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Dem biblischen Alltagsleben auf der Spur

Auch östlich des Jordans ereigneten sich jene Geschichten, die im Alten und Neuen Testament der Bibel erzählt werden. Seit über 100 Jahren betreibt die Evangelische Kirche Deutschlands in Jordanien ein Institut, das die biblische Geschichte mithilfe der Archäologie oder Ethnologie erforscht.

Von Wolfram Nagel |
    "Was wir hier sehen, das stammt eben aus dem Haushalt der Leute, die in der Bibel auftreten."

    So die Archäologin Jutta Häse. Sie leitet das Deutsche Evangelischen Instituts für Altertumswissenschaft in Amman.

    "In der Bibel erfahren wir wenig darüber, wie die Leute gegessen haben, was für Geschirr sie hatten, wie sie gewohnt haben. Manchmal gibt es Hinweise, das ist ein Aspekt, den wir eben durch die Archäologie versuchen zu klären. Das Alltagsleben, ja die Lebenswelt dieser Personen, die in der Bibel vorkommen."

    Ursprünglich wurde die archäologische Forschung im Ostjordanland vom Deutschen Evangelischen Institut in Jerusalem aus betrieben. Die dortige Einrichtung gibt es bereits seit Beginn des 20. Jahrhunderts. Als jedoch im Sechstagekrieg von 1967 die Verbindungswege zwischen Ostjerusalem und Jordanien abgeschnitten wurden, beschloss die Evangelische Kirche in Deutschland, in Amman ein neues Institut zu gründen. Nur so konnte die begonnene Arbeit östlich des Jordans fortgesetzt werden.

    "Wir sind natürlich hier in einem ganz großen biblischen Raum. Wenn man die biblische Zeit nimmt, dann war der Jordan nie eine Grenze, sondern immer diesseits und jenseits des Jordan war Heiliges Land. Und nun je nach der Zeit war dann hier in Amman waren die Amoniter in AT-Zeit, da kommt auch der Name her, Amman, weiter südlich lebten die Moabiter und die Edomiter, von denen im AT viel die Rede ist. Mal waren sie verbündet, mal waren sie bittere Feinde. Und weiter nördlich von uns war das Land Gilead, das viele Zeit den Israeliten gehörte und praktisch östliches Territorium des Nordreiches Israel war."

    Sagt Prof. Dieter Vieweger vom Bibelarchäologischen Institut der Universität Wuppertal. Der Theologe und Archäologe ist gleichzeitig leitender Direktor des Deutschen Evangelischen Instituts in Jerusalem und Amman.

    "Also, der Jordan ist heute eine Grenze, das prägt sich vielen Leuten ein. Aber wer dieses Gebiet als eine Kultur begreifen will, der muss natürlich heute zwei Institute haben und von beiden Seiten forschen, nämlich die eine Kultur."

    Ob in Jerusalem oder Amman, die protestantischen Altertumsforscher sehen sich ganz in der Tradition des Herrnhuter Theologen Gustav Dalmann – ein Wegbereiter der modernen Bibelarchäologie und - Ethnologie in Palästina.

    "Dalmann ist eben seit 1903 jedes Jahr mit seinem Lehrkurs, also mit Stipendiaten aus Deutschland, mit deutschen Professoren hier durch die Gegend gereist, und er ist stets durch das Ostjordanland gereist. Er ging von Jerusalem aus, da war natürlich sein Institut, aber er ist immer bis zum See Genezareth gereist, viele, viele Male in den Süden Syriens hinein, das genauso Heiliges Land ist, und immer durch das Ostjordanland, da wo der Prophet Elia her kam, da, wo die Geschichten der Erzväter eben auch spielen und da, wo auch Jesus lang gelaufen ist."

    Das Deutsche Evangelische Institut in Amman war in den vergangenen Jahrzehnten an verschiedenen archäologischen Ausgrabungen in Jordanien beteiligt, so zum Beispiel in der römischen Ruinenstadt Gadara bei Umm Qais östlich des See Genezareth. Ganz aktuell wird auf dem benachbarten Tall Zira'a im Wadi al Arab gegraben– ein Siedlungshügel, in dessen Lehm- und Steinschichten sich mehr als 8000 Jahre Siedlungsgeschichte bewahrt haben.

    "Das jordanische Königshaus ist sehr an Archäologie interessiert. Das ist natürlich für unsere Arbeit hier ganz positiv. Prinz Hassan hat die Patronage über unsere Grabung übernommen. Der Tourismus ist hier ein ganz wichtiger Wirtschaftsfaktor. Zu den touristischen Stätten gehören eben gerade nicht nur die islamischen Stätten, sondern eben auch die vorislamischen Stätten."

    Wie zum Beispiel Petra im Süden des Landes, das antike Philadelphia in Amman oder die römische Stadt Gerasa. Eine sehr enge Zusammenarbeit gebe es mit dem Deutschen Archäologischen Institut und mit den in Amman tätigen Kollegen aus den USA und Großbritannien, sagt Jutta Häse. Dabei biete das Institut auch Arbeitsmöglichkeiten für jordanische Kollegen:

    "Wir stehen jetzt gerade in der Bibliothek und man sieht auch, dass wir gut ausgestattet sind. Wir haben hier etwa 11.000 Bände. Selbstverständlich ist die Bibliothek ausgerichtet auf die Archäologie des Heiligen Landes. Manche Publikationen gibt es einfach nur hier bei uns in der Bibliothek. So haben eben auch unsere jordanischen Kollegen die Möglichkeit, hierher zu kommen und sich diese Bücher anzusehen."

    So fungiert das Deutsche Evangelische Institut in Amman eben auch als Vermittler zwischen den Kulturen und Religionen.

    "Die Archäologen haben eigentlich einen sehr guten Zusammenhalt. Mit der Archäologie und Geschichte kann man hier viele Leute noch zusammen bringen, die in anderen Bereichen schon gar nicht mehr zusammen kommen können. Es hilft natürlich sehr, so ein gegenseitiges Verständnis aufrecht zu erhalten und zu befördern."

    Doch die Arbeitsbedingungen seien in den vergangenen Monaten immer schwieriger geworden, sagt die Archäologin besorgt. Das Partnerinstitut in Syrien sei aufgrund des Bürgerkrieges schon nicht mehr besetzt.

    "Damaskus gehört ja zum Deutschen Archäologischen Institut und die Kollegen konnten einfach nach dem letzten Osterfest nicht zurückkehren und mussten erst mal ihre Arbeit dort aussetzen. Die Leiterin des Instituts hat erst mal hier ein Zuhause gefunden, hier in Amman."

    Und so hofft Institutsleiterin Jutta Häse, dass die wirtschaftliche und politische Situation in Jordanien einigermaßen stabil bleibt, damit die begonnenen Forschungsprojekte fortgesetzt werden können.

    "Wie können einfach nur unseren Teil tun, indem wir mit den Personen, mit denen wir hier zu tun haben, intensive Kontakte halten, einen intensiven Austausch pflegen. Das sind kleine Dinge, die wir tun können, aber ich denke, sehr wichtige Dinge in einer Zeit, die einfach sehr, sehr schwierig ist. Man wird sehen, wie sich die politische Situation hier weiter entwickelt."