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Debatte über Solidaritätszuschlag
"Der Soli muss jetzt abgeschafft werden"

Der Solidaritätszuschlag darf keine Dauereinrichtung werden - das fordert der Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Clemens Fuest, im DLF. Als Mittel für den Aufbau Ost habe der Soli ausgedient, für nötige Investitionen müsse der Staat andere Wege finden.

Clemens Fuest im Gespräch mit Christine Heuer |
    Christine Heuer: Wenn diese Woche zu Ende ist, dann hat Wolfgang Schäuble endlich, was er sich lange gewünscht hat: die schwarze Null. Keine neuen Schulden im Haushalt 2015, erstmals seit 1969. Eine historische Wegmarke, die der Finanzminister zum Auftakt der abschließenden Haushaltsberatungen im Bundestag heute entsprechend feierte. Die Opposition spart ebenfalls, und zwar mit Lob für die Regierung, die aus Sicht von Linken und Grünen viel mehr Geld investieren müsste.
    Solidarität mit Ostdeutschland - nach der Wende war klar, dass der Westen diese Solidarität üben muss und will. Die blühenden Landschaften waren noch nicht viel mehr als ein Versprechen. Um sie Wirklichkeit werden zu lassen, griffen alle Bürger, auch die im Osten, tiefer in die Tasche. Seit 1991 bezahlen wir mit einer Unterbrechung den Solidaritätszuschlag. Im Osten wird er im Wesentlichen nicht mehr gebraucht, sagen Experten, und viele Politiker fordern im Anschluss an den Aufbau Ost einen Aufbau West: mehr Investitionen beispielsweise in die marode Infrastruktur des Ruhrgebiets. SPD und Grüne in den Ländern haben jetzt gefordert, den Soli beizubehalten, ihn ins normale Steuersystem zu integrieren und an den Einnahmen auch Länder und Kommunen zu beteiligen - in ganz Deutschland. Das Echo war gespalten.
    In Berlin erreichen wir Clemens Fuest. Er ist Präsident am Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim. Guten Tag, Herr Fuest.
    Clemens Fuest: Guten Tag, Frau Heuer.
    Heuer: Der Soli für immer - sind Sie dafür oder dagegen?
    Fuest: Ich bin dagegen. Das ist ja eingeführt worden als eine Abgabe für den Aufbau Ost. Das sollte vorübergehend sein. Das Ganze ist jetzt 25 Jahre her. Ich meine, der Soli muss jetzt abgeschafft werden. Natürlich muss man dann darüber reden, wie man die Aufkommenslöcher stopft, aber man kann nicht eine befristete Abgabe einführen und sie dann für immer aufrecht erhalten. Das passt einfach nicht zusammen.
    Heuer: Herr Fuest, Sie sagen, man muss dann darüber reden, wie man die Aufkommenslöcher stopft. Die Bürger fragen sich, das Ding, das Soli heißt, war irgendwann mal befristet geplant, und die wollen gerne mal entlastet werden und nicht immer weiter draufzahlen.
    "Die Politik tut so, als wäre kein Geld da"
    Fuest: Das ist auch verständlich. Nur muss man es dann auch umsetzen, und da gibt es ja zwei Möglichkeiten: Entweder man erhöht die Einkommenssteuer, um das auszugleichen, aber dann gibt es keine Entlastung. Der andere Punkt wäre, dass die Politik sich mal Gedanken darüber macht, ob wirklich alle Ausgaben, die wir heute haben, notwendig sind. Und da, muss ich sagen, ist das Argument mit den Investitionen schon ziemlich unverschämt. Investitionen sind eine staatliche Kernaufgabe. Das allgemeine Steueraufkommen muss dafür verwendet werden. Und jetzt tut die Politik so, als wäre dafür kein Geld da. Wir müssen ja sehen, dass die aktuelle Bundesregierung erst mal jede Menge Geschenke verteilt hat, unter anderem Rente mit 63, und dann feststellt, aha, jetzt haben wir kein Geld mehr für Investitionen. Das ist ziemlich dreist. Das kann letztlich kein Grund sein, den Soli weiterzuführen. Ich denke, man sollte den Soli abschaffen, und dann ist es der Politik ja unbenommen, den Parlamenten unbenommen zu sagen, gut, wir treten vor den Bürger und erheben Steuern oder wir kürzen eben andere Ausgaben. Es ist auch so, dass unsere Verfassung gar nicht vorsieht, dass man so einen Steuerzuschlag für immer erhebt.
    Heuer: Na ja. Deshalb soll das Kind ja anders genannt werden und dann heißt es einfach, das geht alles in der Einkommenssteuer auf - wird für den Bürger auch teuer.
    Fuest: Das wird für den Bürger auch teuer, aber hier sprechen letztlich die Parlamente und da kann der Bürger mit seiner Wahlentscheidung sich ja wehren, wenn er dafür wäre, Ausgaben zu kürzen. Ausgabenkürzungen sind natürlich auch schmerzhaft, das soll man nicht verschweigen.
    Keine Wahlalternative?
    Heuer: Ja. Aber, Herr Fuest, wofür soll der Wähler sich denn entscheiden, denn im Grunde, wenn man sich das genauer anguckt, sind alle Parteien dafür, weiter dieses Geld vom Bürger zu nehmen?
    Fuest: Ja. Dann muss man eben Parteien wählen, die sich anders aufstellen, und die wird es schon geben. Man muss dann bei den Wahlen den Richtigen finden, muss sich vielleicht auch öffentlich mal äußern. Es ist wirklich so, dass in Deutschland nur noch über das Geldausgeben geredet wird und überhaupt nicht mehr darüber, dass der Staat seine Ausgaben mal überprüfen sollte. Wir haben zum Beispiel viele Subventionen, die völlig unsinnig sind. Da könnte man schon was tun.
    Heuer: Herr Fuest, das klingt, als würden Sie die FDP vermissen. Ist das so?
    Fuest: Na ja. Die FDP war ja auch lange Zeit an der Regierung und hat zwar Steuersenkungen versprochen, aber die nicht durchgesetzt. Ich will hier gar nicht eine Partei hervorheben, aber man muss sich schon fragen, ob das, was die Parteien gegenwärtig machen, so sinnvoll ist.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.