In den Regalen stapeln sich Spielesammlungen. Wörter-Memory, ein Kartenspiel, in dem es um Rechenaufgaben geht. Auf der Fensterbank ein kleines Puppentheater, Bauklötze in der Ecke. In der Praxis werden Kinder mit Legasthenie und Dyskalkulie, also: Rechenschwäche therapiert. Und diese Therapien, warnt die Diplom-Psychologin Ute Lauth, sind in Gefahr, wenn es bei den jüngst bekannt gewordenen Plänen der Hamburger Schulbehörde bleibt:
"Es gibt keine Einzeltherapie mehr, sondern nur noch Förderung in Zweier-Gruppe. Die Therapiezeit ist teilweise von 60 auf 45 Minuten gekürzt worden. Und auch auf die Therapiedauer ist eingewirkt worden. Früher war es oft ein Jahr und inzwischen gibt es auch Bewilligungen von weniger als 20 Stunden."
Ute Lauth gehört zum "Netzwerk Hamburger AUL-Therapeuten". AUL steht für "außerunterrichtliche Lernhilfe". Mit dieser Hilfe soll von Lese- oder Rechenschwäche betroffenen Schülerinnen und Schülern geholfen werden. Grund für die Neuordnung der Förderung - Lauth spricht von Einsparungen - sind laut Schulbehörde die massiv gestiegenen Anträge auf außerunterrichtliche Lernhilfen: Im Schuljahr 2010/11 waren es 467 Anträge, ein Jahr später schon 923. Die Ausgaben dafür liegen seit drei Jahren bei rund 560.000 Euro pro Jahr. Deshalb aber Einzeltherapien für die Kinder abzuschaffen, hält Ute Lauth für fatal:
"Sie haben oft Wahrnehmungsstörungen. Konzentrationsprobleme. Man spricht auch von ‚sekundären Begleitsymptomen‘, die diese Kinder mitbringen."
Genau diese Erfahrung hat Beate Nehring-Reimer gemacht. Sie ist die Vorsitzende des Hamburger Landesverbands Legasthenie und Dyskalkulie. Ihr Sohn profitierte von den außerunterrichtlichen Lernhilfen.
"Mein Sohn hat zeitweilig eine Therapie mit einem Jungen zusammengehabt. Da passte das zusammen. Das war auch gegenseitig befruchtend. Aber gerade zu Beginn der Therapie war es notwendig, dass er eine Einzeltherapie bekommt, um auch sein Selbstbewusstsein zu stärken."
Die große Flut von Anträgen hat ihrer Meinung nach einen einfachen Grund: Die im Zuge der Inklusion eingestellten Sonderpädagogen würden einfach genauer hinschauen. Bisher unentdeckte Fälle von Legasthenie oder Dyskalkulie schneller erkannt. Hamburgers Schulsenator Ties Rabe hält diese Erklärung für abwegig.
"Man weiß am Ende nicht: guckt man nur genauer hin und findet jetzt Kinder, die man vorher nicht entdeckt hat? Oder schreibt man hier Kindern eine Eigenschaft zu, die sie eigentlich nicht haben und übertreibt ganz wuchtig? Das ist immer schwierig zu unterscheiden. Festzuhalten bleibt aber: Diesen Kindern konnte in der Vergangenheit durchaus auch geholfen werden."
Den heute schon bestehenden Antragsstau bei Hilfen für Kinder mit Lern- oder Rechenschwäche will die Schulbehörde möglichst schnell abbauen. Weil aber die Ausgaben für die außerschulischen Maßnahmen bei 563.000 Euro pro Jahr gedeckelt werden sollen, führt an Zweier- oder Dreiertherapien kein Weg vorbei, so Rabe:
"Wir werden in Zukunft genauer prüfen, ob die Anträge überhaupt berechtigt sind. Aber umgekehrt wollen wir auch, dass ein paar mehr Kinder eventuell in den Genuss einer solchen Therapie kommen."
Und auch in Zukunft soll Schüler mit Legasthenie oder Dyskalkulie nicht zwangsläufig nur in Gruppentherapien geholfen werden.
"Es wird auch in Zukunft noch Einzeltherapien geben. Allerdings müssen sie gut begründet sein. Sie werden nicht mehr automatisch bewilligt."
Rabe geht davon aus, dass vor allem die Umsetzung der Inklusionsidee zum Anstieg der Anträge auf außerunterrichtliche Lernhilfen geführt hat. Dabei sei Hamburg Vorreiter in der Bundesrepublik. Seit 2010, seit Beginn der Inklusion, wurden in Hamburg zusätzlich 370 Erzieherinnen und Sozialpädagogen eingestellt. 14,8 Millionen Euro wurden dafür ausgegeben.
"So eine Reform ist Neuland. Und Neuland verursacht in der Regel sehr viel Aufregung. Und es mag auch ein bisschen mit der Aufregung zu tun haben, dass jetzt alle möglichen zusätzlichen Quellen angezapft werden, um vermeintliche Sorgen schon im Vorfeld wegzuräumen."
Die Debatte über die Hilfen für Schüler mit Legasthenie und Dyskalkulie wird weitergehen. Und Ute Lauth vom Hamburger Netzwerk der darauf spezialisierten Fachtherapeuten wird weiter auf einen Gesprächstermin beim Schulsenator hoffen.
"Es gibt keine Einzeltherapie mehr, sondern nur noch Förderung in Zweier-Gruppe. Die Therapiezeit ist teilweise von 60 auf 45 Minuten gekürzt worden. Und auch auf die Therapiedauer ist eingewirkt worden. Früher war es oft ein Jahr und inzwischen gibt es auch Bewilligungen von weniger als 20 Stunden."
Ute Lauth gehört zum "Netzwerk Hamburger AUL-Therapeuten". AUL steht für "außerunterrichtliche Lernhilfe". Mit dieser Hilfe soll von Lese- oder Rechenschwäche betroffenen Schülerinnen und Schülern geholfen werden. Grund für die Neuordnung der Förderung - Lauth spricht von Einsparungen - sind laut Schulbehörde die massiv gestiegenen Anträge auf außerunterrichtliche Lernhilfen: Im Schuljahr 2010/11 waren es 467 Anträge, ein Jahr später schon 923. Die Ausgaben dafür liegen seit drei Jahren bei rund 560.000 Euro pro Jahr. Deshalb aber Einzeltherapien für die Kinder abzuschaffen, hält Ute Lauth für fatal:
"Sie haben oft Wahrnehmungsstörungen. Konzentrationsprobleme. Man spricht auch von ‚sekundären Begleitsymptomen‘, die diese Kinder mitbringen."
Genau diese Erfahrung hat Beate Nehring-Reimer gemacht. Sie ist die Vorsitzende des Hamburger Landesverbands Legasthenie und Dyskalkulie. Ihr Sohn profitierte von den außerunterrichtlichen Lernhilfen.
"Mein Sohn hat zeitweilig eine Therapie mit einem Jungen zusammengehabt. Da passte das zusammen. Das war auch gegenseitig befruchtend. Aber gerade zu Beginn der Therapie war es notwendig, dass er eine Einzeltherapie bekommt, um auch sein Selbstbewusstsein zu stärken."
Die große Flut von Anträgen hat ihrer Meinung nach einen einfachen Grund: Die im Zuge der Inklusion eingestellten Sonderpädagogen würden einfach genauer hinschauen. Bisher unentdeckte Fälle von Legasthenie oder Dyskalkulie schneller erkannt. Hamburgers Schulsenator Ties Rabe hält diese Erklärung für abwegig.
"Man weiß am Ende nicht: guckt man nur genauer hin und findet jetzt Kinder, die man vorher nicht entdeckt hat? Oder schreibt man hier Kindern eine Eigenschaft zu, die sie eigentlich nicht haben und übertreibt ganz wuchtig? Das ist immer schwierig zu unterscheiden. Festzuhalten bleibt aber: Diesen Kindern konnte in der Vergangenheit durchaus auch geholfen werden."
Den heute schon bestehenden Antragsstau bei Hilfen für Kinder mit Lern- oder Rechenschwäche will die Schulbehörde möglichst schnell abbauen. Weil aber die Ausgaben für die außerschulischen Maßnahmen bei 563.000 Euro pro Jahr gedeckelt werden sollen, führt an Zweier- oder Dreiertherapien kein Weg vorbei, so Rabe:
"Wir werden in Zukunft genauer prüfen, ob die Anträge überhaupt berechtigt sind. Aber umgekehrt wollen wir auch, dass ein paar mehr Kinder eventuell in den Genuss einer solchen Therapie kommen."
Und auch in Zukunft soll Schüler mit Legasthenie oder Dyskalkulie nicht zwangsläufig nur in Gruppentherapien geholfen werden.
"Es wird auch in Zukunft noch Einzeltherapien geben. Allerdings müssen sie gut begründet sein. Sie werden nicht mehr automatisch bewilligt."
Rabe geht davon aus, dass vor allem die Umsetzung der Inklusionsidee zum Anstieg der Anträge auf außerunterrichtliche Lernhilfen geführt hat. Dabei sei Hamburg Vorreiter in der Bundesrepublik. Seit 2010, seit Beginn der Inklusion, wurden in Hamburg zusätzlich 370 Erzieherinnen und Sozialpädagogen eingestellt. 14,8 Millionen Euro wurden dafür ausgegeben.
"So eine Reform ist Neuland. Und Neuland verursacht in der Regel sehr viel Aufregung. Und es mag auch ein bisschen mit der Aufregung zu tun haben, dass jetzt alle möglichen zusätzlichen Quellen angezapft werden, um vermeintliche Sorgen schon im Vorfeld wegzuräumen."
Die Debatte über die Hilfen für Schüler mit Legasthenie und Dyskalkulie wird weitergehen. Und Ute Lauth vom Hamburger Netzwerk der darauf spezialisierten Fachtherapeuten wird weiter auf einen Gesprächstermin beim Schulsenator hoffen.