Debatte um Ungeimpfte
Reicht ein Schnelltest bald noch aus?

Geimpft, getestet oder genesen – eines der drei Merkmale reicht aktuell aus, um Kulturveranstaltungen besuchen zu können. Weil Impftermine in Deutschland inzwischen leicht zu bekommen sind, wird allerdings diskutiert, ob Tests noch reichen sollten. Ein Überblick.

    Eine Mitarbeiterin eines Testcenters am Fähranleger nimmt einen Abstrich von einem Touristen.
    "Bei hohem Infektionsgeschehen trotz Testkonzepten würden Ungeimpfte ihre Kontakte reduzieren müssen", meint Kanzleramtschef Helge Braun (picture alliance/dpa/Hauke-Christian Dittrich)
    Wer nicht geimpft ist, muss bei hohem Infektionsgeschehen mit stärkeren Einschränkungen rechnen. Diese Forderung hat Kanzleramtsminister Helge Braun in der "Bild am Sonntag" geäußert. Was genau hat Braun vorgeschlagen und wie stehen die Parteien dazu? Ein Überblick
    Das hat Kanzleramtschef Helge Braun vorgeschlagen
    "Bei hohem Infektionsgeschehen trotz Testkonzepten würden Ungeimpfte ihre Kontakte reduzieren müssen. Das kann auch bedeuten, dass gewisse Angebote wie Restaurant-, Kino- und Stadionbesuche selbst für getestete Ungeimpfte nicht mehr möglich wären, weil das Restrisiko zu hoch ist", sagte Kanzleramtschef Helge Braun der "Bild am Sonntag".
    "Wenn sich Delta weiter so schnell verbreiten würde und wir keine enorm hohe Impfquote oder Verhaltensänderung dagegensetzen würden, hätten wir in nur neun Wochen eine Inzidenz von 850. Das entspräche 100.000 Neuinfektionen jeden Tag!" Doch solange die Impfstoffe gegen die Delta-Variante gut helfen, sei ein klassischer Lockdown nicht mehr nötig, denn die Geimpften und Genesenen spielten für das Infektionsgeschehen keine wesentliche Rolle mehr.
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    Der Staat habe die Pflicht, "die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger zu schützen". "Dazu gehört ein Gesundheitswesen, das im Winter nicht erneut Krebs- und Gelenkoperationen zurückstellen muss, um Corona-Patienten zu behandeln", sagte er. "Um das einmal deutlich zu sagen: Hohe Infektionszahlen im Herbst und Winter bekommen wir nicht - wie manche behaupten - durch irgendwelche harmlosen Labornachweise des Virus bei Geimpften, sondern nur durch ein ernst zu nehmendes Infektionsgeschehen in der ungeimpften Bevölkerung, wenn die Impfquote nicht hoch genug ist", betonte der Mediziner Braun.

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    CDU-Parteichef Armin Laschet lehnt Einschränkungen für Nicht-Geimpfte ab
    Der CDU-Parteichef und Kanzlerkandidat der Union, Armin Laschet, lehnt Einschränkungen für Nicht-Geimpfte ab. Das Prinzip "getestet, genesen oder geimpft" sei gut, sagte Laschet im ZDF-Sommerinterview am 25. Juli. Der Vorschlag Brauns müsse zwar erörtert werden, gleichzeitig schränkte er aber ein: "Ich finde am Ende, Freiheitsrechte müssen für alle gelten, wenn man keine Impfpflicht will." Laschet forderte, nun alles daran zu setzen, die Menschen von einer Impfung gegen das Coronavirus zu überzeugen. "Ich halte nichts von Impfpflicht und halte auch nichts davon, auf Menschen indirekt Druck zu machen, dass sie sich impfen lassen sollen." Es sei jetzt auch nicht der Zeitpunkt, über weitergehende Schritte nachzudenken. Sollte allerdings im Herbst die Impfquote immer noch viel zu niedrig sein, müsse weiter nachgedacht werden.
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    Aus der Union mehren sich aber die Stimmen, kostenlose Corona-Schnelltests für Ungeimpfte infrage zu stellen. CSU-Chef Markus Söder sagte der "Augsburger Allgemeinen", wer bewusst ein Impfangebot ausschlage, könne auf Dauer nicht mehr kostenlos getestet werden. Auch der saarländische CDU-Ministerpräsident Tobias Hans hat ins Spiel gebracht, freiwillig Ungeimpfte im Herbst von bestimmten Veranstaltungen auszuschließen oder sie ihre Schnelltests selber zahlen zu lassen: "Das kann ich denjenigen, die sich impfen lassen, nicht mehr erklären, dass diejenigen, die sich weigern, sich zu impfen, auch noch kostenlos die Tests kriegen."
    So reagiert der Koalitionspartner SPD
    Beim sozialdemokratischen Koalitionspartner zeigt man sich verwundert. Solche Vorschläge hätten jetzt keine Priorität, es müsse stattdessen darum gehen, die Impfquote zu erhöhen, sagte SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese dem Deutschlandradio-Hauptstadtstudio: "Wir müssen jetzt niedrigschwellige Impfangebote machen, wie zum Beispiel gestern am Rande von Zweitligaspielen, dass wir auch darüber nachdenken auch abends in Bars zu impfen, wie das auch in Israel stattgefunden hat."
    Bundesjustizministerin Lambrecht hält Impfpflicht rechtlich nicht für möglich
    Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) sprach sich im Dlf gegen eine allgemeine Impfpflicht aus - auch für bestimmte Berufsgruppen. Sie plädiert dafür, beim Grundsatz geimpft, genesen und getestet zu bleiben.
    Auch SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich wies den Vorstoß von Kanzleramtsminister Helge Braun zurück. Mützenich sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, mit Drohungen werde man das Impfverhalten Einzelner nicht nachhaltig verändern.
    So reagiert die Opposition
    AfD
    Alice Weidel, Co-Fraktionsvorsitzende und Spitzenkandidatin der AfD im Bundestagswahlkampf, hält die Argumente von Kanzleramtschef Helge Braun für nicht stichhaltig. Weidel äußerte gegenüber dem Deutschlandfunk: "Also das, was Helge Braun dort von sich gibt, ist ganz klar grundgesetzwidrig. Sie können nicht die Menschen in eine erste und zweite Klasse einteilen in Abhängigkeit davon, ob sie jetzt geimpft sind oder nicht. Das ist ein reiner Willkürakt, der völlig außer Acht lässt, dass auch Geimpfte ansteckend sind und wieder erkranken können.
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    FDP
    Aus der FDP wurde scharfe Kritik an Brauns Aussagen zu Ungeimpften laut. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Montag), "eine solche Kategorisierung von Grundrechten in eine erste und eine zweite Klasse" sei verfassungswidrig und zudem "die Einführung der Impfpflicht durch die Hintertür." Die Wahrnehmung der Grundrechte könne nicht dauerhaft von einem Wohlverhalten abhängig gemacht werden, das vom Kanzleramt als richtig definiert werde, kritisierte Kubicki die Äußerungen von Braun, die Bundesregierung nehme eine massive Spaltung der Gesellschaft in Kauf.
    Der parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Marco Buschmann, sagte den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland vom Montag, "natürlich" seien Anreize für eine möglichst hohe Impfquote nötig. "Aber wenn feststeht, dass von Getesteten, Geimpften und Genesenen in gleicher Weise keine Gefahr ausgeht, dann darf man sie auch nicht unterschiedlich behandeln", sagte er. "Das wäre sonst eine Verletzung ihrer Grundrechte."
    Die Linke
    Gesine Lötzsch, stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion und Abgeordnete aus einem Berliner Wahlkreis, hält die Diskussion über die Einschränkung für Ungeimpfte für ein Ablenkungsmanöver. Sie sagte unserem Hauptstadtstudio: "Ich glaube, dass mit dieser Diskussion verschleiert wird, dass die Bundesregierung noch längst nicht allen in diesem Land ein Impfangebot machen konnte." In ihrem Wahlkreis stünden Menschen bei Impfaktionen noch regelmäßig stundenlang an.
    "Es muss Schluss sein mit wöchentlich neuen Ankündigungen aus dem Kanzleramt", sagte Fraktionschef Dietmar Bartsch den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Für die Zeit ab September müssten "klare, nachvollziehbare, verfassungskonforme Regelungen" das Ziel sein. Dies gelte vor allem für die Sicherung des Präsenzunterrichts an den Schulen.
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    Bündnis 90/Die Grünen
    Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat sich im Zuge der Debatte zur Frage einer möglichen Impfpflicht geäußert. Diese halt er perspektivisch für denkbar – allerdings nicht in nächster Zukunft. "Für alle Zeiten kann ich eine Impfpflicht nicht ausschließen", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. "Es ist möglich, dass Varianten auftreten, die das erforderlich machen."
    (Quellen: Johannes Kuhn, epd, dpa, AFP, pto)