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Debüt von Nilüfer Yanya
Eine andere Seite des Rock

Nilüfer Yanya ist mit der Rockmusik ihrer älteren Schwester aufgewachsen. Als Teenager gründete sie ihre eigene Rockband und spielte die E-Gitarre. Auf ihrem Debüt entwickelt die 23-Jährige nun ihre eigene Stimme und bringt den Rock in eine zeitgemäße Form – fern von männlich geprägten Klischees des Genres.

Von Juliane Reil |
Nilüfer Yanya 2019
Die Frau, die sich nicht drängeln lässt: Nilüfer Yanya (Hollie Fernando)
"Ich liebe den Sound der E-Gitarre. Ich wollte dieses Instrument immer spielen, weil es cool klingt. Ich denke, es ist ein ziemlich ausdrucksstarkes Instrument."
Nilüfer Yanya. Mit elf, zwölf Jahren hält sie ihre erste E-Gitarre in der Hand und bringt sich das Gitarrespielen selbst bei. Wenig später als Teenager gründet sie ihre erste Rockband. An ihrer Schule in London ist Dave Okumu – Gitarrist der englischen Alternative-Rockband The Invisible – ihr Musiklehrer. Er fördert und betreut die Schülerband. Mit ihrer älteren Schwester hört Nilüfer Rockmusik von Bands wie den Pixies, den Libertines oder den Strokes.
Jazz und Popmusik gehen verstärkt eine musikalische Liason ein
Meistens also Musik von Männern. Bis ihr das irgendwann nicht mehr reicht: "Ich war richtig gelangweilt von Gitarrenmusik und weißer Rockmusik, als ich 16 war. Deshalb begann ich damals, andere Musik zu hören. Das erste, an das ich mich erinnere, war das Debütalbum von Amy Winehouse. Ich dachte: 'Wow, das ist ziemlich cool, warum habe ich das nicht früher gehört?' Danach fing ich an, auch ältere Jazzplatten zu hören. Zum Beispiel viel von Nina Simone. Eigentlich all das, was ich bis dahin nicht gehört hatte."
Nilüfer Yanya 2019
Trotz Krone keine Prinzessin: Nilüfer Yanya (Molly Daniel)
Seit dem letzten Jahr gehen Jazz und Popmusik wieder verstärkt eine musikalische Liason ein. Poplabels nehmen Jazzer unter Vertrag. Und Jazzer - wie etwa der amerikanische Saxophonist Kamasi Washington - integrieren in ihre Musik Popelemente aus dem Hiphop und Soul. Dass Pop Jazz wieder stärker entdeckt, ist womöglich auch mit der Sehnsucht nach einem neuen Sound verbunden: weg vom Synthesizer-Einheitsbrei und luftigen Gitarren, zurück zu einem klar definierten akustischen Klang aus einzelnen charakteristischen Instrumenten.
Wie im Jazz setzt Yanya ihre Stimme – anders als in einer klassischen Rockband – als ein Instrument neben anderen ein. Die Songs auf ihrem Debüt kreisen um Liebe, Verlust und Identität. Es geht darum, einen Platz für sich in der Welt zu finden. "Miss Universe" ist jedoch kein Konzeptalbum mit einem vorgefertigten Plan. Im Nachhinein wiesen die Lieder jedoch einige Bezugspunkte auf. Deshalb entschied sich die 23- Jährige, die nicht viele Worte macht, aber diese mit Bedacht wählt, für vier Interludes, die den Songs einen Rahmen geben. Dieser Rahmen ist "Miss Universe": die Hotline-Stimme eines imaginierten Unternehmens für Wellness und Gesundheit.
Kritikerin der modernen Konsumgesellschaft
"Eigentlich mache ich mich fast ein bisschen lustig darüber, wie wir heutzutage die unterschiedlichsten Sachen kaufen oder sie uns verkauft werden. Dinge, die uns eine bessere Gesundheit oder insgesamt ein besseres Leben versprechen. Im Extrem gaukelt man uns ja sogar vor, glücklicher zu sein in der optimierten Version von uns selbst. Es geht darum, wieviel das bereits unser Leben bestimmt, aber auch, wie es uns davon abhält, das zu tun, was wir eigentlich machen wollen: Wir shoppen zum Beispiel ein Produkt, das wir eigentlich gar nicht brauchen."
Damit ist das Album der jungen Londonerin auch eine Kritik an der modernen Konsumgesellschaft. Ständig sind wir von Werbung umgeben. Verkaufen will aber auch die Popmusik. Diese kommerzielle Seite des Pop reflektiert Yanya mit. Sie hat ihren Platz als Musikerin gefunden. Das spiegelt sich auch in der Dramaturgie des Albums wieder. Nach einer krachigen, punkigen Gitarre zu Beginn des Albums wird das Instrument im Verlauf des Albums ruhiger und steht zum Schluss allein neben dem Gesang.
Nilüfer Yanya 2019
Gegen besinnungslosen Konsum und Bling-Bling: Nilüfer Yanya (Nils)
Es ist schön, 2019 eine selbstbewusste junge Künstlerin mit Gitarre zu hören, die etwas zu sagen hat und sich vom äußeren Popzirkus nicht verrückt machen lässt: "Es gab viel Hektik und Panik um mich herum: 'Wo bleibt Deine Musik?', oder 'Du musst das machen, schnell!', oder 'Niemand wird dich wahrnehmen, dann wirst Du sterben'. Dummes Zeug wie das hat man mir gesagt. Aber es gibt keinen Grund, etwas zu überstürzen. Ich denke, wenn man sich wirklich die Zeit nimmt, verhindert man, dass jemand Dich drängelt – aber Du musst Dir eben wirklich die Zeit nehmen."
Nilüfer Yanya auf Tour:

17. April 2019: Hamburg – Prinzenbar
18. April 2019: Berlin – Berghain Kantine
22. April 2019: München – Ampere
25. April 2019: Köln – Blue Shell