Dorothee Holz: Ja, sie nennt es 'monnaie nationale' und 'monnaie commune'. Mit dem einen könnte ein neuer Franc gemeint sein, mit dem man sich dann sein Baguette kauft. Das andere soll für internationale Transaktionen genutzt werden. Ob das geht, diese Frage soll uns Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, beantworten.
Doch zunächst müssen wir die Frage klären oder die bemerkenswerte Kehrtwende von Madame Le Pen beleuchten. Binnen 24 Stunden wurde aus "ich denke, der Euro ist tot" ein "ich habe niemals den Austritt aus dem Euro gewollt". Übrigens 72 Prozent der Franzosen wollen keinen Euro-Austritt. Beugt sie sich der Realität?
Jörg Krämer: Ich glaube, sie beugt sich nicht der Realität, sondern sie erkennt, dass sie die Wahl am Sonntag nicht gewinnen kann mit einem starken Kurs gegen den Euro, weil ja, wie Sie zurecht sagen, 72 Prozent der Franzosen für den Euro sind. Also ein wahltaktisches Manöver nach meiner Meinung.
"Im Grunde genommen ist es das Konzept einer Parallelwährung"
Holz: Helfen Sie uns, das Konstrukt der zwei Währungen zu verstehen. Eine Währung für Konzerne, für die Finanzwelt soll es geben, und eine Währung für den Bürger. Wie nennen wir das Kind? Was ist das für ein Konstrukt?
Krämer: Im Grunde genommen ist das das Konzept einer Parallelwährung, dass wir in einem Land zwei Währungen haben.
Holz: Was bedeutet das, Parallelwährung? Gibt es so was irgendwo auf der Welt, oder hatten wir das schon mal?
Krämer: Ich kann mich nicht erinnern, dass wir so etwas schon mal gehabt haben. Das sind Vorschläge, die kamen auch mal im Zusammenhang mit Griechenland auf. Man hätte dann eine Währung, die die Unternehmen benutzen, auch im Finanzverkehr, und auf der anderen Seite würden die Menschen dann ihre Brötchen etc. kaufen mit dem Franc und der Staat könnte diesen Franc dann in Umlauf bringen, dadurch, dass er die Staatsbediensteten damit bezahlt, dass er verlangt, dass die Bürger ihre Steuern mit diesem Franc bezahlen. So die Idee.
"Der neue Franc würde im Wert gegenüber dem Euro schwanken"
Holz: Kann man die Zeit vergleichen damit, als der Euro in der Finanzwelt längst schon genutzt wurde, aber wir alle noch mit D-Mark, Franc, Lira oder wie auch immer bezahlt haben?
Krämer: Ja, das ist die Phase von 1999 bis 2002. Aber damals war der Euro faktisch schon eingeführt und die nationalen Noten, das Geld, das war ja schon in einem festen Austauschverhältnis untereinander. Hier bei diesem Parallelwährungskonzept wäre es aber so, dass der neue Franc dann im Wert schwanken würde gegenüber dem Euro. Er wäre anders als in der Phase zwischen ´99 und 2002 nicht festgezurrt, der Wechselkurs.
"Eigene Notenbank" = "politisiertes Geld"
Holz: Die Vorschläge sind allerdings nicht ganz neu. Auch der ehemalige britische Premier hatte schon mal von einem ECU geträumt als europäischem Geld neben nationalen Währungen. Wieso kommt das immer wieder auf?
Krämer: Letztendlich will Frau Le Pen ja den Zugriff haben, sie will eine eigene Notenbank haben. Wenn sie eine eigene Notenbank hat, dann kann sie sie anweisen, Geld zu drucken, und mit diesem Geld könnte Frau Le Pen dann die sehr teuren Sozialprogramme bezahlen. Ich glaube, das ist die Motivation dahinter.
Holz: Was heißt das, wenn dann die französische Notenbank schalten und walten kann wie sie will, wenn sie denn Geld drucken kann? Das wäre ja zunächst mal auf den ersten Blick ein Schub für die französische Wirtschaft.
Krämer: Na ja. Die Notenbank kann nicht schalten und walten wie sie will. Frau Le Pen könnte schalten und walten und die Notenbank hätte zu folgen. Ein solches politisiertes Geld wäre eine sehr schwache Währung, der neue Franc, und wenn die Unternehmen dann den Franc einnehmen von den Bürgern, dann würden sie eine extrem schwache Währung einnehmen, aber sie müssen ja in Euro rechnen. Und von daher in Euro gerechnet brechen ihnen ein Teil der Einkünfte weg und die Unternehmen hätten ein riesiges Einnahmeproblem und würden vermutlich in eine Krise taumeln.
"Das ist eine Nebelkerze von Frau Le Pen"
Holz: Und der Bürger, hätte der denn wenigstens was davon?
Krämer: Was hat der Bürger davon, wenn die Unternehmen in eine Krise kommen. Der Bürger hätte auch nichts davon.
Holz: Fassen wir noch mal zusammen oder fassen wir die Frage vom Anfang auf, Herr Krämer. Zwei Währungen, geht das überhaupt?
Krämer: Ich glaube, letztendlich geht es nicht. Das ist eine Nebelkerze, mit der Frau Le Pen skeptische Wähler dazu bringen möchte, doch ihre Stimme für sie am Sonntag abzugeben.
Holz: Vielen Dank! – Das war Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.