Mit einem Wort: Er sei glücklich. Das sagte Yasuhisa Toyota im September 2016 nach der ersten, nicht-öffentlichen Orchesterprobe im Großen Saal der Elbphilharmonie. An diesem Eindruck habe sich bis heute nichts geändert, betont der japanische Akustikdesigner, der nach eigener Schätzung zwischen 20 und 30 Konzerte in der Elbphilharmonie erlebt hat.
Die jüngste Kritik hat der vielbeschäftigte Akustiker – dessen Firma in Los Angeles ansässig ist - auch aus der Ferne mitbekommen.
"Ja, das habe ich. Leider habe ich nicht alle Kritiken gelesen, aber einige schon."
Ausgangspunkt für die aktuelle Diskussion war ein Konzert des Tenors Jonas Kaufmann Mitte Januar. Während der Aufführung von Gustav Mahlers "Lied von der Erde" mit dem Basler Sinfonieorchester hatten sich einzelne Besucher, die im Rücken des Sängers saßen, beschwert, dass sie ihn nicht hören konnten und teilweise andere Plätze eingenommen hätten.
Kaufmann kritisiert das Publikum und den Saal
Anstatt zumindest in Erwägung zu ziehen, dass das vielleicht an einer ungünstigen Balance mit dem Orchester und einer falschen Positionierung auf der Bühne lag, gab Kaufmann in einem Interview mit dem "Hamburger Abendblatt" am Tag danach seinem Publikum und dem Saal die Schuld am Eklat. Das Material der Wände aus Gipsfaserplatten sei falsch gewählt, da hätte man Holz benutzen müssen, meinte Kaufmann.
"Als der Akustikdesigner und Akustiker der Konzerthalle denke ich, dass das nicht der Fall ist. Trotzdem kann ich seinen Kommentar verstehen, den auch andere Musiker schon ähnlich geäußert haben. Der Saal hat eine große Transparenz und Klarheit, und ich glaube, das ist sehr wichtig, weil ein Konzertsaal heutzutage mit digitalen Aufnahmen konkurrieren muss. Wenn jemand einen bestimmten Eindruck von einem Saal hat, ist er daran interessiert, die Ursache dafür zu finden. Da kommen Musiker und Akustiker mitunter zu unterschiedlichen Ergebnissen. Das ist mein Eindruck."
Nur elf Tage nach Kaufmanns Auftritt erlebte die Elbphilharmonie ein weiteres Konzert mit dem Lied von der Erde. Dabei fanden der Tenor Andreas Schager und die Münchner Philharmoniker unter Valery Gergiev nach übereinstimmender Auskunft vieler Zuhörer diesmal eine sehr gute Balance. Gergiev selbst und Dirigenten wie Riccardo Chailly, Ingo Metzmacher und auch Thomas Hengelbrock hatten schon vorher mehrfach demonstriert, dass die Elbphilharmonie auch bei großen Besetzungen ihren durchsichtigen Klang wahren kann – dafür standen die Vokalsolisten allerdings nicht, wie Kaufmann, vorn an der Rampe, sondern weiter hinten, erhöht auf einem Podest.
Toyota: Musiker brauchen Zeit
Trotz dieser Beispiele aus den ersten zwei Jahren der Elbphilharmonie etablierte sich unter einigen Kritikern der Akustik die Meinung, für Sänger sei der Saal grundsätzlich nicht geeignet. Diesen Vorwurf weist Yasuhisa Toyota zurück und sieht die Schärfe der Debatte im Zusammenhang mit dem Hype um das neue Konzerthaus.
"In der momentanen Diskussion und Kontroverse, die wir erleben und in den Zeitungen lesen, geht es viel um emotionale Dinge. Glücklicherweise war der Ruf des Saals von Anfang an sehr gut, vielleicht sogar zu gut. Denn es gibt einige Stimmen und Diskussionen, die jetzt einfach mal etwas Negatives dagegen halten wollen. Da würde eine ruhigere Diskussion gut tun. Ich würde jedenfalls nicht sagen, dass es für die Vokalmusik und das Lied keine Möglichkeiten gibt im Großen Saal, nein, nein, nein.
Ich sage nicht, dass alles hundertprozentig funktioniert. Nicht jedes Konzert läuft gleich gut. Aber dafür gibt es Gründe. Dieser Konzertsaal ist einzigartig, ganz anders als andere, in mehrerlei Hinsicht. Das bedeutet aber auch, dass in der Akustik alles total neu ist. Für jeden Musiker. Das heißt, die Musiker müssen ihrem eigenen Klang und dem ihrer Kollegen sehr sorgfältig zuhören, um daraus für sich zu lernen. In dieser Hörerfahrung erleben sie den Unterschied und können sich auf die ungewohnte Umgebung einstellen. Das ist ein langwieriger Prozess, die Qualität der Aufführungen wird nach fünf und zehn Jahren weiter steigen.
In jedem Saal ist es deshalb sehr, sehr wichtig, genug Zeit zu haben. Das lehrt die Geschichte in vielen Sälen. Selbst in Berlin gab es nach der Eröffnung der Philharmonie eine viel größere Kontroverse. Solche Dinge lassen sich nicht mit kurzfristigen Diskussionen klären. Wir sollten abwarten."