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Debatte um Erdogan
"Er hat es versprochen, und er wird kommen"

Offiziell soll der türkische Ministerpräsident Erdogan zum zehnjährigen Bestehen der Union Europäisch-Türkischer Demokraten sprechen. Und das wird er auch, sagte der Vorsitzende des Verbands, Süleiman Celik, im DLF. Eine Ausladung komme trotz des Unglücks von Soma nicht in Frage.

Süleiman Celik im Gespräch mit Christoph Heinemann |
    Ein Plakat wirbt für Erdogans Auftritt in Köln 2008.
    Zuletzt sprach Erdogan 2008 in Köln vor 20.000 Türken. (dpa/Felix Heyder)
    "Das Unglück hat uns tief getroffen", so Süleiman Celik in dem Gespräch. Das Verbandsjubiläum in Köln feiere man deshalb auch nicht so, "wie wir es uns vorgestellt haben". So verzichte man auf Musikbeiträge und beschränke sich auf Reden.
    Dass Recep Tayyip Erdogan in der Türkei angesichts des Grubenunglücks von Soma mit 301 Toten im Moment "Wichtigeres zu tun hat", sieht auch Celik. "Natürlich ist sein Platz an der Seite der Trauernden." Nur sei es nach türkischer Tradition so, dass man Einladungen auch folgt. "Er hat es versprochen, und er wird kommen."
    Der UETD-Vorsitzende widersprach der Behauptung eine Lobbyorganisation von Erdogan regierender AKP-Partei zu sein. Man vertrete die Interessen der türkischstämmigen Bürger Europas.

    Das Interview in voller Länge:
    Christoph Heinemann: Einreisen darf er. Recep Tayyip Erdogan ist keine Persona non grata. Willkommen ist er vielen nicht. Nach dem gewaltsamen Vorgehen der türkischen Sicherheitskräfte gegen demonstrierende Bergleute wächst der Widerstand in der deutschen Politik gegen einen geplanten Wahlkampfauftritt des türkischen Ministerpräsidenten am kommenden Wochenende in Köln.
    Am Telefon ist Suleiman Célik. Er ist der Vorsitzende der "Union Europäisch-Türkischer Demokraten", über die Christel Blanke gerade berichtet hat. Guten Tag!
    Suleiman Célik: Guten Tag!
    Heinemann: Können Sie das bestätigen? Ihre Organisation ist die Lobbyorganisation der Regierungspartei AKP?
    Célik: Nein! Wir sind die Lobbyorganisation von türkischen oder türkischstämmigen Bürgern, die in Europa leben.
    Heinemann: Aber auch eine Interessenvertretung des türkischen Ministerpräsidenten?
    Célik: Interessenvertretung der türkischen, türkischstämmigen Deutschen, türkischstämmigen europäischen Türken, nicht die Interessenvertretung vom Premierminister.
    Heinemann: Was will Erdogan in Köln?
    Célik: Den Premierminister haben wir vor ein paar Monaten eingeladen zu unserem zehnjährigen Jubiläum. Die Einladung hat vor circa anderthalb Monaten, sogar länger stattgefunden. Weil der Premierminister bei der Gründung der UETD auch erschienen war, haben wir daran gedacht, dass wir beim zehnjährigen Jubiläum ihn auch einladen. Das haben wir auch in Berlin getan. Als der Premierminister sich in Berlin mit unserer Bundeskanzlerin Frau Merkel getroffen hatte, hatte ich damals die Möglichkeit gehabt, ihn einzuladen. Das wurde nach ein paar Tagen bestätigt, danach haben wir alles vorbereitet und haben ihn als Gast eingeladen.
    Heinemann: Herr Célik, hätte Herr Erdogan gegenwärtig zuhause nicht wichtigeres zu tun?
    Célik: Natürlich hat er Wichtigeres zu tun. Aber nach unserer Tradition, wenn jemand irgendwo eingeladen ist und man hat es versprochen, dann tut man es. Sein Versprechen wird er halten und er wird auch kommen.
    Heinemann: Hilft es, wenn Sie sich mal das Krisenmanagement nach dem Unglück in Soma anschauen, trauernden Angehörigen, wenn man ihnen sagt, Unglücke wie dort mit 300 Toten kommen eben vor?
    Célik: Unglück hat uns tief getroffen
    Célik: Es ist folgendes: Als wir den Herrn Premierminister eingeladen hatten, hatten diese Ereignisse nicht stattgefunden. Die Ereignisse in der Türkei, in Soma sind ja vor ein paar Tagen entstanden und dieses Unglück hat uns auch tief getroffen. Wir sind sehr, sehr traurig, sehr, sehr traurig. Es sind 301 Menschen gestorben, es sind 301 Bergarbeiter gestorben. Wir werden das zehnjährige Jubiläum nicht so feiern, wie wir uns vorgestellt haben. Wir sind Menschen, wir sind tief betroffen. Wir haben vorher gedacht, dass wir sogar Musikveranstaltungen durchführen, bevor die Reden gehalten werden. Das haben wir alles abgesagt. Es werden nur ein paar Reden gehalten, dann wird die Veranstaltung beendet.
    Heinemann: Ist der Platz des Ministerpräsidenten jetzt nicht an der Seite der Trauernden, oder ist er froh, dass er das Land verlassen kann, weil dauernd gegen ihn demonstriert wird?
    Célik: Nein! Natürlich ist der Platz des Premierministers bei den Trauernden.
    Heinemann: Aber er ist ja nicht dort zu finden. Im Gegenteil: Er lässt prügeln ...
    Célik: Er war dort, auch seine Minister waren dort mit ihm zusammen. Sogar der zuständige Minister war von Anfang an bis zum Schluss dort. Bis die Werkstätten total abgeschlossen waren, war Minister Taner Yildiz Tag und Nacht persönlich da mit seiner Delegation. Auch der Premierminister, die anderen stellvertretenden Premierminister und Minister waren auch dort anwesend. Ich habe auch persönlich im Fernsehen gesehen, dass sie dort anwesend waren.
    Heinemann: Und Herr Erdogan musste sich vor den Trauernden und vor Demonstranten in einen Supermarkt flüchten.
    Célik: Das habe ich nicht gesehen, dass er flüchten musste. Was ich im Fernsehen als Bild gesehen habe, dass gegen ihn protestiert wurde. Mehr habe ich nicht gesehen.
    Heinemann: Haben Sie das Bild von Yusuf Yerkel gesehen? Das der Berater des Ministerpräsidenten, der einen am Boden liegenden Demonstranten mit Füßen getreten hat?
    Célik: Nein, habe ich nicht gesehen.
    Heinemann: Wollten Sie das nicht sehen, oder?
    Célik: Ich habe es nicht gesehen. Ich lebe in Deutschland. Ich habe ...
    Heinemann: Die "FAZ" hat es auf der Seite eins als großes Bild gedruckt. Wer es sehen wollte, der konnte es sehen.
    Célik: Ja. Wenn es passiert ist, ist es passiert. Ich habe es persönlich nicht gesehen.
    Heinemann: Kann man einen solchen Ministerpräsidenten, der in einer solchen Krise so versagt, kann man den einfach einladen?
    Célik: Wir haben ihn schon eingeladen und unsere Einladung ist akzeptiert. Man hat uns versprochen, der Premierminister hat versprochen zu kommen. Er wird sein Versprechen halten, wie ich auch vor Ort gesagt hatte.
    Heinemann: Herr Célik, die Westdeutsche Zeitung schreibt heute: "Mit diesem Ministerpräsidenten, der Korruption deckt, der Minderheiten verfolgt, der Demokratie, Rechtsstaat und Pressefreiheit einschränkt, der selbst die Angehörigen des Grubenunglücks verhöhnt, kann die Türkei nie und nimmer EU-Mitglied werden." Schadet Erdogan den Interessen seines Landes?
    Célik: Wichtig ist für uns, was in Europa passiert
    Célik: Diese Fragen möchte ich nicht beantworten. Es geht um die innere Politik der Türkei. Was in der Türkei passiert, soll man lieber in der Türkei diskutieren. Wir sind ein europäischer Verein. UETD, Union Europäisch-Türkischer Demokraten, wir sind zuständig für unsere türkischstämmigen europäischen Staatsbürger, sogar auch für die, die noch nicht europäische Staatsbürger sind, tätig. Was in der Türkei abläuft, das interessiert uns wirklich nicht so wichtig, wie was wir in Deutschland erleben. Für uns ist wichtig, was hier passiert, was in Europa passiert.
    Heinemann: Dann hören wir uns doch die Kritik an von Joachim Gauck, der bei seiner letzten Türkei-Reise die Türkei einerseits gelobt hat für die Bereitschaft Hunderttausende Syrer aufzunehmen, gleichzeitig aber auch Kritik geübt hat am rechtsstaatlichen Zustand des Landes.
    Joachim Gauck: "So frage ich mich heute und hier, ob die Unabhängigkeit der Justiz noch gesichert ist, wenn eine Regierung unliebsame Staatsanwälte und Polizisten in großer Zahl versetzt und sie so daran hindert, Missstände ohne Ansehen der Person aufzudecken, oder wenn den Bürgern vorgeschrieben wird, wie sie zu leben haben, wenn eine verstärkte geheimdienstliche Kontrolle über ihr Leben angestrebt wird, wenn Protest auf der Straße gewaltsam unterdrückt wird und Menschen dabei vielleicht sogar ihr Leben verlieren."
    Heinemann: Erdogan hatte ja anschließend gesagt, Gauck habe geredet wie ein Pastor. Haben Sie, Herr Célik, es jemals erlebt, dass dieser Mann Kritik irgendwann auch mal ernst genommen hat?
    Célik: Sie fragen wieder über die Türkei. In der Türkei gibt es Wahlen, die am 10. August stattfinden. Es gibt oppositionelle Aktionen und auch von der Regierungsseite. Jeder möchte, dass sein Kandidat diese Wahlen gewinnen wird. Darum wird gekämpft. Auch Demonstrationen oder solche Aktionen, die sind alle mit dieser Wahl zusammen bezogen. Darüber möchte ich nicht weiter reden.
    Heinemann: Nun wird Herr Erdogan seinen Auftritt sicherlich auch für Wahlkampfzwecke benutzen. Wollen Sie ihm hier eine Brücke bauen?
    Célik: Nein!
    Heinemann: Sind Sie sicher?
    Célik: Ich werde als Vorsitzender der UETD natürlich dafür arbeiten, dass die Wahlbeteiligung, die seit über 50 Jahren ihre Stimmen nicht abgeben konnten, dass sie auch ihre Stimmen abgeben dürfen und können. Wir haben als UETD bei der Bundestagswahl am 22. September wochenlang gekämpft, dass die Wahlbeteiligung der türkischstämmigen deutschen Wähler sich erhöht. Das haben wir auch geschafft. Ich bin sehr, sehr glücklich, ich bin auch stolz, dass die türkischstämmigen Deutschen ihre Stimmen abgeben konnten. Als UETD, als ein deutscher Verein, als deutscher gemeinnütziger Verein haben wir unsere Aufgabe völlig hundertprozentig erfüllt.
    Wir werden auch daran arbeiten, dass die türkischen Staatsbürger, die nicht deutsche Staatsbürger werden konnten, ihre Stimmen für die türkischen Staatspräsidentschaftswahlen abgeben können.
    Heinemann: Und welche namhaften Oppositionspolitiker werden Sie noch einladen, außer Herrn Erdogan?
    Célik: Wir haben alle eingeladen.
    Heinemann: Und sie kommen auch alle?
    Célik: Wir haben alle eingeladen
    Célik: Ob die alle kommen, werden wir sehen. Wir haben alle eingeladen. Wir haben auch Beziehungen, eine gute Beziehung zwischen der jetzigen Regierung und der AK-Partei. Es geht um die Interessen in Europa. Es geht darum, damit wir die Interessen der in Europa lebenden Türken besser vertreten. Es sind viele Probleme. Es gibt viele Probleme bei den in Europa lebenden Türken. Die haben sehr viele Probleme. Die müssen leider noch von der türkischen Seite gelöst werden. Darum haben wir sehr gute Beziehungen aufgebaut. Die sind immer noch türkische Staatsbürger. Leider müssen die Probleme von der Türkei aus gelöst werden.
    Heinemann: Suleiman Célik, der Vorsitzende der "Union Europäisch-Türkischer Demokraten". Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören!
    Célik: Bitte schön! Auf Wiederhören.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.