Der kommerzielle Sport – und hier vor allem der Fußball – hat in Europa eine Gemengelage aus historischen Entwicklungen geschaffen, in denen es an der allerletzten kapitalistischen Konsequenz fehlt. Eine Super-League mit einem hochexklusiven Kreis würde dieses Wischiwaschi zumindest ganz oben in der Pyramide beenden.
Problem: So etwas verstößt als Kartell-Konstruktion einiger weniger zumindest auf dem Papier gegen das Wettbewerbsrecht. Und das Konzept könnte spätestens vor dem Europäischen Gerichtshof scheitern. Diese Instanz müssten ein solches Projekt erstmal durchwinken. So wie in den USA, wo erst eine höchstrichterliche Entscheidung den Weg für das Geschäftsmodell freimachte.
Geschlossene Gesellschaft
Dass es im Sport um Geld geht, ist nichts Neues. Schon gar nicht in den Vereinigten Staaten. Dort existiert das System Profiliga bereits seit mehr als hundert Jahren. Mit Investoren und Klub-Eigentümern statt gemeinnützigen Vereinen und Funktionären.
Theoretisch also ein Geschäft wie andere auch in der weit verzweigten Entertainment-Industrie. Und dann auch wieder nicht. Mitmachen kann im Liga-Sport in Nordamerika nicht jeder, der möchte. Kann also nicht einfach – wie vor ein paar Jahren in Leipzig mit dem Geld eines schwerreichen Getränkeherstellers geschehen – einen kleinen Verein übernehmen und den in die Top-Liga führen.
Es gibt keinen Aufstieg und keinen Abstieg. Das exklusive Milieu ist eine geschlossene Gesellschaft. Oder wie es ein Begriff aus dem Wirtschaftsrecht nahelegt: ein Kartell. Und damit im Grundsatz überall verboten – auch in den USA. Denn so etwas verstößt gegen einen zentralen Grundgedanken einer fairen Wirtschaftsordnung kapitalistischer Prägung. Man verhindert nämlich Wettbewerb.
Die Popularität der Spiele hat das alles schon immer übertüncht. Und das schon in den 20er-Jahren, als der legendäre Baseball-Profi Babe Ruth bei den New York Yankees für Aufsehen sorgte und das Team erstmals pro Saison mehr als eine Million Tickets verkaufte.
Weshalb es wohl zu einer folgenschweren Entscheidung kam, die der Oberste Gerichtshof in Washington 1922 fällte. Damals gestand man dem professionellen Mannschaftssport kartellrechtlich eine Sonderrolle zu.
Alle Versuche, etwas gegen diese Anomalie zu tun, scheiterten. Zuletzt in den 90er-Jahren, als sich der Kongress nach einem herben Tarifstreit zwischen Baseball-Liga und Spielergewerkschaft einschaltete. Anhörungen im Repräsentantenhaus hatten keine Konsequenzen. Der Ausschussvorsitzende Jack Brooks sagte:
"Wenn du an Amerika glaubst und an freies Unternehmertum, dann glaubst du auch an Wettbewerbsrecht, das dieses System schützt."
Die – juristisch untermauerte – Abschottung hatte über die Jahre auf jeden Fall einen Effekt: Sie garantierte wirtschaftlichen Erfolg. Niemand auf der Welt spielt soviel ein wie die National Football League: rund zehn Milliarden Dollar pro Jahr. Der Marktwert für einzelne Franchises stieg ins Exorbitante. Die Dallas Cowboys, das einträglichste Football-Team, werden auf mehr als vier Milliarden Dollar geschätzt.
Untereinander herrscht so etwas wie Fair Play. Schmu gibt es so gut wie keinen. Und nicht jeder, der sich einkaufen möchte, wird akzeptiert. Denkwürdig: Wie Donald Trump gleich zweimal abgeschmettert wurde, als er in die National Football League drängte.
In seinem Innern blieb das System erstaunlich kreativ. Das Motto: Die schwächeren Teams sollen sportlich genauso gute Chancen auf die Meisterschaft haben. So wurde bereits in den 30er-Jahren in der NFL die Nachwuchs-Draft erfunden und später in anderen Ligen übernommen. Hier können die schlechten Teams des Vorjahres als erste auf den neuen Talente-Jahrgang zugreifen. Ein weiterer Mechanismus mit dem Ziel Leistungsparität: die "Salary Cap". Sie bremst reiche Franchises aus, die den Erfolg über teure Spieler erkaufen wollen.
Was passiert, wenn Teams trotzdem Minus machen? Dann zeigt sich, wie unromantisch das Geschäft mit Sport ist: Mal werden sie einfach verkauft. Mal werden sie komplett in eine andere Stadt verpflanzt. Anhänger demonstrieren vergeblich, wie 2008, als die Basketballer der Seattle SuperSonics nach Oklahoma City abwanderten.
"Spieler waren nicht mal krankenversichert."
Amerikas arbeitsrechtliche Rahmenbedingungen sorgten allerdings dafür, dass immerhin die Spielergewerkschaften eine stärkere Rolle erhielten. Und die erkämpften im Laufe der Jahrzehnte eine ganz Menge. Der Wirtschaftswissenschaftler Victor Matheson, Professor an der Universität Holy Cross in Worcester/Massachusetts und ein Experte in Sachen Sport erklärt:
"Als es die Gewerkschaften noch nicht gab, waren die Spieler nicht mal krankenversichert. Und das, obwohl sie ständig dem Risiko ausgesetzt waren, sich schwer zu verletzen."
Die letzten Arbeitskämpfe zeigten aber auch, dass die Tatsache, dass Spieler in einem Interessenverband zusammengeschlossen sind, nicht nur Stärke bedeutet. Denn sobald die Klubeigentümer bereit sind, notfalls eine ganze Saison ausfallen zu lassen und die Profis auszusperren, geraten die so sehr unter Druck, dass sie sogar auf bereits erkämpfte Ansprüche verzichten.