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Debatte um PKW-Maut
"Das ist Kaffeesatz-Leserei"

Bringt die Pkw-Maut doch Mehrbelastungen für die Autofahrer? Norbert Barthle schließt das aus – zumindest für diese Legislaturperiode. Darüber hinaus könne man keine Zusagen machen, sagte der haushaltspolitische Sprecher der Unionsfraktion im DLF. Von der SPD forderte er mehr Respekt in der Debatte.

Norbert Barthle im Gespräch mit Dirk Müller |
    Norbert Barthle (CDU) lächelt in die Kamera.
    Norbert Barthle, Obmann der CDU im Haushaltsausschuss des Bundestags. (dpa / CDU-Fraktion)
    Dirk Müller: Im Koalitionsvertrag ist das genau so vereinbart, dass die Maut eben zu keinen Mehrbelastungen bei den deutschen Autofahrern führt - ein Versprechen der Großen Koalition. Doch der neue Gesetzentwurf von Wolfgang Schäuble, der sich darum kümmern muss, dass die Kfz-Steuer entsprechend gesenkt wird, sorgt für einige Fragezeichen. Mehr noch: sogar für Aufregung, vor allem bei der SPD. Besonders ein Satz sorgt da für Verwirrung. Dort heißt es: "Künftige Änderungen der Infrastrukturabgabe erfolgen losgelöst von der Kfz-Steuer." Will also heißen: Wenn die Vignette teurer wird in Zukunft, dann wird das nicht durch Steuern kompensiert, zumindest nicht automatisch durch Steuern kompensiert. Die deutschen Autofahrer werden möglicherweise dann doch zur Kasse gebeten.
    Die Maut - unter dem Strich kostenneutral oder nicht? Unser Thema jetzt mit dem haushaltspolitischen Sprecher der Unions-Fraktion, Norbert Barthle. Guten Tag.
    Norbert Barthle: Ich grüße sie, Herr Müller!
    Müller: Herr Barthle, müssen wir bald ein Interview über eine Steuerlüge führen?
    Barthle: Ich glaube nicht, dass das notwendig sein wird, denn die Zusage der Bundeskanzlerin und auch des Verkehrsministers Dobrindt gilt klar, dass in dieser Legislaturperiode kein deutscher Autofahrer mehr belastet wird durch die Einführung der Maut. Was in der nächsten Legislaturperiode und in den Perioden danach geschehen wird, das werden die Regierungen zu entscheiden haben, die dann regieren. Darüber jetzt schon zu spekulieren, halte ich für Kaffeesatz-Leserei und für einen Popanz, den man tunlichst schnell wieder einsammeln sollte.
    SPD soll Beißreflexe gegen die CSU einstellen
    Müller: Das macht die Sache aber dann nicht besser und auch nicht einfacher zu verkaufen, wenn wir uns jetzt fast schon darauf einigen können, dass das in drei Jahren anders läuft.
    Barthle: Nein, darauf muss man sich jetzt überhaupt nicht einigen, sondern es steht die Zusage und die wird eingehalten. Und dass wir zwei unterschiedliche Gesetzesvorhaben auf den Weg bringen, die nichts miteinander zu tun haben, und dieses auch in dem Gesetz nochmals deutlich zum Ausdruck bringen, das ist allein dem Koalitionsvertrag geschuldet, in dem es heißt, dass wir eine europarechtskonforme Regelung machen bei der Maut, und das setzt nun einmal voraus, dass es sich dann um zwei unterschiedliche Regelungskreise handelt. Deshalb ist die Formulierung, die der Finanzminister gewählt hat, durchaus zutreffend. Das macht ja gerade die europarechtliche Möglichkeit aus, dass beides geht, und das setzt voraus, dass Europa auch den Plänen zustimmt. Ich empfehle einigen Kolleginnen und Kollegen in der SPD dringend, ihre vielleicht noch vorhandenen Beißreflexe gegen die CSU endlich einzustellen und sich an den Koalitionsvertrag zu halten, auch mal die Projekte mitzutragen, die nicht von der SPD in den Koalitionsvertrag reinverhandelt wurden, sondern die von anderen kamen. Wir tragen auch die Projekte mit, die von der SPD reinverhandelt worden sind und wo die dann ihre Lichterketten anzünden. Da erwarte ich einfach gegenseitigen Respekt.
    Müller: Herr Barthle, aber die SPD fühlt sich im Moment zumindest als neue Autofahrer-Partei. Mein Kollege Frank Capellan hatte das ja angedeutet. Der ADAC hat ein bisschen Schwierigkeiten, nun kommen die Sozialdemokraten damit. Reden wir mal über diesen Satz. Da steht: "Künftige Änderungen der Infrastrukturabgabe erfolgen losgelöst von der Kfz-Steuer." Das ist ja das Problem, losgelöst. Sie sagen, das sind zwei verschiedene Gesetzesentwürfe. Da geht es einmal um die Maut, das macht Dobrindt, und da geht es einmal um die Kfz-Steuer.
    Barthle: So ist das.
    Müller: Das macht Schäuble.
    Barthle: Ja.
    Müller: Und Ihr Argument heißt, das muss europarechtskonform sein, deswegen muss dieses losgelöst dort rein.
    Barthle: So ist das.
    Müller: Dann sagt die SPD: Alles Quatsch, dieser Satz muss weg. Wir hören mal, was Thorsten Schäfer-Gümbel, SPD-Vize, heute Morgen im Deutschlandfunk gesagt hat:
    "Wir können dem Mautgesetz nicht zustimmen, solange die Kriterien des Koalitionsvertrages nicht erfüllt sind. Und deswegen muss nachgearbeitet werden. Ich kann Herrn Dobrindt nur dringend auffordern, dafür zu sorgen, dass der Koalitionsvertrag eingehalten wird."
    Müller: Das klingt nach Ärger, mächtig Ärger, wenn das nicht geändert wird.
    Barthle: Da liegt der Herr Schäfer-Gümbel leider falsch, denn der Dobrindt hält den Koalitionsvertrag ein.
    Müller: Aber Schäuble nicht.
    Barthle: Doch, doch! Auch der Schäuble hält den Koalitionsvertrag ein, indem er einen europarechtskonformen Gesetzesentwurf vorlegt, der die deutschen Autofahrer nicht mehr belastet. Es steht in dem Gesetzentwurf von Schäuble nirgendwo drin, dass dann, wenn sich die Mautsätze verändern, auch die Kfz-Steuer wieder angepasst wird. Das steht nicht drin.
    Müller: Das ist ja das Problem!
    Barthle: Es steht nur drin, dass kein Automatismus besteht, und das ist auch richtig so. Also man muss ja keine Bindung für kommende Jahre in einen Gesetzestext reinschreiben, ohne den Umkehrschluss zuzulassen. Das steht ja nirgendwo.
    "Würde mir vom Koalitionspartner mehr Disziplin erwarten"
    Müller: Herr Barthle, das ist ja das Problem, wie es auch in der Öffentlichkeit jetzt ankommt. Viele fühlen sich jetzt getäuscht, weil Sie sagen, na ja, wir können das nicht über 2017 hinaus versprechen. Das ist koalitionsarithmetisch politisch ja nachvollziehbar. Aber das bedeutet, wir machen jetzt eine Maut, das ist durchsetzbar, weil das nur für zwei Jahre gilt, und danach wird sowieso alles wie alles andere auch erhöht.
    Barthle: Noch mal: Es steht nirgendwo in den Gesetzestexten drin, dass nicht dann, wenn sich die Mautsätze verändern würden, dann auch die Kfz-Steuer wieder angepasst werden könnte. Es steht nur nicht der umgekehrte Fall drin, und das ist vollkommen korrekt so. Deshalb halte ich diesen Popanz, den die Opposition jetzt gerade aufbaut, der ja insbesondere von den Grünen kommt, für eine Geisterdiskussion, die keinerlei Fundament und keine Grundlage hat. Und nochmals: Dass da Teile der SPD mit darauf aufspringen, halte ich für nicht eigentlich akzeptabel im Sinne des Koalitionsvertrages. Da würde ich mir vom Koalitionspartner etwas mehr Disziplin erwarten.
    Müller: Aber Thomas Oppermann, immerhin der Fraktionschef der SPD, hat gestern ja auch gesagt, so geht's nicht.
    Barthle: Auch dem Thomas Oppermann empfehle ich, das noch mal genau nachzudenken und nachzuprüfen. Dann wird er vielleicht zu einem anderen Schluss kommen.
    Müller: Aber der ist ja Jurist und meistens auch europakonform tauglich.
    Barthle: Er hat aber sehr schnell und spontan reagiert und vielleicht sollte er doch noch mal eine Nacht darüber schlafen.
    Müller: Aber ich habe Sie jetzt richtig verstanden? Sie sagen, es muss ja nicht so sein, wenn wir über 2018 und 2019 reden, wenn die Vignette erhöht werden soll, dass man nicht die Kfz-Steuer dementsprechend anpasst.
    Barthle: So ist das. Wenn die Regierung, die nach 2018 regiert, den Willen hat, auch dann deutsche Autofahrer nicht zu belasten, kann sie ohne Weiteres dann, wenn die Mautsätze sich verändern sollten, das Kfz-Steuergesetz wieder anpassen.
    Müller: Können Sie denn unterschreiben, die Union wird unter gar keinen Umständen 2018 den Willen haben, diese Anpassung dann nicht vorzunehmen?
    Barthle: Herr Müller, ich finde es reizend von Ihnen, dass Sie davon ausgehen, dass wir 2018 wieder regieren. Das nehme ich gerne so zur Kenntnis. Ich weiß aber nicht, mit wem wir dann regieren werden, und deshalb kann keiner Aussagen machen, was dann geschehen wird.
    Müller: Ich hatte das ins Wenn gesetzt. Sie können es ja auch ins Wenn setzen. Das heißt, wenn Sie führend bleiben, dann bleibt alles so, wie es jetzt ist.
    Barthle: Herr Müller, bei aller Liebe. Das kann keiner vorhersagen. Ich weiß nicht, wie die Welt 2018, 2019, 2020 aussieht. Ich weiß nicht, wie wir dann mit unseren Haushalten dastehen. Ich weiß, wir wollen auch dann ausgeglichene Haushalte haben. Ich weiß nicht, wie es weitergeht mit unserer Infrastruktur. Keiner kann das vorhersagen. Deswegen halte ich nichts von einer Ausschließeritis.
    Müller: Aber Sie sind ja Haushalts- und Finanzpolitiker. Sie kennen sich da viel, viel besser aus als ich. Sie wissen auf jeden Fall, ...
    Barthle: Wenn Sie mir vorhersagen können, dass es uns gelingt, die Begehrlichkeiten der Länder bezüglich des Soli abzuwehren - da geht es um 19 Milliarden Euro ab 2019 ...
    Müller: Das ist die nächste Steuerlüge.
    Barthle: Wenn uns das gelingt, das abzuwehren, dann kann ich Ihnen zusagen, wird die Maut so belassen bleiben, wie sie ist. Wenn aber der Rutschbahn-Effekt von den Bundesfinanzen hin zu den Ländern weitergeht, muss irgendwann der Haushalt des Bundes wieder in Einklang gebracht werden, und dann weiß ich nicht, auf welche Ideen wir dann kommen. Deshalb schließe ich nichts aus, aber es gilt die Zusage klar der Kanzlerin und des Verkehrsministers, inländische Autofahrer werden in dieser Legislaturperiode nicht belastet. Was dann ist, entscheiden die Wählerinnen und Wähler 2017.
    "Das kann ich nicht vorhersehen"
    Müller: Wir haben schon viele Zusagen von der Kanzlerin gehabt. Die hat auch gesagt, mit mir gibt's keine Maut.
    Barthle: Und das steht! Diese Zusage steht! Sie hat gesagt, es gibt keine Maut, die deutsche Autofahrer mehr belastet - immer mit diesem Zusatz, nicht ohne.
    Müller: Gut. Aber das ist eine Halbwertzeit, letztendlich unterstellt. Darüber haben wir geredet. Aber ich habe eben meine Frage leider nicht zu Ende führen können. Das heißt, Sie wissen aber auf jeden Fall, weil Sie sich viel besser auskennen als die meisten, die von außen darauf schauen, wie wir auch, dass Sie auch 2018 und 2019 definitiv im Haushalt wieder zu wenig Geld haben. Das heißt, jede Quelle ist dann doch wieder recht?
    Barthle: Wir gehen davon aus, dass es uns in den kommenden Jahren gelingen wird, ausgeglichene Haushalte vorzulegen. Das ist unser Bestreben, nicht nur einmal den Erfolg zu haben, sondern auf Dauer mit dem Geld auszukommen, das uns die Steuerzahler an Steuern zur Verfügung stellen. Wie gesagt: immer vorausgesetzt, dass es keine besonderen anderen Ereignisse gibt. Aber das kann ich nicht vorhersehen.
    Müller: Und Sie würden jetzt in einem Gespräch mit der SPD nicht sagen, okay, diesen einen Satz, wenn es daran scheitern sollte, dieser Infrastrukturabgaben-Satz, losgelöst kommt ja darin vor, das lassen wir sein, dann weg damit und dann machen wir das Gesetz?
    Barthle: Dieser Satz ist sinnvoll und notwendig, um damit gegenüber der EU-Kommission klar zum Ausdruck zu bringen, dass es keine direkte Verrechnung mit der Kfz-Steuer gibt. Das ist ja Voraussetzung für die EU-Kompatibilität. Man könnte höchstens noch einen zusätzlichen Satz hineinbauen in das Gesetz, der da lautet: "Sollten die Mautsätze angepasst werden müssen nach oben, dann ist nicht ausgeschlossen, dass dann auch eine Änderung des Kfz-Steuergesetzes erfolgt." Den könnte man noch reinschreiben.
    Müller: Das wäre europakompatibel?
    Barthle: Das wäre, denke ich, auch europakompatibel.
    Müller: Dann haben wir vielleicht jetzt die Lösung gefunden? - Norbert Barthle bei uns heute Mittag im Deutschlandfunk, haushaltspolitischer Sprecher der Unions-Fraktion. Vielen Dank für das Interview.
    Barthle: Bitte sehr.
    Müller: Auf Wiederhören.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.