Archiv

Debüt von Juliana Daugherty
Kein Licht in Sicht?

Folk-Musikerinnen, die über Depressionen oder Panikattacken singen, gibt es inzwischen einige. Neu in diesem Kreis ist die 29-jährige US-Amerikanerin Juliana Daugherty. Folkmusik findet sie eigentlich uncool und befürchtet, mit ihren Songs allein eine ältere Zielgruppe zu erreichen.

Von Kerstin Poppendieck |
    Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
    Juliane Daughertys erstes Album heißt "Light" (Tom Daly)
    "Ich finde schon, dass mich das etwas uncool macht. Es hat zwar nicht unbedingt was mit dem Alter zu tun, aber Folkmusik ist eben beliebter bei älteren Leuten. Frauen mit Gitarren sind vor allem bei denen angesagt."
    Juliana Daugherty steckt in einem Dilemma. Grundsätzlich ist sie gern eine Gitarrespielende Folkmusikerin, aber sie möchte mit ihrer Musik auch jüngere Menschen erreichen. Und vor allem möchte sie auf gar keinen Fall in eine Schublade gesteckt werden. Geboren in einer Kleinstadt in North Carolina sah es anfangs so aus, als würde sie eine klassische Musiklaufbahn einschlagen. Als Tochter von Berufsmusikern spielte sie schon frühzeitig verschiedene Instrumente. Doch es dauerte eine ganze Weile, bis Juliana Daugherty bereit war für eine professionelle Musiklaufbahn. Erst mal zog sie nach Charlottesville und studierte Lyrik.
    Poetische Lieder mit tiefsinnigen Texten
    In Charlottesville angekommen, begann Daugherty schon bald in verschiedenen Bands zu spielen. Jetzt war es nur noch eine Frage der Zeit, bis sie eine Gitarre in die Hand nahm und eigene Lieder schrieb. Im Mittelpunkt stand dabei von Anfang an ihre leicht raue, wunderschöne Stimme, die poetische Lieder mit tiefsinnigen Texten singt. Die Erfahrungen aus ihrem Lyrik-Studium haben ihr beim Schreiben dieser Texte geholfen.
    "Na klar, habe ich die Techniken des Gedichteschreibens auch bei meinen Liedtexten angewendet. Aber grundsätzlich sind das zwei sehr unterschiedliche Prozesse. Ein Gedicht zu schreiben ist für mich eher wie eine Melodie zu schreiben. Die Songtexte nehmen dann eher die Stimmung auf, die die Musik schon hat. Und die Texte müssen in die Struktur des Rhythmus passen!"
    Juliana Daugherty 2018 in Jeansjacke und mit offenen langen braunen Haaren
    Die Erfahrungen aus ihrem Lyrik-Studium haben der Musikerin beim Schreiben ihrer Texte geholfen (Tom Daly)
    Und Reime sind Juliana Daugherty wichtig. Das war auch einer der Gründe, warum sie sich für den Albumtitel "Light", "Licht" entschied. Light reimt sich auf viele Wörter, sagt sie mit einem Lächeln. Light, fight, bright, allright – zum Beispiel. Außerdem fand sie den Gegensatz zwischen Albumtitel und Songinhalten reizvoll. Denn anders als der Titel "Licht" verspricht, singt Juliana Daugherty von Depressionen, düsteren Gedanken und Selbstzweifeln. Wie alleine und hilflos man sich während der schlimmsten Krankheitsschübe fühlt, selbst wenn man in den Armen eines geliebten Menschen liegt. Persönliche Texte ohne aber zu sehr zu entblößen.
    Gesungene Psychotherapie?
    So zart und zerbrechlich kommen manche ihrer Lieder daher, dass man Angst hat sich zu bewegen, um den besonderes Moment, den die Musik erzeugt, nicht zu zerstören. So privat die Liedinhalte auch sind, für Juliana Daugherty sind sie wichtig, um das Thema Depression greifbarer zu machen. Es geht ihr nicht vordergründig darum, mit ihrer Musik Trost zu spenden oder eine gesungene Psychotherapie zu bieten. Vielmehr will sie mit dem Stigma, dass nach wie vor mit Depressionen verbunden ist, aufräumen.
    "Ich hab keine Lust, eine wage, verschwobelte Antwort zu geben, wenn mich Menschen fragen, worum es in meinen Liedern geht. Ich bin lieber ehrlich. Trotzdem würde ich mich nie als Sprecherin zum Thema Depressionen sehen. Dafür habe ich viel zu wenig Ahnung. Ich schreibe eigentlich immer über das, was mich gerade beschäftigt. Das ist meine Strategie. Ich schreibe, um Probleme aufzuarbeiten."
    Ihre Sorge, mit dieser Musik eher eine ältere Zielgruppe zu erreichen, ist unbegründet, denn sowohl ihre Themen als auch die musikalische Umsetzung sind zeitgemäß und werden eher eine jüngere Zielgruppe ansprechen. Der Fokus liegt auf akustischer Musik mit subtilen elektronischen Einsprengseln. Juliana Daugherty hat mit "Light" ein Debütalbum vorgelegt, das zwar den Titel "Licht" trägt, aber eher Dunkelheit und Melancholie in wunderbare filigrane Musik verpackt, die trotz ihrer leisen Töne lange nachwirkt.