"Unser Wunsch ist, dass die in Deutschland lebenden Muslime eine in der deutschen Sprache, in der deutschen Kultur wurzelnde eigene Interpretation ihres Glaubensdaseins, ihrer kulturellen Selbstbestimmung entwickeln und umsetzen. Und das wäre dann im Endeffekt eben ein deutscher Islam", sagt Markus Kerber. Er ist Staatssekretär im Bundesinnenministerium und gilt als die treibende Kraft der Deutschen Islamkonferenz. Denn seit ihrem Start im Jahr 2006 laufen in seinen Händen die Fäden des Dialog-Treffens zusammen.
Für die Vierte Deutsche Islamkonferenz, die im November 2018 eröffnet wurde, hat der gebürtige Schwabe einen zentralen Begriff geprägt, der nun – so hofft er – nach und nach realisiert werden soll: "Deutscher Islam". "Darunter verstehe ich einen von den in Deutschland lebenden Muslimen geprägten, von ihnen getragenen und durch sie bestimmten Islam. Es geht also darum, die Mitbürger, die in Deutschland dem Islam angehören, dass die die Hauptträger sind einer Entwicklung, wie sie alle Religionen in Deutschland über die letzten Jahrhunderte erlebt haben."
Immerhin, so Kerber, gebe es ja auch einen deutschen Katholizismus, einen deutschen Protestantismus und ein deutsches Judentum. Doch was genau ist unter einem deutschen Islam zu verstehen? Wenn damit ein Islam gemeint sein sollte, der allein für das Gebiet des deutschen Staates Gültigkeit besitzt – quasi abgekoppelt vom Rest der muslimischen Welt –, dürfte dies kaum machbar sein. Schließlich ist der Islam eine Weltreligion, die sich über die Grenzen der Bundesrepublik hinaus weiterentwickelt.
Sinn macht eher das Einbetten islamischer Grundgedanken, Werte und Haltungen in die Koordinaten der deutschen Kultur und Politik, wie Georg Wenz, der Islambeauftragte und stellvertretende Direktor der evangelischen Akademie der Pfalz, betont: "Ein Islam, von dem man annimmt, dass er den Islam in einer demokratischen Weise, in einer aufklärerischen Weise, in einer Reformweise so verändert, dass er dem deutschen Gesellschaftskontext entspricht." Hierzu gehören Fragen zur Gleichberechtigung der Geschlechter ebenso wie die Themen "Umgang mit Minderheiten" oder "Wechsel der Religion".
Fachleute stimmen zu
Die Idee eines "Deutschen Islam" erfährt von Fachleuten große Unterstützung. So unterstreicht Mouhanad Khorchide, der an der Universität Münster islamische Religionspädagogik lehrt, dass dieses Konzept genau denjenigen Vorstellungen entspricht, die mittlerweile an sechs deutschen Universitäten einen Fachbereich für islamische Theologie hervorgebracht haben:
"Ein Islam in Deutschland wird charakterisiert dadurch, dass er die Muslime nicht vor die Wahl stellt, entweder bin ich deutsch oder bin ich Muslim, sondern er strebt nach diesem sowohl als auch. Ich kann Muslim sein ohne Abstriche und dennoch kann ich ein loyaler Bürger dieses Landes sein. Ich kann mich an das Grundgesetz halten, ich kann den Koran so auslegen und verstehen und leben, dass er in Einklang steht mit meinem Leben hier in einer pluralen Gesellschaft."
Im Konzept eines "Deutschen Islam" kommt es also darauf an, dass theologische Grundlage und überlieferte Glaubenspraxis in den religiösen, kulturellen und politischen Alltag der Bundesrepublik Deutschland eingebettet werden und somit eine ganz spezifische Prägung erhalten. Schließlich gebe es ja auch einen türkischen, ägyptischen und iranischen Islam, betont Susanne Schröter, die Direktorin des Forschungszentrums "Globaler Islam" an der Universität Frankfurt:
"Es geht eher darum, dass sich hier ein Islam entwickelt, der nicht totalitär ist, der die Freiheitsrechte des Individuums akzeptiert, der in der Lage ist, theologisch auch reflexiv zu arbeiten. Das heißt, wichtige Quellen wie den Koran oder die Überlieferungen zum Leben Mohammads textkritisch sich auch anzuschauen. Das wären moderne und für unsere Gesellschaft passende Zugänge zur Theologie. Also ein Islam, der tatsächlich demokratisch ist, der das Grundgesetz vollumfänglich akzeptiert, der die Freiheitsrechte des Individuums akzeptiert. Und der auch akzeptiert, dass das weltliche Gesetz vor dem religiösen steht. Sich also von der Scharia verabschiedet."
Allerdings warnt Susanne Schröter vor der trügerischen Hoffnung, dass das Konzept eines "Deutschen Islam" bereits weitestgehend realisiert sei, wenn sich möglichst viele hier lebende Muslime der deutschen Sprache bedienten:
"Die Salafisten, die ja bekanntermaßen deutsch predigen, haben ihre erfolgreiche Strategie eben dadurch nutzen können, weil sie so deutsch sind, weil so viele Konvertiten da sind, weil sie in deutscher Sprache alles bewerkstelligen. Und weil sie sich hier gut auskennen. Das ist nun keine Garantie dafür, dass man einen demokratiekompatiblen Islam hat."
Die islamischen Verbände wehren sich
Bei den großen islamischen Verbänden hierzulande ist die Idee eines "Deutschen Islam" so gut wie kein Thema. So kommt aus dem Koordinierungsrat der Muslime, dem Zusammenschluss der vier größten Organisationen – unter ihnen der Zentralrat der Muslime und Ditib – vernehmbarer Widerstand. So spricht Zekeriya Altug, der Sprecher des Gremiums, in diesem Zusammenhang von einer Ethnisierung des Islams, die er für den falschen Weg hält:
"Einen in Deutschland sozialisierten Islam, einen in Deutschland beheimateten Islam, dagegen hat niemand etwas. Aber wenn wir den Begriff 'Deutscher Islam' wie eine Kampfansage verstehen gegenüber dem Islam der Herkunftsländer – so wird das ja gegenübergestellt – dann haben die Menschen natürlich ein Problem damit. Wenn man den Leuten sagt: Ihr müsst erst mal eure alte Identität komplett ablegen und hier eine neue aufnehmen, das ist der falsche Weg. Da schreckt man die Leute ab und das schafft keine Integration. Wir sagen immer: Wir brauchen einen Islam, der sich in Deutschland heimisch fühlt. Und wir sehen Deutschland auch mittlerweile als unsere Heimat."
Ob die großen islamischen Verbände Deutschland wirklich als ihre Heimat betrachten, bleibt offen. Denn die meisten von ihnen beziehen sowohl einen Großteil ihres Geldes als auch ihre Imame aus dem Ausland. Dies aber untergrabe ihre Bindung an Deutschland und wirke der Integration ihrer Mitglieder entgegen, sagt Friedmann Eißler von der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen:
"Da haben wir eben die Ditib, die größte islamische Organisation in Deutschland, die direkt mit der Ankaraer Religionsbehörde verbunden ist und auch finanziert wird. Aber wir haben zum Beispiel auch die ATIB. Das ist ein Mitgliedsverein des Zentralrats der Muslime in Deutschland. Die kommen her von der nationalistischen Bewegung der Grauen Wölfe ursprünglich, da haben wir auch so eine Einflussnahme. Oder etwa bei den Schiiten in einem anderen Bereich, das islamische Zentrum in Hamburg oder das Al-Mustafa-Institut in Berlin, da sind Gelder aus dem Iran da. Oder wenn Sie etwa schauen auf den Verband der Islamischen Kulturzentren, VIKZ. Wenn die eine neue Verbandszentrale für 70 Millionen dahinstellen wollen in Köln, dann ist ja doch die Frage: Das wird nicht Geld sein, das nur von den Gemeinden aus Deutschland kommt?"
Der lange Arm der Türkei
Gerade am türkisch-islamischen Verband Ditib, für den Zekeriya Altug tätig ist, wird deutlich, dass auf dem Weg zu einem "Deutschen Islam" noch große Hürden zu nehmen sind. Denn obgleich der Verband Anfang Januar ein eigenes Ausbildungsseminar für Imame in der nordrhein-westfälischen Eifel eröffnet hat, ist er Ableger der türkischen Religionsbehörde Diyanet in Ankara, die ihrerseits direkt Präsident Erdogan untersteht – erklärt Susanne Schröter von der Universität Frankfurt:
"Wenn Sie in die Satzung schauen, dann sehen Sie, dass Diyanet-Funktionäre in allen wichtigen Gremien eine erschlagende Präsenz haben, so dass keinerlei Entscheidung getroffen werden kann, die Diyanet nicht gefällt. Dazu kommt die bekannte finanzielle Abhängigkeit. Und wir sehen es auch ideologisch, wichtige Themen, die der türkischen Regierung jetzt am Herzen liegen, Erdogan am Herzen liegen, um das konkret zu sagen, die finden Sie auch immer wieder als Themen der Freitagspredigten."
Zudem war die Ditib in den ersten Januartagen 2019 zusammen mit der Diyanet Gastgeberin einer Konferenz in Köln, bei der unter Ausschluss der Öffentlichkeit – wie es hieß – über die Zukunft der Muslime in Europa debattiert wurde. Auch Mitglieder der islamistischen Muslimbruderschaft und deren türkischem Ableger, der Milli-Görüs-Bewegung, waren zugegen. Neben dem Knüpfen gemeinsamer Netzwerke widmeten sich die Teilnehmer auch ideologischen Fragen, wobei man sich deutlich von einem deutschen Islam distanzierte, sagt Georg Wenz von der Evangelischen Akademie der Pfalz: "Es wurde ein Dokument verabschiedet, das ganz eindeutig formuliert, dass man sich allgemeinen Integrationsprojekten nicht mehr anschließen möchte, sondern einen eigenen islamischen Beitrag in die Gesellschaft hineintragen möchte."
Wie stark sich hiesige islamische Verbände aufgrund ihrer Abhängigkeit vom Ausland gegen die Idee eines "Deutschen Islam" stemmen, zeigt sich nicht nur bei der Ditib. Anschaulich wird das auch bei der Muslimbruderschaft. Ihre Anhänger finden sich laut Verfassungsschutzbericht 2018 in der "Deutschen Muslimischen Gemeinschaft", welche bis vor etwas mehr als einem Jahr noch unter dem Namen "Islamische Gemeinschaft Deutschland" firmierte. Laut Verfassungsschutz sollen sie eine langfristige Änderung der hiesigen Gesellschaft verfolgen.
Islamische Schulen und Kindergärten
In ihrem Buch "Qatar Papers" berichten die beiden französischen Journalisten Christian Chesnot und Georges Malbrunot anhand von authentischen Dokumenten, wie die Muslimbruderschaft vom Golfemirat Katar aus gezielt Geld für Projekte nach Europa transferiert – und zwar mit Hilfe der Nichtregierungsorganisation "Qatar Charity". Eines dieser Projekte wollte auch die Mainzer Al-Nur-Moschee durchführen, erklärt Friedmann Eißler von der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen: "Da haben die Verantwortlichen Samy El-Hagrasy und seine Frau Britta Haberl etwa 2015 einen offiziellen Antrag nach Katar gerichtet. Da geht es um 2,5 Millionen Euro, die sie erbeten für den Aufbau eines islamischen Gymnasiums in Mainz."
Das Buch "Qatar Papers" zitiert die Begründung, die die genannten Personen für ihr Vorhaben verfasst und an die mit der Muslimbruderschaft verbundene Organisation "Qatar Charity" geschickt haben. Darin heißt es: "Wir haben keine Möglichkeit unsere Kinder ordentlich nach islamischen Prinzipien erziehen zu lassen. Sie sind alle gezwungen auf staatliche Schulen oder nicht-muslimische Privatschulen zu gehen, wo es keine moralische Erziehung gibt und keine Möglichkeit, Jungen und Mädchen getrennt zu unterrichten."
Diese Worte zeigen, welches Islamverständnis im Dunstkreis der Muslimbruderschaft und speziell in der Mainzer Al-Nur-Moschee vorherrscht. Da zudem im Februar 2019 der Trägerverein der Moschee den von ihm betriebenen, bislang einzigen islamischen Kindergarten in Rheinland-Pfalz wegen islamistischer Kontakte schließen musste, resümiert Friedmann Eißler: "Insofern gibt es dort doch eine Entwicklung, die deutlich mit der Muslimbruderschaft zusammenhängt, dass da also durchaus enge Beziehungen zu bestehen scheinen."
Junge Muslime kämpfen für kulturelle Vielfalt
Während einige islamische Verbände den Aufbau eines deutschen Islam blockieren, weil sie finanziell und personell vom Ausland abhängig sind, gibt es gleichzeitig auch zahlreiche Gruppen gerade jüngerer Muslime, die sich dezidiert als deutsche Staatsbürger verstehen und Verantwortung für die Gestaltung der hiesigen Gesellschaft übernehmen wollen. Eine von ihnen ist die Heidelberger Initiative "Teilseiend".
Politischer Islam - "Alles für Allah"
Wie verändert der politische Islam unsere Gesellschaft? Das fragen zwei deutsch-österreichische Publizisten in ihrem neuen Buch "Alles für Allah". Ein Anzeichen für diese Veränderung sei beispielweise, dass heute jeder den Fastenmonat Ramadan kenne.
Wie verändert der politische Islam unsere Gesellschaft? Das fragen zwei deutsch-österreichische Publizisten in ihrem neuen Buch "Alles für Allah". Ein Anzeichen für diese Veränderung sei beispielweise, dass heute jeder den Fastenmonat Ramadan kenne.
Die knapp 20 Frauen und Männer, die mehrheitlich zwischen 25 und 35 Jahre alt sind, verstehen sich als bewusste Erweiterung der bestehenden muslimischen Strukturen. Da sie nach eigenen Angaben unterschiedlichen ethnisch-kulturellen und religiösen Lebenswelten entstammen, legen sie besonderen Wert auf Meinungsvielfalt, sagt Ethem Ebrem, der Leiter der Initiative.
"Wenn man eben die kulturellen, traditionellen Unterschiede nicht akzeptieren kann, dann kommt es zu Konflikten in Moscheegemeinden. Wenn der eine die Hand beim Gebet hebt, der andere nicht, ja, dann heißt es, der gehört gar nicht zu uns oder so. Dann wird diese Vielfalt in der kulturellen Tradition nicht anerkannt."
Da aber diese kulturelle Vielfalt geradezu konstitutiv ist für den Islam in Deutschland – denn er hat türkische und arabische Prägungen ebenso wie bosnische und persische – will "Teilseiend" einen Ort für den Austausch unter Muslimen schaffen und diesen auch institutionalisieren. Deshalb arbeitet man bereits seit Längerem am Aufbau einer muslimischen Akademie, betont Yasemin Soylu, die Beauftragte für innermuslimische Kommunikation und Migration:
"Unsere Initiative besteht aus unterschiedlichsten Positionen, die durchaus auch in Kontroversität zueinander stehen. Und dass trotzdem darüber aber eine gemeinsame muslimische Identität gegeben sein kann, die gemeinsam ein gleiches Ziel verfolgt mit dem Bewusstsein, wir möchten als Teil dieser Gesellschaft mitgestalten, also wie erleben muslimische Menschen hier in Deutschland ihr Religionsverständnis und damit eben auch ihre Identität und ihre Beheimatung quasi hier in Deutschland."
Unterstützt wird die Gründung der Muslimischen Akademie Heidelberg bereits von namhaften Geldgebern. Mit dabei ist die Bundeszentale für politische Bildung, die Robert-Bosch-Stiftung, die Mercator-Stiftung, die Stadt Heidelberg und auch das Land Baden-Württemberg. Als Vorbild für das Projekt, sagt Ethem Ebrem, dienen die christlichen Akademien der beiden großen Kirchen in Deutschland:
"Wenn wir uns die Entstehungsgeschichte christlicher Akademien angucken und warum sie entstanden sind, die Überwindung des Nationalsozialismus, die Demokratisierung quasi hier in Deutschland, dann geht es uns selbstverständlich eben auch um die Überwindung dieser ganzen destruktiven, zerstörerischen Strömungen, die es innerhalb auch muslimischer Vorstellungen gibt, die dann eben in den politischen Extremismus münden. Die müssen wir überwinden, selbstverständlich überwinden."
Bei der Errichtung der Muslimischen Akademie steht der Wunsch ganz oben, sich in der hiesigen islamischen Community mit dem eigenen religiösen Selbstverständnis auseinanderzusetzen. Zudem sollen auch Fragen bezüglich politischer Repräsentation, gesellschaftlicher Teilhabe und sozialer Verantwortung erörtert werden. Wann die Muslimische Akademie Heidelberg ihre Arbeit aufnehmen wird, ist noch nicht klar. Doch wenn alles gut geht, könnten im Frühjahr bereits die ersten Veranstaltungen stattfinden, und das dürfte spannend werden. Denn das ambitionierte Projekt ist ein echtes Novum und gleichzeitig eine Herausforderung für die großen islamischen Verbände, der Yasemin Soylu mit Selbstbewusstsein begegnet:
"Wir haben uns freigekämpft von den Altvorderen, aber es ist nicht ein 'Gegen die Altvorderen'. Ich glaube, das wäre schon wichtig, dass es nicht darum geht, sich davon zu distanzieren oder ein Gegeneinander aufzumachen und zu sagen: 'Wir machen es jetzt besser.' Sondern es ist eher nochmal so, dass wir neue Räume öffnen, um diese Diskurse und diese Kontroversität zuzulassen. Das sind Dinge, die bisher in den Gemeinden nicht möglich waren. Und das nicht im Gegensatz, sondern in Ergänzung zu dem, was bisher schon geschaffen worden ist."
Doch noch etwas ist für die Initiative "Teilseiend" wichtig. Im Gegensatz zu den großen Verbänden, die sich immer wieder an den Herkunftsländern der Muslime orientieren und auch von dort Geld und Ideologie beziehen, wollen die jungen Heidelberger den umgekehrten Weg gehen, nämlich als deutsche Muslime in die Welt wirken – unterstreicht der Leiter der Initiative, Ethem Ebrem:
"Wir denken, dass es eigentlich so viele Potentiale gibt, die wir von Deutschland aus auch in die Welt schicken können im Sinne von einer Transferleistung. Warum gelingt es uns hier in Deutschland in dieser religiösen Vielfalt friedlich zusammenzuleben? Und warum gelingt es in manch muslimischem Land zum Beispiel nicht? Und was bräuchte es an Transferleistung, an Kommunikation, an Brücken und an Wissenstransfer in diese anderen Länder, damit wir modellhaft wirken können?"
Die Macht der islamischen Verbände ist begrenzt
Inwieweit das Thema "Deutscher Islam" bereits Fuß gefasst hat in der aktuellen gesellschaftlichen Integrationsdebatte, ist schwer zu sagen. Es spricht aber einiges dafür, dass die Bedeutung des Themas wachsen wird. Ein Grund ist, dass die skeptischen islamischen Verbände nur eine begrenzte Macht haben. Denn sie vertreten nur maximal ein Viertel der hiesigen Muslime. Zudem gibt es immer wieder Unruhe in den eigenen Reihen. So zeigt sich innerhalb der Ditib wachsender Widerstand gegen den starken Einfluss aus der Türkei. Mit der Folge, dass beispielsweise in Niedersachsen Ende 2018 der gesamte Landesvorstand zurückgetreten ist.
Hinzu kommt, dass sich immer mehr junge Muslime vom Einfluss der älteren Generation freimachen, ihren eigenen Weg gehen möchten und dabei betonen, dass sie deutsche Staatsbürger sind. Da aber gerade in den Verbänden auch die älteren Muslime mit ihrer Bindung an die Herkunftsländer noch recht stark sind, schlägt – ähnlich wie die Initiative "Teilseiend" – Georg Wenz von der Evangelischen Akademie der Pfalz vor:
"Dass es notwendig ist, dass der innerislamische Diskurs endlich gefördert wird. Es gibt viel zu wenige Räume, in denen die unterschiedlichen Interessenslagen auf islamischer Seite in einen Austausch oder auch in einen Diskurs treten können. Und es wäre, glaube ich, politisch zu überlegen, ob man ein innerislamisches Gespräch auch fördern kann."
Von Vorteil wäre es, wenn dieses innerislamische Gespräch öffentlich stattfände. Denn dadurch könnte auch der starken Skepsis gegenüber dem Islam in der Gesellschaft entgegengewirkt werden. Zudem muss sich die Politik die Frage stellen, welche Rolle sie selbst beim Aufbau eines "Deutschen Islam" einnehmen will. Auch wenn die Antwort hierauf nicht einfach sein wird, der Appell von Staatssekretär Markus Kerber dürfte wohl nicht mehr aus der Welt zu schaffen sein:
"Für die in Deutschland auf Dauer lebenden Staatsbürger mit muslimischem Hintergrund muss es eine Form des Zusammenlebens geben, die möglichst wenig Konflikte, sondern möglichst viel Harmonie hervorruft. Und das wäre dann im Endeffekt ein Islam der in Deutschland lebenden Muslime oder eben ein deutscher Islam, wie immer man das nennen will."