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Debatte um Homo-Ehe
"Pistole auf die Brust hilft nicht"

Fraktionsübergreifend zur gleichgeschlechtlichen Ehe? Der CDU-Politiker Stefan Kaufmann lehnt die Idee eines Gruppenantrags der Grünen ab. Er kämpfe lieber dafür, seine Partei von innen heraus zu verändern, sagte der Bundestagsabgeordnete im DLF. Aktuell gebe es einige Vorbehalte in der CDU.

Stefan Kaufmann im Gespräch mit Christine Heuer |
    Der CDU-Politiker Stefan Kaufmann hält auf einem CDU-Bundesparteitag in Hannover eine Rede.
    "Die Bevölkerung ist in der Frage der Gleichstellung homosexueller Paare weiter als mancher in der Partei." (imago/Simon)
    Die Bevölkerung sei in der Frage einer Gleichstellung homosexueller Paare "weiter als mancher in der Partei", führte Kaufmann im Deutschlandfunk aus. Das klare Votum von Irland werde aber die Debatte in Deutschland weiter befeuern. Auch innerhalb der großen Koalition müsse noch mal diskutiert werden.
    Zwar habe sich in den vergangenen 15 Jahren viel getan bei dem Thema, allerdings "nicht genug". Als letzte große Baustelle sieht der CDU-Abgeordnete das Adoptionsrecht. Würde auch dieses Homosexuellen eingeräumt, sei bei der rechtlichen Angleichung "alles erreicht, was zu erreichen ist".
    "Gruppe der Befürworter wächst"
    Kaufmann ist bekennend homosexuell und hat Anfang Mai den kirchlichen Segen für seine Lebenspartnerschaft erhalten - von einem altkatholischen Pfarrer, und - nicht wie gewünscht - von einem katholischen.
    Er selbst erlebe Ressentiments, sagte Kaufmann, "in der Partei und auch außerhalb". Eine vollständige Gleichstellung in Sachen Ehe wäre ein Zeichen für Toleranz. Im Moment gebe es aber innerhalb der Union noch zu viele Vorbehalte. Doch die Gruppe der Befürworter wachse jeden Monat, das mache ihn zuversichtlich.
    Ein Gruppenantrag, wie jetzt vom Grünen-Abgeordneten Volker Beck gefordert, hält Kaufmann nicht für hilfreich. Damit werde der Union "die Pistole auf die Brust gesetzt". Er kämpfe dafür, "dass sich die Partei von innen heraus ändert".

    Das Interview in voller Länge:
    Christine Heuer: Zwei Drittel der Deutschen sind mittlerweile für die Homo-Ehe, dafür also, dass gleichgeschlechtliche Paare ganz so wie heterosexuelle heiraten dürfen, mit allen Rechten und Pflichten. Die Politik hinkt da allerdings hinterher. Eingetragene Lebenspartnerschaften, das ist bislang das äußerste Zugeständnis der Regierung an Schwule und Lesben. Das Referendum in Irland für die Möglichkeit, dass Homosexuelle ganz normal heiraten können, hat die Debatte jetzt auch bei uns wieder aufleben lassen.
    Und ein Befürworter der Homo-Ehe ist jetzt am Telefon, der Christdemokrat Stefan Kaufmann, Bundestagsabgeordneter und einer der wenigen CDU-Politiker, die offen schwul leben. Guten Morgen, Herr Kaufmann!
    Stefan Kaufmann: Guten Morgen, Frau Heuer!
    Heuer: Hätten Sie gedacht, dass die erzkatholischen Iren eher Ja sagen zur Homo-Ehe als wir Deutsche?
    Kaufmann: Nun, das war schon etwas überraschend, diese Deutlichkeit auch im Votum der Iren. Gerade, wo man weiß, dass über 84 Prozent der Iren katholisch sind. Aber auf der anderen Seite sind natürlich auch einige Dinge in der katholischen Kirche vorgefallen in Irland und das hat sicherlich auch dazu beigetragen, dass die Kirche dort an Reputation verloren hat. Aber diese Deutlichkeit des Votums hat dann doch überrascht und entsprechend auch die Diskussion hierzulande doch etwas stärker noch befeuert, als das mancher wohl gedacht hatte zuvor.
    "Im Großen und Ganzen hat sich sehr viel getan"
    Heuer: Sie selbst sind schwul, Sie verheimlichen das nicht und Sie sind trotzdem in der CDU, auch sehr erfolgreich und sehr öffentlich. Erleben Sie in Ihrer Partei auch ganz persönliche Ressentiments?
    Kaufmann: Ja, die gibt es in der Partei, die gibt es auch außerhalb der Partei, da kann man gar nicht so große Unterschiede machen. Das sind immer mal wieder komische Äußerungen, unbedachte Äußerungen. Aber im Großen und Ganzen wäre ich jetzt auch nicht das, was ich heute bin, wenn die Partei grundsätzlich ein Problem damit hätte.
    Es sagt jetzt auch nichts darüber aus, wie weit sie bei der Gleichstellung geht. Aber im Großen und Ganzen hat sich wirklich sehr viel getan die letzten 15 Jahre, innerhalb der Partei und außerhalb der Partei.
    Heuer: Aber nicht genug?
    Kaufmann: Nicht genug. Wir haben noch ein paar Baustellen und jetzt die große offene Baustelle ist das gemeinschaftliche Adoptionsrecht. Da haben wir auch Schwierigkeiten in der Union. Das ist da die Frage. Da warte ich aber, dass das Bundesverfassungsgericht eine entsprechende Entscheidung noch treffen wird in nächster Zeit. Und dann haben wir eigentlich auch schon alles erreicht an Gleichstellung.
    Das Gesetz, was jetzt der Justizminister vorlegen wird diese Woche, räumt eigentlich die Themen noch ab, die übrig geblieben sind, das war im Übrigen auch innerhalb der Union letztlich nie strittig gewesen, sodass eigentlich nur noch das Adoptionsrecht bleibt oder jetzt eben dann die Frage der Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Partnerschaften.
    "Homo-Ehe ist verfassungsrechtlich nicht notwendig für die Gleichstellung"
    Heuer: Ja, jetzt überraschen Sie mich ein bisschen, Herr Kaufmann, ich hätte jetzt gedacht, Sie sagen, diese Nachbesserungen in einzelnen Punkten, die reichen eben nicht aus. Denn alle Rechte und Pflichten wären ja gleich für Homosexuelle, wenn sie die Ehe ganz normal schließen dürften. Dafür sind Sie aber schon, dass die Deutschen hier auch das Recht bekommen wie die Iren jetzt?
    Kaufmann: Dafür bin ich und darüber müssen wir auch diskutieren. Aber wir müssen auch hier die Partei mitnehmen. Es ist jedenfalls richtig, dass wir in Deutschland einen anderen Weg gegangen sind als jetzt beispielsweise die Iren oder andere Länder, indem wir eben das Institut der eingetragenen Lebenspartnerschaft geschaffen haben, und jetzt über die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtes in den letzten Jahren und Artikel drei dann eben praktisch zu einer rechtlich vollständigen Angleichung gekommen sind, mit Ausnahme des Adoptionsrechts.
    Und insofern ist jetzt natürlich die Öffnung der Ehe noch mal etwas, was in Deutschland mit hohem Symbolcharakter verbunden ist, weil das natürlich ein Zeichen ist an die gleichgeschlechtlich Liebenden, ein Zeichen von Toleranz und Respekt, aber jetzt verfassungsrechtlich, sage ich mal, nicht notwendig ist am Ende, um die vollständige Gleichstellung zu erhalten. Die haben wir jetzt letztlich über den anderen Weg der eingetragenen Lebenspartnerschaft und der Angleichung der Gesetze mit Ausnahme des Adoptionsrechtes eigentlich schon erreicht.
    "Es gibt noch einige Vorbehalte"
    Heuer: Wäre aber doch ein wichtiges Symbol. Glauben Sie, dass Ihre Partei irgendwann bereit ist, Ja zu sagen dazu? Oder ist sie es im Moment?
    Kaufmann: Also, im Moment, das zeigt jetzt auch Ihr Vorbericht, gibt es sicherlich noch einige Vorbehalte. Wir müssen an dem Punkt sicherlich noch weiter kämpfen, auch innerhalb der Union. Das ist sicherlich keine ganz einfache Diskussion. Aber die Diskussion aus Irland und auch die öffentliche Debatte über das Referendum zeigt, dass die Bevölkerung hier wahrscheinlich weiter ist als manche in der Partei und auch manche, die jetzt hier dann entscheiden müssen. Also, insofern denke ich schon, dass die Debatte in Irland oder über Irland jetzt auch die Thematik hierzulande befeuert. Und jetzt müssen wir einfach ernsthaft auch in der Großen Koalition noch mal über das Thema diskutieren. Im Koalitionsvertrag ist es bisher nicht verankert und deshalb müssen wir innerhalb der Koalition eine Lösung finden.
    Heuer: Innerhalb der Koalition heißt, die SPD könnte das Vorhaben ja wirklich befördern. Nun winkt Heiko Maas ab und sagt so ähnlich wie Sie im Grunde, die Nachbesserungen, die wir jetzt machen, die reichen aus und die Union macht bei mehr ja sowieso nicht mit.
    Müsste die SPD da nicht mutiger sein? Die legt sich ja in letzter Zeit gerne mal öffentlich mit der Union an, sollte sie das auch beim Thema Homo-Ehe tun?
    Kaufmann: Gut, die Äußerungen von Heiko Maas zeigen natürlich schon, dass er hier etwas vorsichtig agiert, weil er eben jetzt nicht – und das war ja Gegenstand der Koalitionsverhandlungen gewesen – auch das Adoptionsrecht ... Und am Ende wurde ja nicht zu einem Ergebnis gekommen. Deshalb glaube ich jetzt nicht, dass die SPD es bei diesem Thema drauf anlegen wird. Wir müssen einfach jetzt die Diskussion nutzen, auch ganz offen auch in der Union über so ein Thema zu diskutieren, und dass wir eine Lösung innerhalb der Koalition finden.
    Deshalb sind auch diese Vorschläge jetzt in Gruppenanträgen, wie sie von den Grünen kommen, am Ende, glaube ich, nicht hilfreich. Weil, in einer Situation wird man die Union, wenn man da die Pistole auf die Brust setzt, auch nicht dazu bringen, jetzt hier umzustimmen.
    "Ich tue mich etwas schwer, Anträgen der Oppostion zuzustimmen"
    Heuer: Ja, nach dem Gruppenantrag, nach dem möglichen, wollte ich Sie gerade fragen. In der Tat, die Grünen haben ein Gesetz angekündigt. Es würde ja reichen, wenn nicht die ganze Union mitstimmt, sondern einige Christdemokraten. Würden Sie Ja sagen, wenn so ein Gesetz eingebracht wird?
    Kaufmann: Ich habe es bisher so gehalten, dass ich bei Anträgen der Opposition bei Themen, die bei uns noch strittig sind oder nicht Gegenstand des Koalitionsvertrages sind, mich enthalte. Ich glaube, das ist letztlich auch für mich persönlich ein richtiger Weg, denn ich kämpfe dafür, dass sich die Partei sozusagen dann von innen heraus auch verändert und bei diesen Themen anders positioniert. Den Weg möchte ich eigentlich gerne beibehalten und deshalb tue ich mich etwas schwer, Anträgen der Opposition dann zuzustimmen.
    "Ich habe die letzten 15 Jahre viel Geduld gehabt"
    Heuer: Da brauchen Sie aber viel Geduld, Herr Kaufmann! Wann, glauben Sie, ist Ihre Partei so weit?
    Kaufmann: Gut, ich habe die letzten 15 Jahre viel Geduld gehabt bei vielen dieser Themen und es hat sich einiges bewegt. Wann genau es so weit sein wird, kann ich Ihnen nicht sagen, aber ich sehe schon – das hat auch die Diskussion über die steuerrechtliche Gleichstellung gezeigt –, dass die Gruppe derer, die mit diesem Thema offen umgehen, die auch sagen, gleiche Rechte für gleiche Liebe, die stimmt. Und insofern habe ich schon viel Positives auch erlebt und bin deshalb gar nicht so pessimistisch. Auch der Kreis derer in der Union, die jetzt zu den wilden 13ern gehören, sind jetzt mittlerweile viel mehr. Das ist eine viel größere Gruppe mittlerweile, auch aus ...
    Heuer: Das sind die Befürworter einer Öffnung innerhalb Ihrer Partei, muss man erklären.
    Kaufmann: Genau. Und diese Gruppe ist jetzt auch immer größer geworden, die wächst auch, sage ich mal, von Monat zu Monat, und das macht mich zuversichtlich, dass wir hier auch innerhalb der Union dann zu einem Prozess, zu einem Nachdenkensprozess kommen.
    Heuer: Der CDU-Bundestagsabgeordnete Stefan Kaufmann. Herr Kaufmann, haben Sie vielen Dank fürs Interview!
    Kaufmann: Gerne, Frau Heuer! Schönen Tag noch!
    Heuer: Ihnen auch!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.