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Debatte um Enteignung von Wohnkonzernen
"Eigentum verpflichtet"

Sollte man große Wohnkonzerne enteignen, um den Wohnungsnotstand zu mildern? Der Theologe Eberhard Schockenhoff sagte im Dlf, in der christlichen Tradition sei das Recht auf Eigentum nie als ein absolutes oder ungebundenes Recht verstanden worden - in Extremsituationen könne also auch Enteignung in Betracht gezogen werden.

Eberhard Schockenhoff im Gespräch mit Stephanie Rohde |
Mit einem Protestbanner an Altbaufassaden in Berlin Kreuzberg fordern Aktivisten dazu auf, die Immobilienfirma Deutsche Wohnen zu enteignen.
Protestbanner gegen die Deutsche Wohnen in Berlin Kreuzberg. (imago / Peter Homann)
"Eigentum verpflichtet dazu, dass man bei seiner Nutzung nicht nur die eigenen Interessen im Auge behält - vorrangig zwar schon - aber darüber hinaus auch die der Allgemeinheit", sagte Schockenhoff. Die Begründung in der christlichen Theologie dafür laute: "Die Güter dieser Erde sind dem Ziel gewidmet, für die gesamte Menschheit den Unterhalt zu gewährleisten". Diese "gesamtmenschheitliche Widmung der Güter" werde in eine konkete Form der Eigentumsordnung übertragen: "Es ist für alle am besten gesorgt, wenn jeder einen Teil für sich hat, für den er in besonderer Form verantwortlich ist". Das bestätige sich durch die Erfahrung, dass es in Gesellschaften, die privates Eigentum kennen, auch denjenigen besser gehe, die insgesamt schlechter gestellt seien.
Des weiteren sei das Eigentumsrecht in christlicher Tradition nicht ungebunden: "Bei seiner Nutzung sollen auch Allgemeinwohl-Verpflichtungen vor Auge stehen. Das ist die Grundlage dafür, dass in extremen Situationen auch eine Enteignung in Betracht gezogen werden kann".
Eberhard Schockenhoff, Theologe und Mitglied im Deutschen Ethikrat.
Eberhard Schockenhoff, Theologe und Mitglied im Deutschen Ethikrat. (picture alliance / dpa / Uli Deck)
Warnung vor Verstaatlichung
Nach christlicher Auslegung verpflichte Eigentum zunächst denjenigen, der es besitzt. Es könne aber auch Verpflichtung des Staates werden, in das Privateigentum einzugreifen, wenn ein sozialer Notstand herrsche, wie etwa die Wohnungsnot. "Der muss aber erhebliches Ausmaß angenommen haben".
Schockenhoff warnte jedoch vor einer vorschnellen Verstaatlichung von Eigentum: "Damit haben wir keine guten Erfahrungen gemacht". Er plädierte für alternative Modelle wie etwa beim Carsharing: "Da wird schon bei der Besitznahme die gemeinsame Verantwortung vereinbart". Und auch die Unternehmen müssten in die Verantwortung genommen werden, indem man sie etwa dazu verpflichte, ihre Unternehmensanteile breit zu streuen, damit die Spaltung zwischen "Mega-Unternehmern" und "Lohn-Eigentum in geringem Ausmaß" beendet werde.
Initiative fordert Vergesellschaftung
Die Forderungen der Initiative "Deutsche Wohnen & Co. enteignen" werden derzeit bundesweit diskutiert. Ziel der Initiative: Private Wohnungsgesellschaften, die mehr als 3.000 Wohnungen besitzen, nach Artikel 15 Grundgesetz zu enteignen und ihre Bestände in Gemeineigentum zu überführen. Die Forderung schlägt politische Wellen. Bundeskanzlerin Angela Merkel lehnt dies ab, während Grünen-Chef Robert Habeck es für möglich hält.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.