Dass ein Witz über eine im Hühnerstall fahrende Oma zu einem "Kulturkampf" werde, sei "einfach nur traurig", bilanziert Wolff im Gespräch mit @mediasres. Aus einem "albernen Scherz einen großen Konflikt zu machen" - für den Journalisten, der von 2013 bis 2018 als Chefredakteur für das Satiremagazin Titanic verantwortlich war, eine "deutsche Spezialität".
Doch was genau ist geschehen? Wie konnte der bald hundert Jahre alte, neu getextete Schlager "Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad" zu dem Aufreger des Jahresendes werden? Einem Thema, über das sich Chefredakteure, Kommentatoren und sogar Politiker Gedanken machen?
Die kurze Chronologie einer Empörung:
Am 27. Dezember veröffentlicht der WDR eine Version von "Meine Oma…" – also die Version, die aktuell diskutiert wird. Der Sender stellt das vom WDR-Kinderchor aus Dortmund gesungene Lied als Video bereit.
Was in der aktuellen Debatte nicht erwähnt wird: Zu dem Zeitpunkt gibt es längst eine andere – bis heute abrufbare – Version des Lieds, wie @mediasres recherchiert hat. Vorgetragen wird diese Variante nicht von Kindern, sondern von Henning Bornemann und Axel Naumer live beim Köln Comedy Festival in der Sendung Satire Deluxe (ab Minute 36 hier nachzuhören). Damals setzen die Satiriker das Lied übrigens in den Kontext einer "Hotline", unter der Friday-for-Future-Aktivisten ihre engsten Verwandten "denunzieren" könnten.
Einen besonderen medialen Widerhall findet diese Anfang November veröffentlichte Satire nicht. Anders ist es jedoch dieses Mal. Kritik bricht sich nach bekanntem Muster in sogenannten sozialen Medien schnell Bahn: Das Thema wird von Multiplikatoren – in diesem Fall aus dem rechten politischen Spektrum – identifiziert und verbreitet.
Das Narrativ, das die inhaltliche Kritik von Beginn an begleitet, ist das eines öffentlich-rechtlichen Rundfunksystems, das, wie Bild-Chefredakteur Julian Reichelt auf Twitter formuliert, "junge Menschen für ihre ideologischen Zwecke missbraucht". Der Springer-Journalist fügt seinem Tweet noch #SchonGEZahlt hinzu – ein beliebtes Hashtag unter Kritikern eines öffentlich-rechtlich finanzierten Rundfunks.
Auch NRW-Ministerpräsident Armin Laschet schreibt auf Twitter, "niemals dürfen Kinder von Erwachsenen für ihre Zwecke instrumentalisiert wird".
Am 28. Dezember gibt der WDR bekannt, das Video von der WDR-2-Facebookseite gelöscht zu haben. Außerdem kündigt der Sender für den Abend eine Sondersendung an. Darin erklärt WDR-Intendant Tom Buhrow, die Veröffentlichung sei "ein Fehler" gewesen. Er entschuldige sich dafür "ohne Wenn und Aber".
Am 29. Dezember kommt es zu Demonstrationen vor einem Gebäude des WDR in der Kölner Innenstadt. Zumindest einen Teil der Demonstranten rechnet die Polizei "der rechten Szene" zu.
Die Leitung des WDR-Kinderchors Dortmund betont in einer Stellungnahme, Kinder und Eltern hätten freiwillig entscheiden können, an dem Projekt teilzunehmen. Es habe keinen Zwang gegeben und niemand sei instrumentalisiert worden, erklärt Chorleiter Zeljo Davutovic. Auch er entschuldigt sich bei allen, "die sich trotz der Einordnung als Satire von uns persönlich angegriffen fühlen".
Am 27. Dezember veröffentlicht der WDR eine Version von "Meine Oma…" – also die Version, die aktuell diskutiert wird. Der Sender stellt das vom WDR-Kinderchor aus Dortmund gesungene Lied als Video bereit.
Was in der aktuellen Debatte nicht erwähnt wird: Zu dem Zeitpunkt gibt es längst eine andere – bis heute abrufbare – Version des Lieds, wie @mediasres recherchiert hat. Vorgetragen wird diese Variante nicht von Kindern, sondern von Henning Bornemann und Axel Naumer live beim Köln Comedy Festival in der Sendung Satire Deluxe (ab Minute 36 hier nachzuhören). Damals setzen die Satiriker das Lied übrigens in den Kontext einer "Hotline", unter der Friday-for-Future-Aktivisten ihre engsten Verwandten "denunzieren" könnten.
Einen besonderen medialen Widerhall findet diese Anfang November veröffentlichte Satire nicht. Anders ist es jedoch dieses Mal. Kritik bricht sich nach bekanntem Muster in sogenannten sozialen Medien schnell Bahn: Das Thema wird von Multiplikatoren – in diesem Fall aus dem rechten politischen Spektrum – identifiziert und verbreitet.
Das Narrativ, das die inhaltliche Kritik von Beginn an begleitet, ist das eines öffentlich-rechtlichen Rundfunksystems, das, wie Bild-Chefredakteur Julian Reichelt auf Twitter formuliert, "junge Menschen für ihre ideologischen Zwecke missbraucht". Der Springer-Journalist fügt seinem Tweet noch #SchonGEZahlt hinzu – ein beliebtes Hashtag unter Kritikern eines öffentlich-rechtlich finanzierten Rundfunks.
Auch NRW-Ministerpräsident Armin Laschet schreibt auf Twitter, "niemals dürfen Kinder von Erwachsenen für ihre Zwecke instrumentalisiert wird".
Am 28. Dezember gibt der WDR bekannt, das Video von der WDR-2-Facebookseite gelöscht zu haben. Außerdem kündigt der Sender für den Abend eine Sondersendung an. Darin erklärt WDR-Intendant Tom Buhrow, die Veröffentlichung sei "ein Fehler" gewesen. Er entschuldige sich dafür "ohne Wenn und Aber".
Am 29. Dezember kommt es zu Demonstrationen vor einem Gebäude des WDR in der Kölner Innenstadt. Zumindest einen Teil der Demonstranten rechnet die Polizei "der rechten Szene" zu.
Die Leitung des WDR-Kinderchors Dortmund betont in einer Stellungnahme, Kinder und Eltern hätten freiwillig entscheiden können, an dem Projekt teilzunehmen. Es habe keinen Zwang gegeben und niemand sei instrumentalisiert worden, erklärt Chorleiter Zeljo Davutovic. Auch er entschuldigt sich bei allen, "die sich trotz der Einordnung als Satire von uns persönlich angegriffen fühlen".
Und was bleibt? Sich für die Veröffentlichung des Liedes zu entschuldigen, sei eine erschreckende Überreaktion des Senders gewesen, sagte der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum im Deutschlandfunk.
Die Debatte zeige, wie "durcheinander die Verhältnisse" seien, kommentierte Friedrich Küppersbuch auf Radio Eins. Am "verheerendsten" sei das Signal der "Selbstzensur", das von der Löschung des Videos ausgehe, findet der Journalist und TV-Produzent. Als WDR-Redakteurin oder -Redakteur würde er denken, "ich werde künftig nur noch Verkehrshinweise möglichst fehlerlos vorlesen und ansonsten die Fresse halten".
Küppersbuch erklärt, er fühle sich an den 27. Januar 1919 erinnert – den Tag, an dem Kurt Tucholsky (unter Pseudonym) gefragt hat: "Was darf Satire?"
"Weitermachen, bis Komikkompetenz entstanden ist"
Eine Frage, die bis heute immer wieder gestellt wird – und für Tim Wolff bis heute in Deutschland eine problematische darstellt.
Der aktuelle Fall beweise die "alte öffentlich-rechtliche Angst vor dem eigenen Publikum". Gerade in Sachen Komik und Humor sähen sich alle gezwungen, "Achtung Satire" voran zu schreiben.
Der ehemalige Titanic-Chefredakteur will den Humorstandort Deutschland dennoch nicht aufgeben und empfiehlt: "Man sollte (die Satire, d.Red.) weitermachen, bis so etwas wie Komikkompetenz entstanden ist."