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Debatte über Transitzentren
"Es kann nicht darum gehen, Haftlager zu errichten"

In der Debatte über Transitzentren für Asylsuchende drängt SPD-Innenpolitiker Burkhard Lischka darauf, endlich zu tragfähigen Lösungen zu kommen. CDU und CSU hätten in den vergangenen Tagen in den Abgrund geschaut. Jetzt müsse man nach den ganzen Chaostagen zurückkehren zum vernünftigen Regieren, sagte Lischka im Dlf.

Burkhard Lischka im Gespräch mit Christiane Kaess |
    Im Transitzentrum in Manching für Asylsuchende steht ein Sicherheitsmitarbeiter neben einem Bewohner an einem Zaun.
    Offen oder gechlossen? In der Debatte um Transitzentren sind Union und SPD noch nicht auf einer Linie (Stefan Puchner/dpa)
    Christiane Kaess: Mitgehört hat Burkhard Lischka. Er ist Obmann der SPD im Bundestagsausschuss für Inneres und Heimat. Guten Morgen, Herr Lischka.
    Burkhard Lischka: Ja! Schönen guten Morgen, Frau Kaess!
    Kaess: Die SPD ist gegen geschlossene Transitzentren. Fangen Sie jetzt den nächsten Zoff in der Koalition an?
    Lischka: Nein. Es geht ja nicht um Zoff, sondern es war ja so, dass am Montagabend zwischen CDU und CSU irgendwie die Notbremse gezogen wurde, bevor der ganze Unionszug in den Abgrund rattert. Da hat man dann ein sehr, sehr schmales Kompromisspapier gemacht, was eigentlich auf einen Bierdeckel passt. Jetzt wird es in den nächsten Tagen darum gehen, dass man daraus ein vernünftiges, tragfähiges und rechtmäßiges Konzept macht, und in diesen Gesprächen sind wir im Augenblick.
    Der SPD-Politiker Burkhard Lischka
    Der SPD-Politiker Burkhard Lischka (dpa / Peter Gercke)
    "Es geht auch ohne geschlossene Zentren"
    Kaess: Aber der Konflikt ist ja eindeutig. Die Union will geschlossene Zentren, die SPD nicht.
    Lischka: Ja, und zwar auch aus gutem Grund haben wir das entsprechend abgelehnt, weil bei diesen geschlossenen Zentren tatsächlich die Gefahr besteht, dass solche ganzen Einrichtungen auf einmal rechtswidrig sind. Und ich finde, es geht auch ohne geschlossene Zentren, dass man zügige und rechtssichere Verfahren implementiert hier in Deutschland. Da gibt es ein gutes Beispiel für. Das war in der ersten Jahreshälfte 2015, betraf die Westbalkan-Staaten. Wir hatten damals eine Situation, dass allein aus dem Kosovo pro Tag etwa tausend Menschen kamen. Wir haben dann ganz, ganz zügige Verfahren gemacht, ganz konsequente und zügige Rückführungen, das alles in offenen Einrichtungen, und das hatte einen erheblichen Effekt, nämlich innerhalb von drei Monaten sind die Zahlen damals von tausend pro Tag auf etwa 30 bis 40 Personen pro Tag zurückgegangen. Und ich finde, das ist ein gutes Beispiel dafür, wie man zu schnellen und effektiven Verfahren kommt, ohne dass man irgendwelche geschlossenen Hafteinrichtungen hat.
    Kaess: Aber, Herr Lischka, das hatte damals auch einen ganz anderen Hintergrund. Jetzt geht es darum, dass aus diesen Transitzonen heraus zurückgeführt oder man könnte auch sagen abgeschoben wird. Wer sollte denn freiwillig in so einer Transitzone bleiben, wenn er sich eigentlich mehr oder weniger sicher sein kann, er wird aus Deutschland abgeschoben?
    Lischka: Ja nun, es ist so, dass es ja Personen betreffen soll nach den Vorstellungen der Union, die an der deutsch-österreichischen Grenze aufgegriffen werden, beispielsweise durch die Bundespolizei. Da geht es ja dann um etwas ziemlich Simples, finde ich, in diesen Einrichtungen, nämlich entsprechend festzustellen, wurde bereits ein Asylantrag gestellt in einem anderen EU-Land, und diese Menschen dann auch zügig in dieses andere EU-Land zurückzuführen.
    "Nicht parallel zwei oder drei Asylverfahren durchführen"
    Kaess: Das wollen die ja trotzdem nicht. Sonst wären sie ja nicht nach Deutschland gekommen, sondern da geblieben, wo sie den Asylantrag gestellt haben.
    Lischka: Ja! Aber es geht ja hier darum, etwas Selbstverständliches hier in Europa umzusetzen, dass wir nämlich nicht parallel zwei oder drei Asylverfahren durchführen.
    Kaess: Aber, Herr Lischka, Entschuldigung! Da muss ich noch mal unterbrechen. Meine Frage war ja: Warum sollten die Leute freiwillig in diesen Zentren bleiben, wenn die nicht geschlossen sind?
    Lischka: Nun, es ist wie gesagt so, dass wir durchaus Grenzkontrollen haben, dass wir Schleierfahndung haben, dass wir auch entsprechende Zugstrecken kontrollieren. Und da geht es um die Menschen, die entsprechend dort an den Grenzen aufgegriffen werden, um innerhalb weniger Stunden dann festzustellen, gibt es ein Asylverfahren in einem anderen Land, und dann auf der Grundlage von Verträgen mit den betroffenen EU-Staaten auch innerhalb weniger Stunden Menschen wieder zurückzuführen. Ich glaube, das ist ein Ansatz, gegen den man nichts haben kann. Aber Sie haben bei einem recht: Es betrifft nur eine Hand voll Menschen.
    Um das mal zahlenmäßig einzuordnen: Im vergangenen Jahr wurden an der deutsch-österreichischen Grenze ganze 1700 Asylgesuche gestellt. In diesem Jahr ist das sogar noch etwas weniger. Im ersten Quartal waren es nur 248. Insofern, da gebe ich Ihnen recht, behandeln wir und beschäftigen wir uns da meines Erachtens mit einem Randproblem, das CDU und CSU hier in erheblichem Maße aufgebauscht haben. Aber es spricht bei dieser Hand voll Fällen aus meiner Sicht nicht grundsätzlich etwas dagegen, hier ein zügiges Verfahren zu implementieren.
    Kaess: Aber das ist, glaube ich, auch nicht die Frage, Herr Lischka. Es geht um den Konflikt um geschlossene oder nicht geschlossene Zentren, und da prallen Sie ja offensichtlich jetzt schon mit der Union aneinander. Die SPD steckt ja in diesem Dilemma, dass sie das auf der einen Seite weder abnicken will, noch will sie es blockieren. Wie wollen Sie da denn wieder rauskommen?
    Lischka: Indem wir einfach vernünftige Absprachen treffen, nämlich darüber, wie wird das Verfahren ausgestaltet, wie lang soll insbesondere dieses Verfahren dauern. Das betrifft sowohl die Entscheidung …
    Blaupause für alle weiteren Überlegungen
    Kaess: Aber das heißt ja nichts über geschlossen oder nicht. Jetzt reden Sie wieder über die Verfahren. Es geht darum, ob diese Zentren geschlossen sein sollen oder nicht.
    Lischka: Da habe ich ja eben deutlich gesagt, da haben wir einen klaren Standpunkt, dass es nicht darum gehen kann, irgendwelche Haftlager zu errichten, in denen Menschen über einen längeren Zeitraum entsprechend festgehalten werden. Und ich habe ja eben auf das Beispiel Westbalkan schon mal verwiesen, wo es tatsächlich dann auch so gewesen ist, ohne dass man da geschlossene Einrichtungen hatte, dass man sehr, sehr zügig solche Verfahren abschließen konnte und damit ja auch Effekte erzielt hat. Und ich glaube, das sollte durchaus als Blaupause auch dienen jetzt für alle weiteren Überlegungen.
    Kaess: Wenn die SPD bei ihrem Nein bleibt, dann könnte daran die Koalition zerbrechen. Kann sich die SPD denn Neuwahlen leisten?
    Lischka: Es geht im Augenblick nicht um Neuwahlen oder Koalition zerbrechen, sondern es geht darum, dass wir endlich mal wieder nach den ganzen Chaostagen zurückkehren zu einem vernünftigen Regieren. Da sind wir im Augenblick dabei. Sie wissen, dass am Donnerstag ein weiterer Koalitionsausschuss ist und wir gemeinsam uns darum bemühen, hier entsprechend zu vernünftigen, tragfähigen Lösungen zu kommen, und ich bin auch ganz optimistisch, dass das jetzt beginnt, weil die CDU und die CSU hat in den letzten Wochen wirklich in den Abgrund geschaut. Deshalb auch diese Notbremsung am Montag. Und ich glaube, dass dort auch ein Interesse daran besteht, jetzt endlich zu vernünftigen Lösungen zu kommen.
    Kaess: Was machen Sie, wenn die Union bei ihrer Position bleibt, diese Zentren müssen geschlossen sein? Dann bleibt die SPD bei ihrer Position, die Zentren müssen offen bleiben?
    Lischka: Ich bin mir relativ sicher, dass wir da in den nächsten Tagen uns vielleicht noch mal in einem Interview unterhalten und da auch zu einem guten Kompromiss gekommen sind, den wir dann gemeinsam auch sicherlich diskutieren können.
    Keine deutschen Alleingänge zu Lasten Europas
    Kaess: Da sind wir gespannt, wie der dann aussieht. – Dann schauen wir mal über die deutsche Grenze hinaus. Das Problem wird ja zum Teil auch ein bisschen auf Österreich abgewälzt. Auf welcher rechtlichen Basis sollen eigentlich diejenigen nach Österreich zurückgewiesen werden, die in anderen Ländern registriert sind, mit denen es dann wiederum kein Abkommen gibt? Denn für die ist ja Österreich eigentlich gar nicht zuständig.
    Lischka: So dünn dieses Kompromisspapier ist zwischen CDU und CSU, aber es hat schon eine zentrale Botschaft. Die lautet nämlich: Zurückführungen bei der Einreise kann es nur im Hinblick auf EU-Staaten geben, mit denen es auch entsprechende Abkommen gibt. Insofern: Es wird keine deutschen Alleingänge zu Lasten Europas geben. Das ist aus meiner Sicht auch eine vernünftige Grundlage, hier zu einem geordneten und abgestimmten Verfahren zu kommen. Und der Herr Seehofer hat jetzt endlich mal eine ganz, ganz klare Aufgabe, eine sinnvolle Beschäftigung, dass er nämlich mit den entsprechenden Staaten, insbesondere Italien und Österreich entsprechende Verhandlungen aufnehmen muss, entsprechende Vereinbarungen vorlegen muss. Ansonsten ist dieses Kompromisspapier – so ist es angelegt – bereits Makulatur.
    Kaess: Aber noch mal meine Frage: Österreich ist ja für diejenigen, die in anderen Ländern registriert wurden, überhaupt nicht zuständig. Und trotzdem will die Union solche Fälle zurückweisen an der Grenze nach Österreich. Geht die SPD da mit?
    Lischka: Ja, nur für den Fall, dass es eine entsprechende Vereinbarung gibt. Das sieht ja ausdrücklich auch das Kompromisspapier zwischen CDU und CSU vor. Das heißt, Herr Seehofer muss jetzt tatsächlich liefern, wenn in Zukunft solche Einrichtungen an der deutsch-österreichischen Grenze implementiert werden sollen.
    Kaess: Aber können Sie irgendwie nachvollziehen, wie man überhaupt auf die Idee kommt, das Ganze jetzt auf Österreich abzuwälzen?
    Lischka: Ja, möglicherweise, weil die CDU und die CSU gesehen haben, dass es gerade im Fall von Italien durchaus Schwierigkeiten gibt. Gleichwohl: Herr Seehofer will ja dort den Anlauf unternehmen, zu einer entsprechenden Vereinbarung zu kommen. Ich wünsche ihm dabei durchaus viel Erfolg. Das sage ich ganz ohne Häme. Denn eins ist klar: Selbst nach dem Kompromisspapier von CDU und CSU ist dieser Kompromiss hinfällig, wenn es Herrn Seehofer nicht gelingt, entweder mit Italien oder Österreich oder beiden entsprechende Vereinbarungen zu treffen. Dann werden diese entsprechenden Zentren nur solche Personen betreffen, die möglicherweise aus Griechenland oder Spanien kommen, wo sich ja entsprechende Vereinbarungen abzeichnen.
    "Die nächsten vier Wochen sind entscheidend"
    Kaess: Österreich hat ja schon angekündigt, dass es die Südgrenze mit Italien und Slowenien jetzt stärker schützen will. Das heißt, das Ganze könnte auf einen Dominoeffekt hinauslaufen. Es gibt auch Leute, die schon befürchten, Schengen ist dann tot, mit allen Auswirkungen auch auf Tourismus oder die Wirtschaft. Und das alles trägt die SPD mit, denn Sie könnten jetzt auch einfach komplett Nein sagen?
    Lischka: Nein! Diesen Dominoeffekt, nochmals, kann es nicht geben, weil diese Zentren nicht eingerichtet werden, jedenfalls im Hinblick auf die Zurückführung in solche EU-Länder, mit denen es keine Vereinbarung gibt. Insofern sind die nächsten vier Wochen sicherlich entscheidend, was Herr Seehofer mit Österreich und Italien erreichen kann. Das ist die Grundlage überhaupt dafür, auf der dieses ganze Kompromisspapier von CDU und CSU auch fußt.
    Kaess: Und da wird die SPD auch hart bleiben?
    Lischka: Ja. Da werden wir insofern auch entsprechend hart bleiben, als dass wir immer deutlich gemacht haben, dass es eine Lösung geben muss, die nicht gegen Europa läuft, sondern die auf der Grundlage entsprechender Vereinbarungen nur implementiert werden kann.
    Kaess: Eine andere Konsequenz könnte auch noch sein, wenn wir da zum Schluss noch draufgucken, dass einfach in anderen Ländern nicht mehr registriert wird.
    Lischka: Ja. Das spricht nochmals dafür, dass man hier nicht Alleingänge unternimmt, sondern dass man entsprechende Abkommen macht, um gerade so etwas auszuschließen. Weil eins ist klar: Die ursprünglichen Pläne der CSU wären ja darauf hinausgelaufen, dass es wieder zu einer Politik des Durchwinkens kommt, mit all ihren Problemen letztendlich auch für Deutschland, die wir im Jahr 2015 ja bereits schmerzlich erlebt haben.
    Kaess: Wir werden das weiter verfolgen. Danke schön, Burkhard Lischka, Obmann der SPD im Bundestagsausschuss für Inneres und Heimat. Danke für Ihre Zeit heute Morgen.
    Lischka: Vielen Dank, Frau Kaess! – Ja, tschüss!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.