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Debatte um Spurwechsel
"Die wichtigste Voraussetzung ist die deutsche Sprache"

Sollten gut integrierte, aber von Abschiebung bedrohte Asylbewerber eine Perspektive auf dem deutschen Arbeitsmarkt bekommen? Über diese Frage wird derzeit erneut diskutiert. Migrationsexperte Thomas Liebig von der OECD hält dies unter "klar definierten und relativ strikten Bedingungen" für denkbar.

Thomas Liebig im Gespräch mit Michael Böddeker |
    Drei junge Flüchtlinge arbeiten im Ausbildungszentrum der Siemens Professional Education in Leipzig an der Verdrahtung eines Schaltschranks.
    Die wichtigste Voraussetzung für den Arbeitsmarkt sei zunächst die deutsche Sprache, sagte Liebig von der OECD im Dlf (dpa / Monika Skolimowska)
    Michael Böddeker: "Spurwechsel" – unter diesem Begriff wird gerade darüber diskutiert, ob bestimmte Asylbewerber vielleicht doch ins reguläre Zuwanderungsverfahren rüberwechseln sollten, nämlich dann, wenn es um gut integrierte Ausländer geht, die außerdem als Fachkräfte in Deutschland benötigt werden. Die Diskussion darüber läuft kontrovers. Die einen sagen, klar, gut integrierte Fachkräfte, die brauchen wir in Deutschland, die anderen kritisieren, dadurch würden sich die unterschiedlichen Ziele von Arbeitsmigration und Asylverfahren vermischen.
    Zum Thema gibt es heute übrigens auch ein paar neue Daten vom Statistischen Bundesamt: Ein deutliches Plus bei Ausbildungsverträgen gibt es nämlich gerade bei jungen Menschen aus Afghanistan und Syrien. Mit der Integration von Fachkräften in den Arbeitsmarkt kennt sich Thomas Liebig aus. Er arbeitet bei der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD. Schönen guten Tag!
    Thomas Liebig: Guten Tag!
    Böddeker: So ein Spurwechsel, wie er gerade angedacht wird, erscheint der Ihnen sinnvoll?
    Liebig: Prinzipiell ist es sinnvoll, die Arbeitsmigration klar von der Flüchtlingsmigration zu trennen. Allerdings ist es auch durchaus denkbar, gerade angesichts der Situation, die wir in Deutschland haben, unter bestimmten klar definierten und relativ strikten Bedingungen einen Spurwechsel zu ermöglichen für Personen, die ihr Leben selbstständig verdienen, das heißt, hier hinreichendes Einkommen haben, und unter anderen Gesichtspunkten, Sprache und so weiter, gut integriert sind. Wir dürfen nicht vergessen, dass es diese Regelung bereits gibt, allerdings hauptsächlich für langjährig Geduldete, die bereits seit acht Jahren oder länger in Deutschland leben.
    "Die Arbeitsmarktintegration der Flüchtlinge läuft langsam an"
    Böddeker: Dann schauen wir zunächst mal auf den Stand der Dinge. Wie gut sind denn Geflüchtete bisher so auf dem deutschen Arbeitsmarkt integriert?
    Liebig: Die Arbeitsmarktintegration der Flüchtlinge läuft langsam an. Nach den aktuellen Schätzungen, die vorliegen, ist ungefähr jeder Vierte in den Arbeitsmarkt integriert. Das ist auch nicht verwunderlich, denn diese Personen sind ja eben gerade nicht nach Deutschland gekommen, um hier als Fachkräfte tätig zu sein in erster Linie, aus Arbeitsmarktgesichtspunkten, sondern sie sind aus Fluchtgründen gekommen, um hier Schutz zu finden, und deshalb haben wir natürlich ganz andere Voraussetzungen, wie ein typischer Arbeitsmigrant.
    Böddeker: In welchen Bereichen gäbe es denn trotzdem vielleicht Chancen für Geflüchtete auf dem Arbeitsmarkt?
    Liebig: Viele der Geflüchteten haben relativ gute handwerkliche Fähigkeiten, weil in den Ursprungsländern sie häufig in solchen Tätigkeiten waren. Auch hier ist in Deutschland ja großer Bedarf da. Allerdings ist häufig eine Anpassungsqualifizierung erforderlich, weil eben die Tätigkeit dort nicht hundertprozentig vergleichbar ist mit den Anforderungen des deutschen Arbeitsmarkts, beispielsweise in der Autoreparatur oder auch in der Elektronik und in anderen handwerklichen Bereichen.
    "Die wichtigste Voraussetzung ist zunächst erst mal die deutsche Sprache"
    Böddeker: Und wo liegen so die größten Probleme beim Ankommen hier in Deutschland auf dem Arbeitsmarkt?
    Liebig: Die wichtigste Voraussetzung ist zunächst erst mal die deutsche Sprache. In Befragungen, die wir gemacht haben, gemeinsam mit dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag, kam ganz klar heraus, dass das das wichtigste Problem gegenwärtig ist in der Integration der Flüchtlinge, die Arbeitsmarktintegration in erster Linie doch auch gewisse Sprachkenntnisse erfordert, die die Flüchtlinge in der Regel, trotz der Basiskenntnisse, die sie in den Integrationskursen bekommen haben, häufig noch nicht haben.
    Böddeker: Gibt es da größere Unterschiede, je nachdem aus welchem Land ein Asylbewerber kommt?
    Liebig: Es gibt länderspezifische Unterschiede, aber vor allen Dingen natürlich hängt das sehr stark vom Qualifikationsniveau der Flüchtlinge ab. Das wiederum ist sehr eng verbunden mit dem Ursprungsland der Flüchtlinge. Die Flüchtlinge aus Afghanistan haben häufig nur einen relativ geringen Bildungsstand, wohingegen die Flüchtlinge aus Syrien häufig im mittelqualifizierten Bereich sind, und Gruppen, wie beispielsweise die Iraner, auch sehr viel höher qualifizierte Personen sich darunter befinden.
    Liebig: Die Arbeitgeber verlangen die deutsche Sprache
    Böddeker: Um all das besser zu regeln, soll es auch ein neues Fachkräftezuwanderungsgesetz geben. Wie müsste so ein Gesetz aussehen, damit die Zuwanderung von Fachkräften in den Arbeitsmarkt besser funktioniert?
    Liebig: Zunächst müssen wir ganz klar sagen, dass dieser Bereich klar zu trennen ist von dem Bereich der Flüchtlingsmigration und wir hier wirklich Vermengungen vermeiden sollten, auch in der Wahrnehmung und in der Kommunikation. Wichtigstes Kriterium für die Arbeitsmarktintegration und damit auch für die Auswahl der Arbeitsmigranten, die nach Deutschland kommen, wird auch hier die deutsche Sprache sein. Bislang ist das Zuwanderungsrecht sehr stark auf formale Qualifikationen abgestellt und nur sehr wenig wird die Sprache wirklich offiziell … in dem Zuwanderungsrecht ist überhaupt keine Sprachkenntnisse erforderlich für die Arbeitsmigration. Das ist aber das, was die Arbeitgeber verlangen, und das ist auch das, was für die langfristige Integration in die deutsche Gesellschaft entscheidend ist.
    Böddeker: Migrationsexperte Thomas Liebig war das von der OECD. Wir haben über die Integration von Geflüchteten auf den deutschen Arbeitsmarkt gesprochen. Darüber wird gerade viel diskutiert unter dem Begriff "Spurwechsel". Vielen Dank für das Gespräch!
    Liebig: Danke schön!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.