"Es war einfach Krach. Wir haben wie wild drauflos gespielt. Eben verrückt - großartig verrückt. Mit Gesang und Trommeln. Sehr abstrakt."
Als "The Wind In The Willows" diesen Song aufnahmen, war Debbie Harry Anfang 20, hatte gerade ihr Kunst-Studium beendet und war von New Jersey ins New York der späten 60er gezogen. Sie jobbte zunächst als Sekretärin für die BBC, dann als Kellnerin im Szene-Laden "Max's Kansas City" und schließlich - als Bunny - in Hugh Hefners Playboy-Club.
"Man konnte dort für wenig Geld einen netten Abend mit Unterhaltung verbringen. Wobei die Mädchen Teil der Mystik und der Verruchtheit waren. Aber sie wurden auch gut behandelt, hatten eine Krankenversicherung, eine Jobgarantie und ein gutes Gehalt. Deswegen war es ein begehrter Job."
"Punk war eher eine Attitüde"
Geballten Sex-Appeal setzte Debbie auch bei ihrer nächsten Band ein - und trieb ihn dort, passend zum Namen Blondie - auf die Spitze: Wasserstoffsuperoxid-Frisur, enge T-Shirts, Hotpants, Stilettos und roter Schmollmund. Ein Look, durch den die inzwischen 30-Jährige zum Sexsymbol der Mittsiebziger wurde.
"Ich war stolz darauf, dass die Leute dachten, ich sehe gut aus. Denn das ist es, was eine Frontfrau ausmacht. Nämlich etwas darzustellen."
Ein Ansatz, der sie zum Darling der New Yorker Musikszene, zum Protegé der Kunstwelt um Warhol und Basquiat und zur Party-Begleiterin von Truman Capote machte. Zudem spielte sie in über 40 Filmen wie "Hairspray" oder "Videodrome" mit, verkaufte 50 Millionen Alben und erwies sich als extrem wandlungsfähig. Egal ob Disco, Pop, New Wave oder Rap: Debbie und ihre Jungs, zu denen auch Lebensgefährte Chris Stein zählte, kümmerten sich nicht um Schubladen - wohl aber um die richtige Darbietung.
"Ich glaube nicht, dass wir Punkmusik gemacht haben. Es war immer eine Mischung. Und Punk war ja auch eher eine Attitüde. Was die betrifft, waren wir sogar sehr Punk."
Anything goes, alles ist möglich. Eine Philosophie, mit der Blondie die Stilvielfalt der 80er vorwegnahmen und das Image der Alpha-Frau lancierten. Pionierarbeit, die Heerscharen von Künstlerinnen prägen sollte: Chrissie Hynde, Annie Lennox, Shirley Manson, Beth Ditto - sie alle berufen sich auf das Atomic-Girl aus New York. Zumal Debbie auch durch ihr soziales Bewusstsein imponierte. Sei es mit dem Eintreten für liberale Werte in den USA oder ihrem Engagement für die Schwulen- und Lesbenbewegung.
"Blondie sind beim ersten Gay-Pride-Marsch der 70er aufgetreten. Also 1976 oder 77. Einfach aus Wertschätzung und Respekt. Wir hielten das für wichtig."
Familie: "Es hat nicht sein sollen"
Wobei Debbie Harry nie ein Geheimnis aus ihren sexuellen Präferenzen gemacht hat, Männer und Frauen liebte, aber nie den Partner fürs Leben fand. Dabei hat es an Offerten nicht gemangelt: David Bowie, Mick Jagger, Iggy Pop und selbst Marlon Brando standen Schlange - doch sie konnte sich nie zu Ehe und Familie durchringen:
"Es hat nicht sollen sein. Und ich hatte auch nie das Gefühl, dass ich besonders gut darin wäre. Mehr noch: Ich habe mich regelrecht davor gefürchtet - für mich schien das einfach nicht natürlich."
Weshalb ihre Familie immer Blondie blieb - über Jahrzehnte hinweg, die von Höhen wie Tiefen, zwischenzeitlicher Trennung und Solo-Ausflügen, aber auch Ausdauer und stilistischer Vielfalt geprägt waren. Und die für immer mit New York sowie der globalen Kunst- und Party-Szene verbunden sein wird. Eben dank atemberaubender Outfits und unvergesslichen Songs.
Heute feiert Debbie Harry ihren 70. Geburtstag - genau so, wie man es von ihr erwartet:
"Ich hoffe, es wird richtig gut - mit einer tollen Party. Und einem tollen Mann. Also jemand Nettes mit einem Sinn für Humor und einer Vorliebe für Sex. Was könnte man mehr verlangen?"