Um die Corona-Pandemie in den kommenden Monaten zu überwinden, ist ein schneller Fortschritt bei den Impfungen nötig – darin sind sich Politiker und Experten einig. Doch der Impfstoff des Herstellers Astrazeneca, der dabei helfen soll, ist schon seit Wochen in Misskredit geraten. Zum einen, weil der Hersteller die zugesagte Liefermenge nicht einhalten konnte, zum anderen wegen der anfänglichen Empfehlung, dass nur Menschen unter 65 Jahren geimpft werden sollten. Der jüngste Höhepunkt beim Ansehens- und Vertrauensverlust: Rund ein Dutzend Länder in Europa hat die Impfungen mit Astrazeneca ausgesetzt.
Keine einheitlichen Botschaften
Das Negativ-Image sei vor allem einer schlechten Krisenkommunikation zuzuschreiben, sagte der PR-Experte Dominik Wichmann im Deutschlandfunk. Als Problem sieht Wichmann, dass etwa von der EU-Kommission keine einheitlichen Botschaften ausgesendet würden: "Momentan finden wir eine sehr toxische Situation vor, die letztlich alles versinnbildlicht, was in der bisherigen Impfkommunikation schiefgelaufen ist."
Dominik Wichmann war unter anderem Chefredakteur des "SZ-Magazins" sowie des "Stern". 2017 gründete er die Marketing-Agentur Looping Group.
Begründet wird das Aussetzen der Astrazeneca-Impfungen mit mehreren Fällen, in denen bei geimpften Personen eine spezielle Form einer Thrombose aufgetreten ist, wobei jedoch nicht klar ist, ob diese in einem zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung standen, so der Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts Klaus Cichutek.
Kritik am Auftritt von Jens Spahn
Die neue Debatte verschärft offenbar die schon vorhandene Ablehnung gegenüber dem Astrazeneca-Impfstoff. Bereits im Februar gab es Berichte über abgesagte Impftermine.
Den Auftritt von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, bei dem der vorläufige Impfstopp verkündet wurde, hält Wichmann in diesem Zusammenhang für kommunikatives und damit auch für politisches Versagen. So seien alle Grundregeln der Kommunikation missachtet worden.
Er erwarte von den Amtsträgern, "dass sie klar und verständlich nachvollziehbar kommunizieren, eine Situation zu beruhigen, statt genau das Gegenteil zu erzeugen – und so gesehen war der Auftritt von Jens Spahn leider komplett kontraproduktiv und eine der Ursachen für die Unsicherheit, die wir momentan sehen".
Es müsse von der Politik auch stärker beachtet werden, dass sich die öffentliche Kommunikation durch die Sozialen Medien massiv verändert habe. Sie versuche jedoch mit den kommunikativen Mitteln den 20. Jahrhunderts den kommunikativen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu begegnen, in dem sich jeder an eine breite Masse wenden kann, so Wichmann.