Südlich der Stadt Stanitsja Luhanska liegt ein Fluss, der in den vergangenen Jahren eine besondere Bedeutung bekommen hat. Der Siwerskij Donez markiert an dieser Stelle die Frontlinie: Im Norden hat die ukrainische Armee die Kontrolle, im Süden stehen die prorussischen Separatisten. Eine Stahlbetonbrücke führt hier über den Fluss - sie ist weit und breit der einzige Übergang in das Separatistengebiet.
Schon Anfang das Jahres hatte der stellvertretende Leiter der OSZE in Mission in der Ukraine, Alexander Hug, bei einem Besuch dort erklärt:
"Die Zivilisten, die diese Brücke überqueren, besuchen auf der anderen Seite ihre Freunde und ihre Verwandten. Sie besuchen die Gräber ihrer lieben Verstorbenen. Sie sollten die Möglichkeit haben, sicher und ungehindert die Brücke zu passieren, es ist ihre Brücke, sie wurde für sie gebaut."
Große Widerstände in der Ukraine gegen den Abzug in Stanitsja Luhanska
Nun soll das Wirklichkeit werden. Zunächst bestätigten die Anführer der sogenannten "Luhanska Volksrepublik", dass heute der Abzug der schweren Waffen aus dem Gebiet beginnen soll, dann auch die Ukraine. Immerhin: In den Regionen Solote und Petriwske scheint die Entflechtung der Militäreinheiten in den vergangenen Wochen gelungen zu sein. Die beiden Seiten melden dort fast keine Kämpfe mehr.
Doch anders als diese beiden Regionen hat die Stadt Stanitsja Luhanska eine wichtige militärstrategische Bedeutung. Deshalb gibt es in der Ukraine große Widerstände, die Armee dort abzuziehen. Auch die Bewohner haben davor Angst, bei einer Demonstration vor wenigen Tagen sagte eine Frau:
"Wir wollen nicht im Niemandsland leben. Wir haben Angst, dass es wieder zu Kämpfen kommt in der Stadt, es wäre nicht das erste Mal. Wenn die ukrainische Armee hier abrückt, sind doch in zwei Tagen die separatistischen Kämpfer hier. Diese Leute halten sich nicht an Vereinbarungen."
Erfolgreiche Demilitarisierung könnte als positives Beispiel dienen
Die ukrainische Regierung beruhigt die Menschen: Der Abzug der Waffen bringe keine Gefahr. Der Leiter der Bezirksverwaltung für das Gebiet Luhansk, Heorhyj Tuka, erklärte:
"Wir haben die Brücke unter ständiger Beobachtung. Es ist unmöglich, dass die Kämpfer mit größeren Einheiten oder gar mit Panzern dort vorrücken."
Sollte das Gebiet erfolgreich demilitarisiert werden, könnte das ein Beispiel auch für anderen Abschnitte der Frontlinie werden. Die sogenannte Kontaktgruppe, mit Vertretern der OSZE, der Separatisten, Russlands und der Ukraine, hat schon über weitere mögliche Punkte gesprochen. Das erklärte Martin Sajdik, Sondergesandter der OSZE in der Ukraine, nach dem jüngsten Treffen der Gruppe:
"Die Verhandlungsparteien unterstützt die Entmilitarisierung entlang der gesamten Frontlinie grundsätzlich und entschieden. Sie stärkt das Vertrauen unter den Konfliktparteien. Natürlich würde es sehr helfen, wenn zunächst die Waffenruhe auch vollständig eingehalten würde. "
Weiterhin viele Brennpunkte entlang der Frontlinie
Denn es gibt weiterhin viele Brennpunkte entlang der Frontlinie. Immer wieder meldet die ukrainische Armee Tote und Verletzte. Die Konfliktparteien beschuldigen sich auch gegenseitig, Wohngebiete zu beschießen. In Makejewka bei Donezk, das in der Hand der Separatisten ist, kamen dabei in der vergangenen Woche zwei Zivilisten ums Leben. Die ukrainische Armee weist die Vorwürfe zurück, dass sie die Stadt beschossen habe.
Eigentlich sollten die Ukraine und Russland bis Ende November einen Fahrplan erarbeiten, wie die Punkte des Minsker Friedensabkommens für die Ostukraine umgesetzt werden. Darauf hatten sich die beiden Präsidenten, Petro Poroschenko und Vladimir Putin, vor zwei Wochen in Berlin geeinigt. Sie hatten sich dort mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem französischen Staatschef François Hollande getroffen. Bisher gibt es jedoch noch keine Informationen, wann die Gespräche über diesen Fahrplan beginnen sollen.