Wir werden immer älter. "Wir" – das heißt die Menschen in den entwickelten Industrieländern. Deren Körper sind gut ernährt, medizinisch bestens versorgt und durch harte Arbeitsbedingungen weniger verschlissen. Bis 2050 soll deshalb hierzulande die durchschnittliche Lebenserwartung, die schon heute bei etwa 80 Jahren liegt, noch um fünf Jahre steigen.
"Der Hausarzt hat immer gesagt: Eure Omma - braucht ihr euch keine Sorgen machen - die hält ewig. Tatsache. Die war ja sogar gut zu Fuß. Aber verlaufen hat se sich."
Was der Kabarettist Georg Schramm bitterkomisch in seinem neuen Bühnenprogramm "Meister Yodas Ende - Über die Zweckentfremdung der Demenz" zum Thema macht, wird im Alltag immer deutlicher sichtbar werden: Nicht die körperliche, die geistige Verfassung schwächelt. Ab dem Alter von 65 Jahren steigt das Risiko, an Demenz zu erkranken deutlich an. Von den 90-Jährigen ist voraussichtlich jeder Dritte betroffen. Was bedeutet das für die Gesellschaft? Zunächst muss ein Tabu gebrochen werden, sagt Sabine Sütterlin, eine der Autoren der neuen "Demenz-Studie" des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung.
"Es geht drum, dass wir einfach akzeptieren: Es gibt Menschen unter uns und zwar in zunehmendem Ausmaß, die verwirrt sein können, die orientierungslos sein können, die komplett vergessen haben können, wo sie eigentlich zu Hause sind, die ihre eigenen Angehörigen teilweise nicht erkennen. Und das muss im Grunde Normalität werden. Das müssen wir akzeptieren wieder."
Doch die Angst vor dieser Entwicklung sitzt tief.
"Eine gewisse Verzweiflung, wenn man das Ende sieht oder sich vorstellt, wie es sein wird, dann könnte Verzweiflung eine Triebfeder sein für zielgerichtetes Handeln! Als Beispiel – ich habe eine repräsentative Umfrage gelesen: Jeder dritte Deutsche hat sich schon mal den Gedanken gemacht, ob er sich nicht besser umbringt, bevor er hier in Deutschland zum Pflegefall wird. Jeder Dritte."
Weil den geburtenstarken Jahrgängen in Deutschland ein starker Geburtenrückgang folgte, werden in 40 Jahren sehr viele sehr Alte da sein – darunter etwa, je nach Altersgruppe und Geschlecht 30 bis 40 Prozent Demenzkranke und sehr viel weniger Menschen, die für die Kranken sorgen können. Schon jetzt trifft es die östlichen Bundesländer hart, wo die Jungen abgewandert und die Alten übrig geblieben sind. Im sächsischen Hoyerswerda kommen auf 100.000 Einwohner derzeit 2190 Demenzkranke. Die Versorgung in Pflegeheimen überfordert viele Kommunen.
"Die Frau hat absichtlich die Lippen zusammen gepresst, wenn der Löffel kam. Im Heim. Ich hab gesagt. Omma, das kannste hier nicht bringen. Wir sind hier im Heim. Hier sind 50 Leute auf einer Etage und die sind zu zweit. Mach den Schnabel auf."
Das Leben in vielen Pflegeheimen, wo das Personal überfordert ist, wo die Zeit gar nicht da ist, um sich um die Patienten so zu kümmern, wie es notwendig wäre – wir müssen versuchen, dass sich das nicht noch ausweitet! Die Problemlage weitet sich mit Sicherheit aus, aber dies kann nicht die Lösung sein. Wir können nicht einfach alle Menschen an den Rand der Gesellschaft, sprich abschieben in diese Pflegeheime. Das ist unwürdig, das entspricht auch nicht den Bedürfnissen dieser Menschen und es ist schlicht und einfach auch nicht zu finanzieren. Pflegeheime für alle, die von Demenz betroffen sind, ist keine Option. Das wird nicht funktionieren.
Es müssen andere Versorgungsstrukturen gefunden werden, sagt Reiner Klingholz, Direktor des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung. Und zwar solche, die an die Verhältnisse in verschiedenen Regionen angepasst sind.
"Diese Fragen, diese Probleme, ob das die Schulversorgung in den Schrumpfregionen ist, ob das die Versorgung älterer Personen ist und so weiter, das muss alles auf der lokalen, auf der kommunalen Ebene geregelt werden. Anders kann es ja nicht geregelt werden. Und dafür brauchen die Verantwortlichen aber mehr Freiheiten. Sie brauchen die finanziellen Mittel, die vorhanden sind, über die sie selber verfügen können und zwar sehr viel flexibler als wir das heute über die Pflegekassen oder auch die Arzthonorare kennen. Damit eben lokale Lösungen entstehen können, die wir ja noch gar nicht kennen!"
In welche Richtungen die Lösungen auch immer gehen werden, klar ist: Sie erfordern mehr Engagement von allen. Die Autoren der im Internet zugänglichen Demenz-Studie wollen mit ihren Daten vor allem die Zivilgesellschaft wachrütteln.
"'"Es geht drum, dass alle wissen müssen, womit sie eigentlich umgehen und womit sie es zu tun haben. Beispiele: Polizisten müssen wissen, was tun wir, wenn eine Person herumirrt? Oder es kann in einer Bank passieren, dass Angestellte sich vielleicht wundern, dass vielleicht einer jeden Tag immer wieder kommt und einen relativ hohen Betrag abhebt. Dann müssen die wissen: Diese Menschen haben den Überblick verloren, was sie eigentlich genau wollen mit dem Geld. Und man kann das regeln.
Man kann mit den Angehörigen sprechen. Man muss gewisse Geheimhaltungsdinge muss man dann ein bisschen anders überlegen, aber man kann das jedenfalls regeln. Man kann beispielsweise auch, wenn man im Geschäft arbeitet, wo die alte Dame jeden Tag wieder fünf Tafeln Schokolade kauft, die Angehörigen ansprechen und sagen: Ihr könnt das zurückbringen. Ihr kriegt auch das Geld zurück. Das lässt sich alles regeln.""
Voraussetzung ist mehr Interesse aneinander, mehr Aufmerksamkeit, ein Leben in Beziehungen. Mit einer handfesten Portion Idealismus sollte man meinen, dass den heute 40- bis 50-Jährigen genau daran gelegen ist - weil sie ahnen, dass sie es sind, die eines Tages vielleicht umherirren.
"Also um die Babyboomer werden sich dann weniger kümmern können und deswegen tun sie gut daran – und die meisten wissen das -, dass sie eine Kultur schaffen müssen, wo dieses zivilgesellschaftliche Engagement sehr viel normaler wird als heute."
Es geht allerdings nicht um ein Engagement nur aus Mitleid. Der respektvolle Umgang mit dementen alten Menschen erfordert, dass die Gesellschaft den geistigen Wert des Alterns wieder aufwertet.
"Das ist ein ganz massiver Teil des Umdenkens. Wir haben ja gerade mal hinter uns die Phase des sogenannten Jugendwahns. Alles was nicht jung war, war nicht viel wert. Dazu gehören natürlich auch die ganzen unseligen Frühverrentungsprogramme, wo wir immer gelernt haben: Ab 55 bist du nichts mehr wert. Die Firmen haben nicht mehr in Weiterbildung investiert, die Menschen selber haben nicht mehr in ihre eigene Weiterbildung investiert.
Und jetzt merken sie plötzlich, dass das ein falscher Traum war. Wir werden natürlich länger berufstätig sein müssen, um den ganzen demografischen Wandel zu finanzieren. Wir werden länger gebraucht werden. Und das ist ein Umdenkprozess, der bis er richtig in der Gesellschaft angekommen sein wird, sicher eine Generation, sprich 30 Jahre erfordern wird."
"Der Hausarzt hat immer gesagt: Eure Omma - braucht ihr euch keine Sorgen machen - die hält ewig. Tatsache. Die war ja sogar gut zu Fuß. Aber verlaufen hat se sich."
Was der Kabarettist Georg Schramm bitterkomisch in seinem neuen Bühnenprogramm "Meister Yodas Ende - Über die Zweckentfremdung der Demenz" zum Thema macht, wird im Alltag immer deutlicher sichtbar werden: Nicht die körperliche, die geistige Verfassung schwächelt. Ab dem Alter von 65 Jahren steigt das Risiko, an Demenz zu erkranken deutlich an. Von den 90-Jährigen ist voraussichtlich jeder Dritte betroffen. Was bedeutet das für die Gesellschaft? Zunächst muss ein Tabu gebrochen werden, sagt Sabine Sütterlin, eine der Autoren der neuen "Demenz-Studie" des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung.
"Es geht drum, dass wir einfach akzeptieren: Es gibt Menschen unter uns und zwar in zunehmendem Ausmaß, die verwirrt sein können, die orientierungslos sein können, die komplett vergessen haben können, wo sie eigentlich zu Hause sind, die ihre eigenen Angehörigen teilweise nicht erkennen. Und das muss im Grunde Normalität werden. Das müssen wir akzeptieren wieder."
Doch die Angst vor dieser Entwicklung sitzt tief.
"Eine gewisse Verzweiflung, wenn man das Ende sieht oder sich vorstellt, wie es sein wird, dann könnte Verzweiflung eine Triebfeder sein für zielgerichtetes Handeln! Als Beispiel – ich habe eine repräsentative Umfrage gelesen: Jeder dritte Deutsche hat sich schon mal den Gedanken gemacht, ob er sich nicht besser umbringt, bevor er hier in Deutschland zum Pflegefall wird. Jeder Dritte."
Weil den geburtenstarken Jahrgängen in Deutschland ein starker Geburtenrückgang folgte, werden in 40 Jahren sehr viele sehr Alte da sein – darunter etwa, je nach Altersgruppe und Geschlecht 30 bis 40 Prozent Demenzkranke und sehr viel weniger Menschen, die für die Kranken sorgen können. Schon jetzt trifft es die östlichen Bundesländer hart, wo die Jungen abgewandert und die Alten übrig geblieben sind. Im sächsischen Hoyerswerda kommen auf 100.000 Einwohner derzeit 2190 Demenzkranke. Die Versorgung in Pflegeheimen überfordert viele Kommunen.
"Die Frau hat absichtlich die Lippen zusammen gepresst, wenn der Löffel kam. Im Heim. Ich hab gesagt. Omma, das kannste hier nicht bringen. Wir sind hier im Heim. Hier sind 50 Leute auf einer Etage und die sind zu zweit. Mach den Schnabel auf."
Das Leben in vielen Pflegeheimen, wo das Personal überfordert ist, wo die Zeit gar nicht da ist, um sich um die Patienten so zu kümmern, wie es notwendig wäre – wir müssen versuchen, dass sich das nicht noch ausweitet! Die Problemlage weitet sich mit Sicherheit aus, aber dies kann nicht die Lösung sein. Wir können nicht einfach alle Menschen an den Rand der Gesellschaft, sprich abschieben in diese Pflegeheime. Das ist unwürdig, das entspricht auch nicht den Bedürfnissen dieser Menschen und es ist schlicht und einfach auch nicht zu finanzieren. Pflegeheime für alle, die von Demenz betroffen sind, ist keine Option. Das wird nicht funktionieren.
Es müssen andere Versorgungsstrukturen gefunden werden, sagt Reiner Klingholz, Direktor des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung. Und zwar solche, die an die Verhältnisse in verschiedenen Regionen angepasst sind.
"Diese Fragen, diese Probleme, ob das die Schulversorgung in den Schrumpfregionen ist, ob das die Versorgung älterer Personen ist und so weiter, das muss alles auf der lokalen, auf der kommunalen Ebene geregelt werden. Anders kann es ja nicht geregelt werden. Und dafür brauchen die Verantwortlichen aber mehr Freiheiten. Sie brauchen die finanziellen Mittel, die vorhanden sind, über die sie selber verfügen können und zwar sehr viel flexibler als wir das heute über die Pflegekassen oder auch die Arzthonorare kennen. Damit eben lokale Lösungen entstehen können, die wir ja noch gar nicht kennen!"
In welche Richtungen die Lösungen auch immer gehen werden, klar ist: Sie erfordern mehr Engagement von allen. Die Autoren der im Internet zugänglichen Demenz-Studie wollen mit ihren Daten vor allem die Zivilgesellschaft wachrütteln.
"'"Es geht drum, dass alle wissen müssen, womit sie eigentlich umgehen und womit sie es zu tun haben. Beispiele: Polizisten müssen wissen, was tun wir, wenn eine Person herumirrt? Oder es kann in einer Bank passieren, dass Angestellte sich vielleicht wundern, dass vielleicht einer jeden Tag immer wieder kommt und einen relativ hohen Betrag abhebt. Dann müssen die wissen: Diese Menschen haben den Überblick verloren, was sie eigentlich genau wollen mit dem Geld. Und man kann das regeln.
Man kann mit den Angehörigen sprechen. Man muss gewisse Geheimhaltungsdinge muss man dann ein bisschen anders überlegen, aber man kann das jedenfalls regeln. Man kann beispielsweise auch, wenn man im Geschäft arbeitet, wo die alte Dame jeden Tag wieder fünf Tafeln Schokolade kauft, die Angehörigen ansprechen und sagen: Ihr könnt das zurückbringen. Ihr kriegt auch das Geld zurück. Das lässt sich alles regeln.""
Voraussetzung ist mehr Interesse aneinander, mehr Aufmerksamkeit, ein Leben in Beziehungen. Mit einer handfesten Portion Idealismus sollte man meinen, dass den heute 40- bis 50-Jährigen genau daran gelegen ist - weil sie ahnen, dass sie es sind, die eines Tages vielleicht umherirren.
"Also um die Babyboomer werden sich dann weniger kümmern können und deswegen tun sie gut daran – und die meisten wissen das -, dass sie eine Kultur schaffen müssen, wo dieses zivilgesellschaftliche Engagement sehr viel normaler wird als heute."
Es geht allerdings nicht um ein Engagement nur aus Mitleid. Der respektvolle Umgang mit dementen alten Menschen erfordert, dass die Gesellschaft den geistigen Wert des Alterns wieder aufwertet.
"Das ist ein ganz massiver Teil des Umdenkens. Wir haben ja gerade mal hinter uns die Phase des sogenannten Jugendwahns. Alles was nicht jung war, war nicht viel wert. Dazu gehören natürlich auch die ganzen unseligen Frühverrentungsprogramme, wo wir immer gelernt haben: Ab 55 bist du nichts mehr wert. Die Firmen haben nicht mehr in Weiterbildung investiert, die Menschen selber haben nicht mehr in ihre eigene Weiterbildung investiert.
Und jetzt merken sie plötzlich, dass das ein falscher Traum war. Wir werden natürlich länger berufstätig sein müssen, um den ganzen demografischen Wandel zu finanzieren. Wir werden länger gebraucht werden. Und das ist ein Umdenkprozess, der bis er richtig in der Gesellschaft angekommen sein wird, sicher eine Generation, sprich 30 Jahre erfordern wird."