Archiv

Debatte über Strafantrag
Unterstützung für Böhmermann

Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hat formell einen Strafantrag gegen den ZDF-Moderator Böhmermann wegen Beleidigung gestellt. Vize-Ministerpräsident Numan Kurtulmus sagte: "Wir wollen, dass dieser unverschämte Mann sofort bestraft wird." Doch Böhmermann erhält viel Unterstützung.

    Der ZDF-Moderator Jan Böhmermann
    Der ZDF-Moderator Jan Böhmermann (imago stock & people)
    Die zuständige Staatsanwaltschaft in Mainz bestätigte am Montagabend, dass durch eine Rechtsanwaltskanzlei ein Strafantrag wegen Beleidigung nach Paragraph 185 Strafgesetzbuch eingegangen sei. Spiegel Online berichtet außerdem, dass die Anwälte Erdogans von Böhmermann eine Unterlassung gefordert hätten. Bis Mittwoch habe er nun Zeit, sie zu unterschreiben und damit seinen Willen zu zeigen, die "Verunglimpfungen und Beleidigungen nicht zu wiederholen".
    Vize-Ministerpräsident: "Dieser unverschämte Mann"
    Vize-Ministerpräsident Numan Kurtulmus beklagte, dass das Gedicht nicht nur eine Beleidigung von Präsident Recep Tayyip Erdogan, sondern aller 78 Millionen Türken sei. "Deshalb wollen wir als Republik Türkei natürlich, dass dieser unverschämte Mann im Rahmen der deutschen Gesetze sofort wegen Beleidigung eines Präsidenten bestraft wird." Er sprach von einem "schweren Verbrechen gegen die Menschlichkeit." Der Text habe "alle Grenzen der Schamlosigkeit übertroffen".
    Kurtulmus fügte hinzu, dass die Türkei "absolut keinen politischen Druck" auf Deutschland ausüben wolle.
    Nouripour: "Erdogan mit der Gewaltenteilung vertraut machen"
    Die Angelegenheit hat allerdings längst politische Dimensionen erreicht und setzt die Bundesregierung sehr wohl unter Druck. Nach dem Pakt zwischen der EU und der Türkei in der Flüchtlingsfrage ist Erdogan ein wichtiger Partner für die Bundesregierung. Gleichzeitig muss sie nach innen die Freiheit von Satire verteidigen. Vor dem Strafantrag Erdogans hatte die Türkei einen förmlichen Wunsch nach Strafverfolgung des 35-Jährigen gestellt. Für eine Strafverfolgung in solchen Fällen brauche es neben dem Strafverlangen der Türkei auch eine entsprechende Ermächtigung vonseiten der Bundesregierung.
    Die türkische Regierung bezog sich dabei auf Paragraph 103 des deutschen Strafgesetzbuchs. Darin heißt es: "Wer ein ausländisches Staatsoberhaupt (...) beleidigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe, im Falle der verleumderischen Beleidigung mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft." Dies zu prüfen, werde ein paar Tage, aber nicht Wochen dauern, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag.
    Niels Annen, außenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, sagte der Tageszeitung Die Welt: "Ich erwarte, dass die Bundesregierung einen rechtskonformen Weg findet, die Bitte der türkischen Regierung um eine Strafverfolgung abzulehnen." Omid Nouripour, außenpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion der Grünen, ergänzte: "Die Bundesregierung sollte den Fall unkommentiert der deutschen Justiz überlassen und damit Erdogan mit einem weiteren Prinzip demokratischer Staaten vertraut machen - der Gewaltenteilung."
    Unterstützung für den Moderator
    Oliver Welke, Moderator, der ZDF-Stiresendung "heute show" kritisierte Bundeskanzlerin Angela Merkel. Zu einem "Fall Böhmermann" sei die Sache erst geworden, als sich Merkel über ihren Regierungssprecher Steffen Seibert mitteilen ließ, dass sie Böhmermanns Schmähgedicht "bewusst verletzend" finde. "Ein großer Fehler, der ihr hoffentlich leidtut", sagte Welke. "Man kann nicht zuerst nichts sagen zum Einbestellen des deutschen Botschafters in Ankara nach dem Fall extra 3. Und sich dann quasi als oberste deutsche Fernsehkritikerin zu Böhmermann äußern - das geht gar nicht."
    Der aus der Türkei stammende Schriftsteller Feridun Zaimoglu verteidigte ebenfalls das umstrittene Gedicht. "Auch Spott und Häme sind durch Meinungsfreiheit gedeckt", sagte der Autor bei Deutschlandradio Kultur. Die Reaktion aus der Türkei auf die Satire über den türkischen Präsidenten wertet Zaimoglu als Eingriff in die Meinungsfreiheit. "Die Mächtigen verhöhnen und demütigen die Freiheit", sagte der 51-Jährige. "Dabei suchen sie sich Einzelne, die sie nicht mit Lobpreis besingen."
    Unterstützung erhielt Böhmermann auch von dem Kabarettisten Dieter Hallervorden, der seinerseits ein Lied mit dem Titel "Erdogan, zeig mich an" veröffentlichte. "Ich stelle mich damit solidarisch auf die Seite der Kollegen, die ja im Moment im Fadenkreuz von Bundesregierung und Staatsanwaltschaft sind", sagte Hallervorden im WDR. "Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut. Und wenn man eine Überzeugung hat, dann sollte man die eben auch äußern."
    Bei Twitter solidarisieren sich Nutzer unter dem Hashtag #freeboehmi mit der Moderator. Eine Online-Petition fordert "Freiheit für Böhmermann!" - obwohl er gar nicht inhaftiert ist. Mehr als 94.000 Unterzeichner (Stand: Dienstagmorgen) wollen vor allem ein Zeichen für Meinungsfreiheit setzen.
    ZDF hält an Böhmermann fest
    Böhmermann hatte ein Gedicht über Erdogan in seiner ZDF-Sendung "Neo Magazin Royal" mit mehreren beleidigenden Formulierungen verlesen und immer wieder lachend betont, dass dies nicht erlaubt sei - um satirisch den Unterschied zwischen Satire und Schmähkritik darzustellen. Das ZDF hatte das Gedicht anschließend aus seiner Mediathek gelöscht.
    Der Sender will an seinen Sendungen festhalten. "Ich stehe natürlich zu den Satire-Sendungen, zu den Moderatoren und zu Herrn Böhmermann auch", sagte ZDF-Intendant Thomas Bellut am Montag. Zu der Sendung mit dem Gedicht sagte Bellut: "Sie entsprach nicht den Vorstellungen, die wir vom Programm haben. Ich fand es einen Tick zu hart, einen Tick zu weit gegangen." Deshalb sei der Beitrag auch gelöscht worden. Auch ein anderer Sender sorgte für diplomatische Spannungen: Wegen eines satirischen Liedes des ARD-Magazins extra 3 hatte Erdogan den deutschen Botschafter einbestellen lassen.
    (nch/jcs)