Mit ihrer Aktion #allesdichtmachen haben prominente deutsche Schauspielerinnen und Schauspieler für hitzige Diskussionen über die Corona-Maßnahmen in Deutschland gesorgt. In kurzen Videoclips üben Jan Josef Liefers, Meret Becker, Ulrich Tukur und andere auf ironische Weise Kritik an der Bundesregierung und den Medien. Die Reaktionen darauf fielen sehr unterschiedlich aus - von Applaus bis Entsetzen.
Zustimmung gab es für die Aktion unter anderem von Corona-Leugnern und AfD-Anhängern, woraufhin einige Prominente ihre Clips zurückzogen. Andere Befürworter sind der Meinung, dass die Corona-Maßnahmen auf breiterer Basis diskutiert werden müssen. Kritiker werfen den Beteiligten vor, zynisch auf das Leiden in der Pandemie zu reagieren. Ihre Vorwürfe gegenüber der Politik und den Medien seien zu undifferenziert und zu pauschal formuliert.
Stark polarisierte Debatte
Die Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot ist Mitunterzeichnerin des "Manifests der offenen Gesellschaft". Die Diskussion um die Corona-Maßnahmen sei aktuell stark polarisiert, sagte sie im Dlf. Die eine Seite schaue konzentriert auf die Intensivbetten und die Triage-Diskussion, was richtig sei, aber den Blick verenge. Die andere Seite schaue "auf die gesamten gesellschaftlichen Kollateralschäden" und warne davor, zu hysterisch zu reagieren.
Sie persönlich halte die Aktion für sinnvoll und habe die Ironie dahinter verstanden, sagte die Professorin, die das Departement Europapolitik und Demokratieforschung an der Donau-Universität Krems leitet: "Die Kunst ist frei." Das müsse erhalten bleiben. Die Künstler hätten auf die Hysterie im Diskurs um die Corona-Maßnahmen aufmerksam machen und auf gesellschaftliche Gefahren von Grundrechtseinschränkungen hinweisen wollen. "Ich halte das für völlig legitim", betonte Guérot. "Und wenn man jetzt sagt, wenn das von rechts vereinnahmt wird, dann darf das nicht sein, dann ist genau das das Problem unseres heutigen Diskurses, weil es gibt keinen Raum mehr für legitime Kritik."
"Homogenisierte Medienlandschaft"
In diesem Zusammenhang sprach Guérot im Interview auch von einer "homogenisierten Medienlandschaft" im Hinblick auf die Corona-Berichterstattung. Sie habe das Gefühl, "die ganze Diskussion ist vermint. Man kann sich eigentlich nur vertun in dem Moment, wo man versucht, begründet legitime Kritik an den Maßnahmen zu machen. So hat man sofort die Vereinnahmung von rechts, und deswegen trauen sich wenige überhaupt noch in die Öffentlichkeit." Die Politikwissenschaftlerin räumte allerdings ein, dass es in den Medien mittlerweile einen "viel aufgefächerteren Diskurs" gebe als noch vor einem Jahr; es kämen nicht nur Virologen zu Wort, sondern auch Pädagogen und Psychologen. Auch die Meinung von Corona-Kritikern würden abgebildet, aber das spiegele sich nicht in den Maßnahmen der Politik wider.
"Selbstverantwortung ist das Stichwort"
Wie sehen alternative Lösungsvorschläge zu den strengen Corona-Maßnahmen der Bundesregierung aus? Guérot plädierte diesbezüglich für mehr Selbstverantwortung und Gelassenheit im Umgang mit der Pandemie statt eines "Zwangs zum Selbstschutz". "Die Lösung ist auf jeden Fall nicht, einem tückischen Virus noch ein System, unsere Kultur, unsere Diskussionskultur, unsere Zivilisation, unsere Grundannahmen der Gesellschaft hinterherzuwerfen. Dass wir mit dem Virus umgehen müssen, dass das tragisch ist, dass Leute sterben - das ist unbestritten."