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Dem Schall auf der Spur

Laut Umweltbundesamt klagt gut jeder dritte Bürger über Fluglärm. Leise Flugzeuge könnten da eine Lösung sein. Doch wie die Geräusche der Triebwerke genau entstehen, ist noch immer nicht vollständig bekannt. Mit Mikrofonen, Kameras und Ölpartikeln wollen Forscher des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt das nun herausfinden.

Von Piotr Heller |
    "Hallo Cockpit?"

    "Cockpit hört."

    "Klar für Triebwerk eins, zwo."

    "Ja, super Dankeschön. In einer Minute."

    Ein Lufthansa-Techniker und ein Ingenieur des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) schauen durch ein orange getöntes Fenster. Sie stehen in einer Messwarte, in der gerade mal ein Schreibtisch und zwei Stühle Platz haben. Durch das Fenster blicken sie in die Lärmschutzhalle des Hamburger Flughafens. Ein Jumbo-Jet würde hier reinpassen. Heute lässt nur ein Airbus A320 seine Motoren dröhnen. Es ist das Forschungsflugzeug ATRA. Die Männer sind per Funk mit der Crew im Cockpit verbunden.

    "ATRA an Messwarte, wir könnten die Triebwerke jetzt auf 50 Prozent hochfahren."

    "Messwarte, dann Run 0-3-4 mit 50 Prozent bitte."

    "Run 0-3-4 mit 50 Prozent."

    Wissenschaftler des DLR wollen Flugzeugtriebwerke leiser machen. Dazu müssen sie wissen, wie der Lärm entsteht. 248 Mikrofone entlang des Triebwerksstrahls messen die Geräusche. Mit diesem sogenannten Mikrophon-Array können die Forscher feststellen, wo welcher Ton herkommt. Projektleiter Andreas Schröder:

    "Schall entsteht zum einen im Triebwerk am Fan und im Verdichter, also im Einsaugbereich und in der Verbrennung. Und zum anderen im Freistrahl. Wesentlich für diese Schallentstehung sind die Geschwindigkeitsschwankungen und die Dichteschwankungen."

    Deutlich hörbar wird das auf den Aufnahmen des Mikrophonarrays. Vor dem Triebwerk dominiert das kreischende Geräusch des Fans, also jenes Rotors, der die Luft ansaugt und beschleunigt. Hinter dem Triebwerk ist dagegen vor allem der dumpfe Lärm der Dichte- und Geschwindigkeitsschwankungen im Strahl zu hören. Diese Schwankungen entstehen, wenn die heißen Abgase aus dem Kern des Triebwerks, und die kalte Luft, die durch den Fan beschleunigt wird, aufeinandertreffen.

    Die Mikrofone messen freilich nur das Ergebnis dieser Schwankungen: den Lärm. Um die Schwankungen an sich zu erfassen, braucht es optische Verfahren. Eines davon ist die Backround-Oriented Schlieren-Technik. Dabei positionieren die Forscher den Triebwerksstrahl zwischen einer Wand und Kameras.

    "Genau an dem Lichtweg zwischen den Kameras und der Wand ist der Triebwerksfreistrahl. Man sieht das hier. Die LEDs haben nur einen sehr, sehr kleinen Abstrahlwinkel, also es sind Scheinwerfer mit neun Grad Öffnungswinkel, die die Wand beleuchten. Und die Wand ist mit autoreflexiver Folie beklebt. Das Licht wird direkt in die Kameras zurückgeworfen."

    Die Dichteunterschiede des Strahls erzeugen ein Flimmern der Luft, wie über einer Kerzenflamme. Die Kamera fotografiert die Wand durch den eigentlich unsichtbaren Triebwerksstrahl hindurch und registriert so das Flimmern. Computersysteme berechnen daraus die Dichte der Luft. Auf diese Weise entsteht ein Video der Dichteschwankungen. Die Geschwindigkeit der Luft messen die Forscher mit einer PIV genannten Methode:

    "Mit dem PIV, also Particle Image Velocimetry, untersuchen wir kleinste Ölpartikelchen, die der Strömung folgen und aus denen wir lokal die Geschwindigkeitsvektoren bestimmen können. Und daraus die Schwankungen der Geschwindigkeit bestimmten."

    Aus dem so gewonnenen Wissen über die Luftströmung wollen die Forscher Computermodelle entwickeln:

    "Die Computermodelle, die es ermöglichen, die Strömung zu simulieren, sind wichtig, um Geometrieänderungen, die im Design von neuen Triebwerken erforderlich werden, direkt zu untersuchen im Hinblick auf die Schallentstehung und auf die Effizienz des Triebwerks."

    Flugzeuge sind in den letzten Jahren schon deutlich leiser geworden. Etwa durch die Chevron-Düse. Also eine zickzackförmige Hinterkante am Triebwerk, die die heißen Abgase besser mit der Umgebungsluft durchmischt. Dadurch und dank anderer Entwicklungen hat sich Fluglärm der 90 Dezibel Marke genähert, was dem Pegel einer stark befahrenen Straße entspricht. Mit den Erkenntnissen aus der Lärmschutzhalle in Hamburg sollen Flugzeuge diesen Wert in Zukunft klar unterschreiten.