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Debatte um Pegida
"Wir wollen den Dialog mit den Leuten, die da mitlaufen"

Man suche zwar den Dialog mit den Pegida-Demonstranten, wolle Pegida aber nicht dadurch legitimieren, dass man sich mit den Organisatoren an einen Tisch setzt, sagte der sächsische Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) im DLF. Die Pegida-Pressekonferenz in der Landeszentrale für politische Bildung abzuhalten, bezeichnete er als Fehler.

Martin Dulig im Gespräch mit Bettina Klein |
    Der Wirtschaftsminister von Sachsen, Martin Dulig (SPD), spricht am 14.01.2015 im Medienzentrum der Staatskanzlei in Dresden (Sachsen) auf der Kabinettspressekonferenz. Dulig stellte den Entwurf des sächsischen Doppelhaushalt 2015/16 vor.
    Der Wirtschaftsminister von Sachsen, Martin Dulig (SPD) (picture alliance / dpa / Arno Burgi)
    Für die Mitläufer der Pegida-Demonstrationen gebe es ein Angebot zum Dialog, sagte Martin Dulig (SPD) im DLF. Dialog heiße reden und zuhören. Dazu seien aber nicht alle in der Lage. Wenn bei diesem Dialog Hass, Verachtung und Diskriminierung geäußert würden, müsse man sich klar dagegen stellen. Besonders von den Organisatoren werde diese Haltung geschürt.
    Die Distanzierung der Pegida-Organisatoren von ausländerfeindlichen Inhalten nannte Dulig "ein bisschen verlogen". Wenn man sich die tatsächliche Motivation und die Biografien derjenigen ansehe, "die da bei Pegida vorangehen, dann ist das hier wirklich der Versuch, den Wolf im Schafspelz darzustellen." Ihre wahre Motivation sei, Leute einzusammeln, die sich dann klar gegen Ausländer und andere Religionen wenden würden.
    Dass die sächsische Landeszentrale für politische Bildung den Pegida-Organisatoren einen Raum für ihre Pressekonferenz zur Verfügung gestellt hat, nannte er einen Fehler. Eine einseitige Pressekonferenz abzuhalten, gehöre nicht zu den Aufgaben der Landeszentrale für politische Bildung. Pegida müsse sich selber darum kümmern, einen Raum für ihre Pressekonferenzen zu finden.

    Bettina Klein: Pegida- und Anti-Pegida-Demonstrationen werden heute in Leipzig erwartet, nachdem sie ja vorgestern in Dresden aus Sicherheitsgründen abgesagt wurden.
    Am Telefon begrüße ich Martin Dulig. Er ist SPD-Landesvorsitzender in Sachsen und dort auch Landeswirtschaftsminister. Guten Morgen, Herr Dulig.
    Martin Dulig: Guten Morgen.
    Klein: Ich würde ganz gerne noch mal hineinhören in den Originalton der SPD-Generalsekretärin, dass wir noch mal alle auf dem gleichen Stand sind.
    O-Ton Yasmin Fahimi: "Jetzt zu diesen Demonstranten und diesen Demonstrationen zu gehen, um den Dialog zu suchen, das fände ich ein völlig falsches Zeichen."
    Klein: Den Dialog zu suchen, ein völlig falsches Zeichen. Herr Dulig, aus sächsischer Perspektive, stimmen Sie da uneingeschränkt zu?
    Dulig: Es gibt da in der SPD eine ganz klare Haltung. Wir wollen den Dialog mit den Leuten, die da mitlaufen und tatsächlich auch ein Interesse daran haben, in den Dialog einzusteigen.
    Die Mitbegründer der Dresdner Pegida-Bewegung, Lutz Bachmann und Kathrin Oertel, sitzen am 19.01.2015 bei einer Pressekonferenz in Dresden (Sachsen) nebeneinander. Bei der PK soll über die Absage der am selben Tag geplanten Demonstration informiert werden. Die Polizei hat aufgrund von Terrorwarnungen ein Verbot aller Versammlungen unter freiem Himmel in der sächsischen Landeshauptstadt an diesem Montag veranlasst.
    Dulig: "Eine einseitige Pressekonferenz abzuhalten, gehört nicht zu den Aufgaben einer Landeszentrale für politische Bildung." (picture alliance / dpa / Arno Burgi)
    Klein: Sie sagen, ganz klare Linie. Gerade haben wir aber gehört, ein falsches Zeichen, zu den Demonstranten zu gehen und Dialog zu suchen.
    Dulig: Nein, nein. Da wird jetzt versucht, einen Unterschied in der SPD zu konstruieren. Yasmin Fahimi sieht das ganz genauso, dass es um die Organisatoren von Pegida geht. Wir machen in Sachsen mehrere Dialogangebote, egal ob in den gesellschaftlichen Gruppen, in den Parteien, aber auch als Staatsregierung, und wir fangen ja nicht erst an. In den letzten Wochen haben vielfältige Veranstaltungen stattgefunden mit sehr unterschiedlichen Ergebnissen. Man sollte natürlich auch von den Dialogveranstaltungen jetzt nicht Wunder erwarten, denn auch dort kommen viele Menschen hin, die jetzt viel Frust einfach nur abladen und noch nicht automatisch gesprächsfähig sind. Aber umso wichtiger ist es, dass wir es trotzdem tun. Es darf ja jetzt nicht zu einem Aufschaukeln kommen, dass man nicht miteinander redet. Aber ein Angebot des Dialoges zu machen, das ist richtig und das ist auch wichtig. Aber ich möchte nicht noch, dass wir Pegida dadurch legitimieren, dass wir mit den Verantwortlichen, mit den Vereinsvorsitzenden oder dem Verein selber dort sprechen.
    Klein: Ich halte fest, wenn ich das richtig verstanden habe: Sowohl Sie als auch die Generalsekretärin lehnen einen Dialog mit den Organisatoren ab, nicht aber mit den Demonstranten. Soll denn da mit allen geredet werden, auch mit jenen, die gerade ausländerfeindliche und hasserfüllte Parolen rufen?
    Dulig: Ein Dialog ist erst mal ein Angebot. Da gehen Leute hin und können darüber reden. Dialog heißt Reden und Zuhören. Das setzt aber auch die Fähigkeit für beides voraus. Dazu sind nicht alle in der Lage, das ist unsere Erfahrung, aber wir müssen unbedingt diesen Dialog führen im Sinne von Angebot machen. Was wir nicht zulassen werden und vor allem, wo wir immer widersprechen müssen ist, wenn Hass, Verachtung, wenn Rassismus und Diskriminierung dort geäußert werden. Dann muss man eine klare Haltung haben und dagegen votieren und sich jetzt nicht aus falscher Angst noch gemein machen.
    "Das ist ein bisschen verlogen"
    Klein: Es gab ja einige Presseauftritte inzwischen auch von den Organisatoren von Pegida und die haben sich ja jeweils zumindest in diesen Auftritten klar distanzieren wollen von solcher Art von ausländerfeindlichen Tönen zum Beispiel. Die Organisatoren distanzieren sich davon, aber gerade mit denen wollen Sie nicht sprechen?
    Dulig: Na ja, das ist ja ein bisschen verlogen. Wenn man sich tatsächlich mal die Motivation und die Biografien von denjenigen mit anschaut, die da bei Pegida vorangehen, dann ist das hier wirklich der Versuch, den Wolf im Schafspelz darzustellen. Nein, das ist nun ganz klar anders motiviert. Die Organisatoren von Pegida haben eine andere Motivation und deshalb darf man denen da auch nicht auf den Leim gehen. Man muss eher diejenigen ansprechen, die da mitlaufen, die aber aus anderen Motiven da hingehen. Denn mein Eindruck ist ja auch, viele Menschen gehen bei Pegida mit, weil es um die da oben geht, gegen die da oben, dass sie viel Frust mit der Verwaltung, mit dem Staat, mit Parteien oder Ähnliches haben, und die Frage von Islam oder Fremden eher ein Kanal ist, auf dem das transportiert wird. Aber die Motivation der Organisatoren ist eine klar andere.
    Klein: Welche denn?
    Dulig: Eben hier schon mit der Gefahr des Islamismus, vor dem sie warnen, Leute einzusammeln, die hier auch klar sich gegen Ausländer, gegen Fremde, gegen eine andere Religion wenden und hier auch eine Stimmung damit verbreiten, die einfältig ist, die nicht Vielfalt will, die nicht eine Offenheit will und die einfach auch gefährlich für dieses Land ist.
    Klein: Sie haben selbst, Herr Dulig, gerade noch mal angedeutet, wie wichtig der Dialog ist, und zwar mit den Demonstranten. Nun ist ja die Landeszentrale für politische Bildung in Sachsen, die sich ja seit Wochen um diesen Dialog bemüht, ihrerseits selbst in die Kritik geraten, unter anderem deswegen, weil sie den Pegida-Organisatoren Räumlichkeiten für ihre Pressekonferenz zur Verfügung gestellt hat. Stimmen Sie denn in diese Kritik mit ein?
    "Die Landeszentrale für politische Bildung ist kein Ort für Pressekonferenzen"
    Dulig: Die Aufgabe der Landeszentrale für politische Bildung ist politische Bildung, ist die Kontroversität, ist auch die politische Neutralität, die zu wahren ist. Eine einseitige Pressekonferenz abzuhalten, gehört nicht zu den Aufgaben einer Landeszentrale für politische Bildung. Das ist höchst ärgerlich, was da passiert ist. Das ist jetzt eine Folge der Entscheidungen vom Wochenende, aber es ist nicht die Aufgabe der Landeszentrale. Deshalb verstehe ich die Kritik, aber ich will mich natürlich auch schützend vor die Institution stellen. Die Institution ist wichtig und wir müssen sie sogar aufwerten, weil eine Antwort auf Pegida ist mehr politische Bildung.
    Klein: Halten wir fest: Der Fehler, den auch Sie der Landeszentrale vorwerfen, ist, dass sie nicht auch den Anti-Pegida-Demonstranten auch Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt hat?
    Dulig: Die Landeszentrale für politische Bildung ist nicht ein Ort für Pressekonferenzen, sondern ein Ort der politischen Bildung und der Auseinandersetzung, und da gibt es andere Methoden, als sozusagen eine Pressekonferenz abzuhalten, von der auch wieder Dinge ausgegangen sind, Aussagen ausgegangen sind, die so nicht akzeptabel sind. Es ist nicht die Aufgabe der Landeszentrale, einen Raum für eine Pressekonferenz zur Verfügung zu stellen. Pegida selber muss sich darum kümmern können, in welchen Räumlichkeiten sie eine Pressekonferenz abhalten.
    Klein: Wissen Sie, gegen welche Vorgaben oder gegen welches Statut, gegen welches Mandat eine Landeszentrale verstößt, wenn sie dann doch Räumlichkeiten zur Verfügung stellt?
    Dulig: Das ist für mich jetzt nicht eine formale Frage. Das wird innerhalb der Kuratoriumssitzung der Landeszentrale für politische Bildung sicherlich ausgewertet werden. Sondern es ist einfach eine Frage, was jetzt auch wieder für eine Botschaft aus Sachsen ausgegangen ist. Die halte ich für problematisch, weil die Landeszentrale für politische Bildung nicht der geeignete Ort für eine solche Pressekonferenz ist.
    Klein: Ich frage das auch deswegen, weil der Chef der Bundeszentrale für politische Bildung, Thomas Krüger, im „Tagesspiegel“ heute davon spricht, da sei eine rote Linie überschritten, und das klingt ja schon sehr danach, dass man auch gegen Formalien verstoßen habe. Gehen Sie davon aus, dass das noch Konsequenzen haben wird?
    Dulig: Ich will jetzt der Kuratoriumssitzung nicht vorweggreifen, aber dort wird es sicherlich eine sehr kritische Auseinandersetzung geben. Ich meine, es ist jetzt passiert, es ist höchst ärgerlich. Wir können das auch nicht akzeptieren. Aber ich meine, der Fehler ist passiert. Wichtig ist, dass die Landeszentrale als Institution keinen Schaden nimmt, sondern dass wir sie aufwerten und wieder zu der Aufgabe führen, für die sie da ist, nämlich politische Bildung zu machen.
    "Ein Zeichen für den Zustand der Demokratie in Ostdeutschland"
    Klein: Wir haben es gerade auch noch mal angedeutet, Herr Dulig. Auch Umfragen haben das ja ergeben, dass sich sehr, sehr viele dieser Demonstranten dort eigentlich in Wahrheit gar nicht so sehr mit Islamisierung oder der Angst davor beschäftigen, sondern ganz andere Sorgen haben. Frank Richter hatte dieses Stichwort ja auch genannt. Entsolidarisierung ist ein Problem, die Politiker hören nicht zu, sogar das Stichwort Maastricht-Vertrag spielte eine Rolle. Sie stammen selber aus Sachsen. Wie viel davon ist denn nach Ihrem Eindruck ein Erbe der DDR, denn auch das wurde ja vielfach gefragt? Was hat das damit zu tun, was hat das auch mit Dresden zu tun?
    Dulig: Ich beobachte durchaus, dass viele Menschen bei Pegida mitlaufen, die selber nicht eigene positive Erfahrung durch Engagement gemacht haben, durch Beteiligung gemacht haben, die aber eine sehr hohe Erwartungshaltung an Demokratie und Politik haben im Sinne von „löst mir meine Probleme“, und wenn sie nicht gelöst sind, dann sofort auch Frust entsteht. Es ist durchaus ein Zeichen für den Zustand auch der Demokratie in Ostdeutschland. Zu glauben, dass die Wende '89 ausgereicht hat, um die Demokratie gefestigt in Ostdeutschland zu etablieren, da wäre ich etwas vorsichtiger. Ich will hier natürlich nicht den Eindruck erwecken, dass das hier alles Nichtdemokraten sind. Aber dass wir hier in Ostdeutschland und in Sachsen ziemlich viel noch zu tun haben, um tatsächlich auch demokratisches Engagement als etwas Selbstverständliches und als etwas Gutes zu definieren, das ist durchaus eine wichtige Konsequenz aus den Auseinandersetzungen.
    Klein: Aber Demonstrationen sind natürlich auch ein demokratisches Engagement. Das hat man den Menschen auch seit 25 Jahren gesagt. Darauf hat der Chef der Landeszentrale in Dresden auch hingewiesen. - Wir werden das Thema sicherlich weiter fortführen. Heute Morgen war das im Interview im Deutschlandfunk Martin Dulig, der SPD-Landesvorsitzende und Wirtschaftsminister Sachsens. Ich danke Ihnen für das Gespräch.
    Dulig: Vielen Dank.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.