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Debüt von Tom Schilling
"Ein bisschen narzisstisch ist es auch"

Schauspieler Tom Schilling versucht sich nun auch als Sänger und Songschreiber. Sein Debütalbum "Vilnius" ist geprägt von melancholischen und selbstbespiegelnden Texten und Musik in der Traditionslinie von Weill bis Element of Crime. Für das Platten-Cover durfte Schilling, der selbst mal Maler werden wollte, ein Bild von Gerhard Richter verwenden.

Tom Schilling im Corsogespräch mit Fabian Elsäßer |
    Der Schauspieler und Musiker Tom Schilling in der WDR Kultursendung Westart live im WDR Filmhaus in Köln am 24.04.2017.
    Der Schauspieler und Musiker Tom Schilling schreibt wenig Musik - er hat ja sonst noch viel zu tun, erzählt er im Corsogespräch. (imago / Future Image)
    Fabian Elsäßer: "Kein Liebeslied", wie aus dem Text schon zu hören war, und so hieß auch dieser Titel von Tom Schilling und den Jazz Kids: "Kein Liebeslied" aus dem Debutalbum "Vilnius", das kürzlich erschienen ist. Und jetzt ist der Sänger bei uns im Studio. Willkommen zum Corsogespräch, Tom Schilling.
    Tom Schilling: Hallo. Vielen Dank für die Einladung.
    Elsäßer: Bitter, zornig, romantisch, einsam. Habe ich ein Gefühl vergessen, was uns aus diesem Album heraus anfliegen soll?
    Schilling: Ja, ich sage immer, ehrlicherweise, das ist auch ein bisschen so eine melancholische Selbstbespiegelung. Also ein bisschen narzisstisch ist es auch, muss man sagen.
    Elsäßer: Inwiefern?
    Schilling: Dass sich das Album natürlich - dadurch, dass ich jetzt kein geübter Songwriter bin, der eine große Themenvielfalt hat oder so - schon eher um mich selber kreist. Ja, also das ist immer der Dreh- und Angelpunkt von jedem Song.
    Wir haben noch länger mit Tom Schilling gesprochen - hören Sie hier die Langfassung des Corsogesprächs
    Elsäßer: Aber ist das nicht etwas, was man ganz oft in der Kunst findet? Also gerade auch in der Romantik - das Bespiegeln des eigenen Gefühlslebens. Und das ist auch das, was wir gerne hören.
    Schilling: Absolut, ja. Das ist natürlich immer toll, wenn es trotzdem so offen bleibt, dass es eine große Projektionsfläche gibt. Also die Kunst, die ich toll finde, die entsteht immer aus den Menschen, die sie machen, aus ihrem Selbst heraus und ist sehr, sehr persönlich und nah.
    Elsäßer: Und meistens aus dem Leiden wahrscheinlich.
    Schilling: Wahrscheinlich, ja.
    "Ich schreibe wenig - und es dauert immer eine Weile"
    Elsäßer: Diese neue Rolle als Musiker, die kommt gar nicht so von ungefähr. Sie machen das so für sich schon eine ganze Weile. Trotzdem sagten Sie gerade, Sie sind kein geübter Songschreiber. Wie leicht fällt Ihnen das Texten?
    Schilling: Ziemlich schwierig. Also ich schreibe wenig und es dauert immer eine Weile irgendwie. Ich habe ja natürlich noch viele andere Dinge zu tun und deswegen bin ich nicht so konsequent, dass ich mich wirklich hinsetze und versuche, zu schreiben, sondern nur schreibe, wenn mir wirklich was einfällt. Und das passiert nicht so oft. Wenn die Idee dann aber gut ist, dann fällt es mir doch ziemlich leicht und dann habe ich da große Freude daran, wenn was entsteht.
    Elsäßer: Ich habe eine kleine Überraschung gehabt beim Betrachten der Songliste und beim Hören des Albums: Da ist ein echter Chanson-Klassiker drauf, nämlich "Kinder" von Bettina Wegner mit der berühmten Zeile "sind so kleine Hände". Das ist offenbar ein wichtiges Lied für Sie?
    Schilling: Ja. Ich glaube, es ist ja eher so ein Protest- und ein politisches Lied, ja, gerade mit der letzten Zeile, die da heißt: "Grade klare Menschen, wär'n ein schönes Ziel, Leute ohne Rückgrat, hab'n wir schon zuviel". Ich habe das Lied mal entdeckt und fand eigentlich, dass das so sich sehr gut in die Thematik unseres Albums einfügt. Es geht vor allem viel um Kindheit. Und dann habe ich auch dieses Lied manchmal live gesungen und habe die letzte Zeile weggelassen, weil ich fand irgendwie, dass es so ein bisschen outdated ist und dass es sehr in der DDR auch verhaftet ist.
    Elsäßer: Es stammt von 1976.
    Schilling: Ein sehr politisches Lied. Und mittlerweile irgendwie denke ich wieder, nein, das ist eigentlich ganz aktuell und man kann diese letzte Zeile sehr, sehr gut mitsingen, ja.
    Wunschberuf Maler
    Elsäßer: Schauspiel, Musik. Es gibt noch eine dritte große, künstlerische Leidenschaft im Leben des Tom Schilling, nämlich Malerei. Das war sogar mal Ihr Wunschberuf, habe ich neulich gelesen.
    Schilling: Ja, die Schauspielerei war nie was, was ich aus freien Stücken machen wollte. Also ich habe das als Hobby angesehen, und das hat mich sehr geprägt. Ich habe mit zwölf ernsthaft angefangen, Theater zu spielen am Berliner Ensemble und im weiteren Verlauf dann auch angefangen, Filme zu drehen und so. Aber eigentlich habe ich das immer nur gemacht, weil man mir das Gefühl gegeben hat, dass ich das ganz gut kann. Und aus mir selbst heraus wollte ich Maler werden. Irgendwie hat die Schauspielerei das aber überholt und seitdem betreibe ich das auch gar nicht mehr.
    Elsäßer: Also Sie haben auch das Bild für Ihr Album nicht selber gemalt, sondern haben sich da nun ausgerechnet den erfolgreichsten deutschen Maler der Gegenwart gesucht, nämlich Gerhard Richter und haben sich ein Seestück von ihm für das Albumcover von "Vilnius" ausgesucht. Haben Sie ihn lange überreden müssen? Das macht er nämlich nicht oft.
    Schilling: Ich habe auf jeden Fall sehr, sehr lange darüber nachgedacht, wie ich diesen Brief formuliere. Und da ist ein ganzer Urlaub für mich flöten gegangen. Ich weiß noch, ich war da auf Fuerteventura und wollte mich eigentlich entspannen, aber habe die ganze Zeit überlegt, wie dieser Brief gehen könnte und habe den, ja, sehr wohl formuliert, glaube ich. Und der hat ihn dann doch überzeugt.
    "Ich mag Richter total gerne"
    Elsäßer: Ist das Ihr Lieblingsmaler?
    Schilling: Puh. Ich bin echt eigentlich so ein bisschen wirklich raus. Und ich mag Richter total gerne. Insofern ist das von den wenigen, mit denen ich mich ernsthaft beschäftigt habe, sicherlich der Interessanteste, weil er eigentlich nie ein Maler war, der in der Mode war, sondern er war immer konträr, hat eigentlich immer das Gegenteil von dem gemacht, was die anderen gemacht haben, was ich auch ganz toll finde bei Richter. Und deswegen hat sich dieses Seestück auch so gut angeboten für unser Cover, ist dieser große Bezug zur deutschen Romantik. Er ist ein großer Fan von Caspar David Friedrich und ich bin auch großer Fan öffentlich - wie mir jetzt aufgefallen ist, als ich dann das Album so fertig gehört habe - sprachlich von der deutschen Romantik. Und das geht schon sehr eng und gut zusammen.
    Elsäßer: Sie sprachen gerade von dem Konträren, von dem Unerwarteten, was Richter macht. Das trifft auch ein bisschen auf Ihre Karriere zu oder? Und auch auf das, was Sie gespielt haben. Könnte man sagen, oder? Sie lassen sich nicht gerne pressen.
    Schilling: Es wird ja immer echt versucht, und selbst für mich gibt es dann wahrscheinlich schon die Schublade des Konträren und desjenigen, der irgendwie so ein bisschen andere Wege geht und so Antirollen spielt oder so. Ich sehe das selten so strategisch, sondern ich mache das, was aus mir herauskommt und was mich selber berührt. Ja, und das bin dann ich wahrscheinlich.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.