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Debüt-CD des franz ensemble
Eleganter, neuer Schwung

Ausgefallene Kammermusik möchte das franz ensemble präsentieren, z.B. vom Komponisten und Beethoven-Schüler Ferdinand Ries. Doch mit der Debüt-CD gelingt dem Ensemble mehr als eine bloße Repertoire-Erweiterung.

Am Mikrofon: Klaus Gehrke |
    Mitglieder des franz ensemble stehen in einem fabrikähnlichen Raum mit Sprossenfenstern und lächeln in die Kamera
    Von Mitgliedern der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen gegründet: Das franz ensemble (v.l.: Kiveli Dörken (p), Maximilian Krome (kl), Sarah Christian (vl), Tristan Cornut (vc), Rie Koyama (fg), Juliane Bruckmann (kb), und Yuko Hara (vla)) (Daniel Feistenauer)
    Sie wollen "Konventionen hinterfragen, Regeln auflockern und wandelbar machen", sie wollen "musizieren, losgelöst von äußeren Vorgaben und inneren Zwängen" - so beschreiben die Mitglieder des franz ensembles die neue Art ihres Musizierens. Im Fokus steht dabei insbesondere ausgefallene Kammermusik. Vor kurzem ist beim Label Musikproduktion Dabringhaus und Grimm die Debüt-CD des Ensembles erschienen, das sich darauf mit wenig bekannten, aber sehr interessanten Werken von Ferdinand Ries vorstellt.
    Musik: Ferdinand Ries, Trio für Violine, Viola und Violoncello e-moll, WoO 70 Nr. 2, 1. Satz - Allegro
    Zwar war Ferdinand Ries 14 Jahre jünger als Ludwig van Beethoven, dennoch gibt es zu dem berühmten Kollegen zahlreiche Verbindungen. Beide Familien lebten in Bonn und die Väter musizierten gemeinsam in der Hofkapelle des Fürstbischofs. Franz Anton Ries, der Konzertmeister der Kapelle, unterrichtete den jungen Beethoven im Violinspiel und kümmerte sich um ihn, als sich dessen familiäre Situation durch die Trunksucht des Vaters zuspitzte. Vermutlich erinnerte sich der in Wien verehrte Komponist an diese Situation, als der 19-jährige Ferdinand Ries 1803 mit einem Empfehlungsschreiben vor ihm stand.
    Beethovens Assistent - und Solist
    In den folgenden zwei Jahren lernte er bei Beethoven nicht nur Kompositionstechnik: Gleichzeitig arbeitete Ries als dessen Privatsekretär, übernahm Korrespondenzen mit Verlegern, erledigte Botengänge, kümmerte sich um eine neue Wohnung für den Komponisten und begleitete ihn bei seinen Sommeraufenthalten. 1804 spielte er bei der Uraufführung von Beethovens drittem Klavierkonzert den Solopart und begründete damit seinen Ruf als Pianist. Möglicherweise ist das Streichtrio in e-Moll, WoO 70,2 in dieser Zeit entstanden, das in seiner Satzabfolge und in manchen musikalischen Details an die späten Werke Joseph Haydns erinnert. Allerdings weisen beispielsweise im Finale die motivischen Verknüpfungen und mitunter plötzlichen harmonischen Brüche eher auf eine spätere Entstehungszeit hin.
    Musik: Ferdinand Ries, Trio für Violine, Viola und Violoncello e-moll, WoO 70 Nr. 2, 4. Satz - Finale: Vivace
    Das war ein Ausschnitt aus dem Finale des Trios e-Moll für Violine, Viola und Violoncello von Ferdinand Ries mit Sarah Christian, Yuko Hara und Tristan Cornut. Die Geigerin und der Cellist haben mit der Kontrabassistin Juliane Bruckmann, dem Klarinettisten Maximilian Krome und der Fagottistin Rie Koyama eines gemeinsam: Alle fünf musizieren in stimmführender Position in der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen und waren in den vergangenen Jahren beim renommierten ARD-Wettbewerb erfolgreich. Juliane Bruckmann, Rie Koyama und Maximilian Krome sind zudem auch Mitglieder der Bläsersolisten, einem weiteren Ensemble der Kammerphilharmonie, das sich dem vielfältigen Bereich der Harmoniemusik widmet. Für die Gründung der neuen Formation franz ensemble vor rund eineinhalb Jahren holten die fünf mit der Bratschistin Yuko Hara und der Pianistin Kiveli Dörken zwei weitere junge Spitzenmusikerinnen dazu. Wer oder was hinter dem Namen steht, bleibt unbekannt; darüber erfährt man im Booklet leider nichts.
    Vielfältig, aber unbekannt
    Die Werke von Ferdinand Ries, die das franz ensemble für seine Debüt-CD ausgewählt hat, gehören zu der weniger bekannten Kammermusikliteratur. Dabei macht gerade die Kammermusik den größten Teil in seinem durchaus umfangreichen Oeuvre aus. So komponierte Ries unter anderem 26 Streichquartette, 50 Instrumentalsonaten mit Klavierbegleitung sowie Trios bis Septette mit und ohne Klavier. Eine besonders aparte Besetzung sieht sein Sextett in g-Moll, op. 142 vor: Neben Klarinette, Horn, Fagott und Kontrabass wird neben dem Klavier als zweites "Akkordinstrument" eine Harfe verlangt.
    Musik: Ferdinand Ries, Sextett für Harfe, Klavier, Klarinette, Fagott, Horn und Kontrabass g-moll, op. 142, 1. Satz - Allegro ma non troppo
    Ein Ausschnitt aus dem ersten Satz des Sextetts op. 142 von Ferdinand Ries mit Mitgliedern des franz ensembles sowie der Harfenistin Emily Hoile und dem Hornisten Jonathan Wegloop.
    Technisch perfekt und nuancenreich
    Hier wie auch in den anderen eingespielten Werken setzen die jungen Musikerinnen und Musiker ihre künstlerischen Maximen wie Respekt vor dem Komponisten und grenzenlose, leidenschaftliche, bedingungslose Liebe zur Musik eindrucksvoll um: Sie spielen technisch perfekt und arbeiten dabei überaus sensibel und nuanciert die Spannungsbögen und feinen Melodielinien heraus. Ihre Interpretationsweise hebt sowohl die klassischen Strukturen im satztechnischen Aufbau von Ries‘ Werken sowie die harmonisch schon deutlich spürbare Hinwendung zur Romantik in Form von mitunter schroffen Tonartwechseln hervor. Temperamentvolle und durchaus virtuose Spielfreude zeigt das franz ensemble vor allem in den schnellen Sätzen wie beispielsweise im Rondo des Sextetts.
    Musik: Ferdinand Ries, Sextett für Harfe, Klavier, Klarinette, Fagott, Horn und Kontrabass g-moll, op. 142, 3. Satz - Rondo: Allegretto
    In London, wo das Sextett 1814 entstand, wirkte Ries als angesehener Klavierlehrer und war auch für die Philharmonic Society tätig. In deren Auftrag bestellte er 1817 bei seinem ehemaligen Lehrer Beethoven die neunte Sinfonie. Die Verbindung zur Philharmonic Society hatte auch Auswirkungen auf sein eigenes Schaffen: Sechs seiner insgesamt acht Sinfonien sowie zwei Klavierkonzerte komponierte er in London.
    Verkapptes Klavierkonzert
    Im Frühjahr 1816 schrieb Ries dort auch das Oktett As-Dur op. 128 für Klavier, Klarinette, Horn, Fagott, Violine, Viola, Violoncello und Kontrabass - sein von der Besetzung her größtes Kammermusikwerk. Streckenweise hat man den Eindruck, dass es sich hier eher um ein kleines Klavierkonzert handelt, denn gerade dieser Part ist überaus virtuos gesetzt. Vor allem im ersten Satz scheint Ries sich an Beethovens fünftem Klavierkonzert orientiert zu haben. Hier kann Kiveli Dörken mit großen Akkordkaskaden und wunderbar perlenden Läufen brillieren, ihre Kolleginnen und Kollegen begleiten sie mit Verve und elegantem Schwung.
    Musik: Ferdinand Ries, Oktett für Klavier, Klarinette, Horn, Fagott, Violine, Viola, Violoncello und Kontrabass As-Dur, op. 128, 1. Satz - Allegro
    Zwar feierte Ries als Pianist und Komponist in Wien, London, Paris, Stockholm, St. Petersburg oder auch in Frankfurt, wo er 1838 starb, große Erfolge. Dennoch wurde ihm oft vorgeworfen, er sei ein Epigone im Schatten Beethovens und seinen Werken fehle wirkliche Originalität. Dieses Urteil begünstigte im 19. Jahrhundert das fast völlige Vergessen seines umfangreichen Oeuvres.
    Wiederentdeckung erwünscht
    Erst in den vergangenen Jahrzehnten wurde die kompositorische Meisterschaft von Ferdinand Ries musikwissenschaftlich gewürdigt. Stilistisch beschritt er einen interessanten eigenen Weg von der Klassik in die Romantik. Viele seiner Werke harren noch der Wiederentdeckung. Insofern ist die sehr gelungene Debüt-CD des franz ensembles gleichzeitig auch eine willkommene Bereicherung des Kammermusikrepertoires.
    Musik: Ferdinand Ries, Oktett für Klavier, Klarinette, Horn, Fagott, Violine, Viola, Violoncello und Kontrabass As-Dur, op. 128, 3. Satz - Rondo: Allegretto
    Ferdinand Ries: Chamber Music
    franz ensemble
    Label: Musikproduktion Dabringhaus und Grimm