Sandra Schulz: Frau Klöckner, wenn wir zurückschauen auf den Parteitag, auf die Rede von Angela Merkel - Demütigung des Koalitionspartners, ist das der Politikstil der CDU?
Julia Klöckner: Ich glaube, man muss mal richtig reinhören, was sie und wie sie was gesagt hat. Wenn das als Demütigung empfunden wird, dann ist man auf dem falschen Parkett. Sie hat deutlich gemacht, dass sie mehr als erstaunt ist und es für einen Fehler hält, dass die SPD in Thüringen (übrigens ja gegen den Willen von Sigmar Gabriel) dort die SED-Nachfolgepartei Die Linke stützt. Dass das jetzt die Generalsekretärin von Herrn Gabriel gut findet, das ist wahrscheinlich der sozialdemokratische Dreisprung. Aber zu einem Parteitag gehört es, dass eine Partei auch klar Stellung bezieht, und das hat Angela Merkel als Bundesvorsitzende getan.
Schulz: Sie hat gefragt, wie klein sich die Sozialdemokraten denn noch machen wollen. - Wenn sich die Sozialdemokraten so klein machen, warum macht die Große Koalition dann vor allem sozialdemokratische Politik?
Klöckner: Na ja. Erst mal mit dem Blick, wenn sich Sozialdemokraten so klein machen wollen: Wenn eine SPD mit zwölf Prozent einen linken Ministerpräsidenten stützt, dann kommt sie bestimmt nicht mit 20 aus so einer Koalition raus. Und wenn wir Richtung Berlin schauen: Sozialdemokratische Politik machen wir nicht. Wir machen schwarz-rote Politik. Dass es zum Beispiel einen ausgeglichenen Haushalt gibt, das ist die Handschrift der Union. Dass es keine Steuererhöhungen gibt, ist die Handschrift der Union. Und dass die Pflegeversicherung, die Reform, auf neue Beine gestellt worden ist, das ist auch die Handschrift der Union.
Schulz: Mindestlohn, Frauenquote, Rente mit 63, das sind auch alles Leib- und Magenthemen der CDU?
Klöckner: Zum Beispiel bei der Mütterrente haben wir klar gesagt: Wenn Banken systemrelevant sind, sind es Mütter auch. Bei der Rente ab 63 haben wir zumindest dafür gesorgt, dass die Flexirente kommt, eben auch mit einer Flexibilisierung, was den Rechtsschutz beziehungsweise die Möglichkeit des längeren Arbeitens anbelangt. Wir haben beim Mindestlohn die Ausnahmen, die pragmatisch und auch notwendig sind, um Arbeitsplätze zu sichern, mit eingebracht. Wir haben keine absolute Mehrheit und in Koalitionen versuchen wir, unseren Sachverstand und den normalen Menschenverstand mit einfließen zu lassen.
"Fakten sind schlagkräftiger, als irgendwelche Wünsche"
Schulz: Wenn Sie sich von der SPD jetzt abwenden, zumindest verbal dürfte man Angela Merkel gestern so verstanden haben - wir wissen und Sie wissen ja auch nicht, ob die FDP noch mal zu der Stärke zurückkommt, wieder als Koalitionspartner in Frage zu kommen -, ist das nicht automatisch die Hinwendung hin zur rechtspopulistischen AfD?
Klöckner: Die Abwendung von der SPD - wer das so definiert, oder wenn die SPD das so definiert, dann ist sie zwar gut selbst im Austeilen, aber im Einstecken nicht. Im Bund ist eine Große Koalition, die wird auch weitergeführt, und ich glaube, beide Seiten sind da professionell genug und jeder kämpft natürlich für sich. Aber dann sagt der Wähler, welche Stimmengewichte wo verteilt sind, und dann muss man da professionell zusammenarbeiten. Dass zum Beispiel in Hessen Schwarz-Grün möglich geworden ist, hätte keiner vor der Wahl in Hessen gedacht, und manchmal sind Fakten schlagkräftiger als irgendwelche Wünsche zuvor.
Schulz: Ich würde gerne noch mal bei der AfD bleiben und jetzt wiederum deren Sympathie für die sogenannte "Pegida"-Bewegung. "Pegida" noch mal ganz kurz: Das steht für "Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes". Sind Sie da inhaltlich mit Ihrer Forderung nach einem Burkaverbot nicht relativ nah dran?
Klöckner: Erst mal zu "Pegida". Ich glaube, wir sollten den Frauen, die aufgeklärt sind und gegen eine Vollverschleierung sind, nicht in den Rücken fallen, indem wir "Pegida" und das in einen Topf werfen. "Pegida", diese Demonstration, die in Dresden stattfindet zum Beispiel, die macht mir Sorge, wenn man sieht, wer hier Seit an Seit miteinander marschiert: Rechtsextreme mit auch zum Teil einem ganz dumpfen Populismus gegen Zuwanderer. Wir brauchen Zuwanderer, und selbst wenn man bei mir in Bad Kreuznach bei uns ins Krankenhaus schaut, ohne Migranten, oder auch in Handwerksbetrieben, würde unser Land auch gar nicht laufen. Insofern differenzierte Herangehensweise.
Jetzt zum Thema Vollverschleierung von Frauen. Da bin ich froh, dass aufgeklärte Muslima, dass vor allen Dingen Frauenverbände, dass wir ganz, ganz viel Zuspruch haben von Frauen, die deutlich machen, das Thema anzusprechen und sich eben nicht in diese Schublade reinschieben zu lassen, das sei jetzt irgendwie fremdenfeindlich. Wer nämlich die Vollverschleierung von Frauen als kulturelle Vielfalt abtut, der fällt diesen Frauen in den Rücken. Frauen sind genauso viel wert wie Männer und sie geben keinen Anlass aufgrund ihres Haares oder des Gesichtes, dass sie sich in der Öffentlichkeit verschleiern müssen. Die Männer kämen ja auch nicht auf die Idee. Und wir sind eine offene Gesellschaft, offenes Gesicht und ein freies Land, und man will sich auch offen begegnen können.
Jetzt zum Thema Vollverschleierung von Frauen. Da bin ich froh, dass aufgeklärte Muslima, dass vor allen Dingen Frauenverbände, dass wir ganz, ganz viel Zuspruch haben von Frauen, die deutlich machen, das Thema anzusprechen und sich eben nicht in diese Schublade reinschieben zu lassen, das sei jetzt irgendwie fremdenfeindlich. Wer nämlich die Vollverschleierung von Frauen als kulturelle Vielfalt abtut, der fällt diesen Frauen in den Rücken. Frauen sind genauso viel wert wie Männer und sie geben keinen Anlass aufgrund ihres Haares oder des Gesichtes, dass sie sich in der Öffentlichkeit verschleiern müssen. Die Männer kämen ja auch nicht auf die Idee. Und wir sind eine offene Gesellschaft, offenes Gesicht und ein freies Land, und man will sich auch offen begegnen können.
"Fundamentalismus der Islamisierung greift nicht um sich"
Schulz: Sind die Ängste vor einer Islamisierung berechtigt?
Klöckner: Ich habe keine Ängste vor einer Islamisierung, denn wenn man sich umschaut, in unserer Gesellschaft sehe ich jetzt nicht, dass der Fundamentalismus der Islamisierung um sich greift. Wir sind eine bunte Gesellschaft, aber unsere Wurzeln liegen natürlich im Christentum und auch im Judentum. Das müssen wir weder verstecken, noch irgendwie besonders vor uns hertragen. Aber dort, wo Intoleranz sich breitmacht, muss es eine klare Antwort geben. Es gibt keinen Rabatt aufs Grundgesetz, auch keinen religiösen, auch nicht vom Islam oder von sonst jemandem.
Schulz: Dann verstehe ich Sie aber richtig - und es scheint ja viele Bürger hier in diesem Land zu geben, die eine Sorge haben vor einer wachsenden Islamisierung -, dass diese Ängste unberechtigt sind?
Klöckner: Ängste sind ja etwas Subjektives und eine subjektive Realität ist auch eine Realität. Ich glaube, dann, wenn man das einfach nur abtut, dann treibt man Menschen, die Ängste haben, egal wo sie herkommen, in die Arme von Populisten. Insofern müssen gute Politiker Ängste immer ernst nehmen und auch hinhören, wo sie herkommen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.