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Debatte um Gebeine des spanischen Diktators
Wohin mit Francos Knochen?

Francisco Franco liegt begraben in einer heroischen Gedenkstätte in Zentralspanien. Parlament und Regierung haben kürzlich beschlossen, Francos Leichnam umbetten zu lassen. Seine Familie will ihn jetzt in der Familiengruft beisetzen lassen – in der Almudena-Kathedrale in Madrid.

Von Julia Macher |
    Krypta mit dem Grab von Carmen Franco Polo, der Tochter des spanischen Ex-Dikators Franco, in der Almudena-Kahedrale in Madrid. Geht es nach der Familie Francos, werden auch die Überreste des katholischen Diktators demnächst hier bestattet.
    Krypta in der Almudena-Kahedrale in Madrid: Wird Ex-Dikator Franco neben seiner Tochter Carmen Franco Polo bestattet? (imago / ZUMA Press)
    Die Almudena-Kathedrale in Madrid. Jedes Jahr im November wird in der riesigen Kirche die Schutzpatronin der spanischen Hauptstadt gefeiert. Nach der Messe warfen in diesem Jahr viele Schaulustige noch einen Blick in die benachbarte Krypta. In dem Seitenbau liegen unter schlichten Marmorplatten Spaniens Granden und andere, die sich zu Lebzeiten mit Spenden erkenntlich gezeigt haben. Geht es nach der Familie Francos, werden auch die Überreste des katholischen Diktators demnächst hier bestattet, neben seiner Tochter Carmen Franco Polo. Ein Unding, findet Carlos García de Andain. Der Theologe war Teil der Expertenkommission, die über den Verbleib der Überreste Francos entschieden hat.
    "Die Almudena-Kathedrale ist zwar im Besitz der katholischen Kirche, bildet aber zusammen mit dem Königspalast einen architektonischen Komplex. Sie steht so für eine historische Allianz zwischen Thron und Altar. In der Almudena hat das spanische Königspaar geheiratet, dort finden Staatsbegräbnisse statt. Es ist also ein Ort von staatlicher Bedeutung. Dort Franco zu bestatten, stände im Widerspruch zu demokratischen Grundwerten und der konstitutionellen Monarchie."
    Heikle Debatte für die Kirche
    Um das zu verhindern, hat die spanische Regierung Himmel und Erde in Bewegung gesetzt. Ende Oktober reiste die Vizepräsidentin nach Rom, zum Chefdiplomaten von Papst Franziskus. Auch der Vatikan wolle keinen toten Diktator in der Madrider Kathedrale, verkündete die Regierung nach dem Treffen. Etwas voreilig. Zum Bestattungsort habe man sich zu keinem Zeitpunkt geäußert, präzisierte der Vatikan. Man begrüße aber jede Lösung, die einvernehmlich mit der Familie gefunden würde. Mehr nicht.
    Seit Wochen streiten die Regierung und die Familie nun über den Verbleib von Francos Knochen. Zwischen den Stühlen: die spanische Amtskirche. Interviewanfragen beantwortet man dort mit einem erschöpften Seufzen. Wir vertreten von Anfang an dieselbe Position, sagt José María Gil Tamayo, Generalsekretär und Sprecher der spanischen Bischofskonferenz, und wir bleiben dabei:
    "Die Kirche kann einem Christen nicht das Anrecht auf eine Grabstätte verweigern, schon gar nicht, wenn dessen Familie eine Gruft rechtmäßig besitzt. Für uns haben die Toten kein Parteibuch. Wir beten für die Verstorbenen und sitzen über niemanden zu Gericht. In diesem Sinn werden wir uns immer für einvernehmliche Lösungen einsetzen."
    Die Almudena-Kathedrale (Santa María la Real de La Almudena) in Madrid.
    Die Almudena-Kathedrale in Madrid. (imago / robertharding)
    Für Franco sind die Regierung und die Familie zuständig, sagt auch Kardinal Carlos Osoro, Erzbischof von Madrid und Hausherr der Almudena-Kathedrale. Nur nicht noch mehr zwischen die Fronten geraten, sich bloß nicht vereinnahmen lassen: Das scheint die Devise. Aus gutem Grund: Kaum eine Debatte ist für die katholische Kirche so heikel wie der Umgang mit dem toten Diktator. Denn dabei geht es immer auch um ihr Selbstverständnis - und um ihr Selbstbild.
    Katholiken wollen überparteiliche Kirche
    Als "Kreuzzug" gegen das Böse hatte die spanische Kirche 1936 den Putsch des Generals Francos verteidigt und die Tausenden, von Anhängern der Republik ermordeten Priester, Mönche und Nonnen zu Märtyrern erhoben. Francos Spanien war nationalkatholisch – und die Kirche einer der wichtigsten Stützpfeiler des Regimes. Auch wenn sie als einzige Institution auch der Opposition ein Obdach bot und vor allem nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil auf gesellschaftliche Modernisierung, auf Demokratisierung drängte: Den meisten Spaniern gilt die Kirche immer noch als Fürsprecher der politischen Rechten.
    In den Nuller-Jahren organisierte die Kirche Großdemos gegen die Gesellschaftsreformen der sozialistischen Regierung Zapatero und protestierte vehement gegen deren Erinnerungsgesetz, mit dem Francos Erbe getilgt werden sollte. Diese Einmischung in die Politik hat man ihr bis heute nicht verziehen, sagt José Manuel Vidal, Direktor des liberalen Kirchenportals Religión Digital:
    "Unter Kardinal Rouco stand die katholische Kirche in offener Opposition zur sozialistischen Regierung. Dadurch hat sie erheblich an Glaubwürdigkeit verloren. Bis heute: Das Renommee der spanischen Kirche ist so schlecht wie das der Parteien. Auch deshalb versucht sie, sich von der Politik fernzuhalten. Die meisten Katholiken wollen eine Amtskirche, die sich um Kirchenangelegenheiten kümmert, um die Karwoche, die Heilgenprozessionen, vielleicht auch um gesellschaftliche Probleme wie Korruption – aber immer von einer übergeordneten, überparteilichen Position aus."
    Mit einer Gesetzesänderung will Spaniens Regierung nun öffentlich zugängliche Gedenkstätten zur "Verherrlichung der Diktatur" verbieten und so die Debatte um das Franco-Grab beenden. Abgeschlossen wäre das Kapitel für die Kirche aber auch dann noch nicht. Denn die Umbettung des Diktators aus dem Tal der Gefallenen ist nur der erste Schritt. Auf Wunsch der Expertenkommission soll die gesamte, von einem gigantischen Betonkreuz gekrönte Anlage zu einem Zentrum der Versöhnung werden.
    Das "Tal der Gefallenen" der Franco-Diktatur mit dem Grab Francos und des Gründers der faschistischen Bewegung Falange, José Antonio Primo de Rivera.
    Das "Tal der Gefallenen" der Franco-Diktatur mit dem Grab Francos, ca. 50 km nördlich von Madrid. (imago/ZUMA Press)
    Eine Ausstellung soll erklären, was Franco mit dem von ihm beauftragten Siegesmahnmal bezwecken wollte. Ein Raum soll geschaffen werden, in dem auch Nicht-Gläubige der 34.000 dort bestatteten Bürgerkriegstoten gedenken können. Die Amtskirche ist mit dem Gros der Maßnahmen einverstanden. Doch die mit der Pflege der Anlage beauftragten Benediktinermönche laufen Sturm.
    Franco bereitet noch heute Kopfzerbrechen
    Der Orden, der in der Basilika täglich Messen für den Diktator liest, versteht sich als letzte Bastion des National-Katholizismus und wettert gegen die "Grabschändung" des Diktators. Erst auf massiven Druck der Kirche haben die widerspenstigen Mönche der Exhumierung stattgegeben. Die Regierung würde sie lieber heute als morgen aus dem Tal der Gefallenen verweisen. Carlos García de Andain von der Expertenkommission:
    "Die Abtei hat sich in den vergangenen Jahrzehnten extrem politisch positioniert. Das verträgt sich überhaupt nicht mit dem Anspruch, das Tal der Gefallenen zu einem demokratischen Versöhnungsmahnmal zu machen - und das macht eine Verwaltung eines solchen Zentrums schwierig."
    Auch die Amtskirche ist vergrätzt - wegen eines Alleingangs der renitenten Benediktiner. Sie haben gegen einen Teil des Umbettungsdekrets Einspruch eingelegt – ohne Vatikan, Bistum oder Bischofskonferenz zu informieren. Dazu kam der Publicity-Effekt der Franco-Debatte. Die Messen im Tal der Gefallenen waren in den vergangenen Wochen voller als je zuvor. Spaniens Rechtsextreme trafen sich dort zur Andacht – und produzierten just jene Bilder, die man hinter sich lassen wollte. Der Umgang mit dem toten Diktator wird Spaniens Kirche noch einiges Kopfzerbrechen bereiten.