für Ihre Zeit, Herr Spreng. Danke für das Gespräch.
    Spreng: Ich danke auch.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.