Fit für die Demokratie
Welche Rolle Schulen im Kampf gegen Populismus haben

Braucht unsere Schule strengere Handyregeln? Wie gehen wir mit Konflikten auf dem Schulhof um? Pädagogen fordern schon lange mehr Mitspracherechte für Schüler. Doch für echte Demokratiebildung braucht es Zeit, Geld und engagierte Lehrkräfte.

    Schulklasse beim Ausflug mit Fahrrädern vor dem Bundestag, Berlin
    Demokratiebildung in der Praxis: Engagierte Lehrer unternehmen mit ihren Klassen einen Ausflug in den Bundestag. (imago / Jochen Tack)
    Rechtsextreme Parteien wie die AfD erhalten auch bei jungen Menschen hohe Zustimmungswerte, Gewalt an Schulen ist seit Jahren ein wachsendes Problem und aktuell bringen politische Konfliktthemen wie der Krieg in Nahost Herausforderungen im Unterricht mit sich. Doch in vielen Schulen fehlt es an Raum und Angeboten für politische Bildung. Wie könnte Demokratiebildung hier besser verankert werden?

    Inhaltsverzeichnis

    Wie sollte Demokratiebildung an Schulen aussehen?

    Beim Stichwort Demokratiebildung an Schulen geht es nicht nur um Mitsprache und Mitbestimmung von Schülerinnen und Schülern, sondern auch um die Vermittlung von Wissen über Demokratie bis hin zum Umgang mit Radikalisierungsprozessen und Gewalt, so die Ständige wissenschaftlichen Kommission der Kultusministerkonferen (SWK).
    Sie empfiehlt, die Fächer Politik und Geschichte in der Schule zu stärken. Diese würden die Basis für Demokratiebildung an Schulen legen, so die Co-Vorsitzende Felicitas Thiel. Um Urteilskompetenz erwerben, müssten Schüler über die Institutionen der demokratischen Gesellschaft Bescheid wissen und Kenntnis über Minderheitenschutz haben - etwa um zu verstehen, warum Mehrheitsentscheidungen nicht immer umgesetzt werden. Und sie bräuchten historisches Wissen, um entsprechende Narrative zu erkennen.
    Auch die politische Medienbildung gehört dazu, denn soziale Medien gehören mittlerweile für die politische Information von Jugendlichen zu den wichtigsten Quellen.
    Insgesamt sollte Demokratiebildung fächerübergreifend verankert werden. Lehrkräfte sollten kontroverse Themen wie den Nahostkonflikt aufgreifen, statt sie zu ignorieren, erläutert Felicitas Thiel. Damit das gelingt, müssten die Länder ihren Lehrkräften gut abrufbare Materialien zur Verfügung stellen.

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    Jede Schule brauche außerdem eine Strategie im Umgang mit Extremismus- und Radikalisierungsprozessen. Lehrerinnen fühlten sich häufig überfordert, sodass sie wegschauen würden, statt einzugreifen, wenn Schüler zum Beispiel den Hitlergruß zeigen.
    Hier bräuchten Schulen auch gute Partner. Das können Beratungsstellen für Extremismus sein, die Landeszentralen für Politische Bildung, Initiativen des Kölner Flüchtlingsrates wie „We can speak“, wo Geflüchtete vor Schulklassen von ihren Fluchterfahrungen berichten. Aber auch Schulpsychologen und Sicherheitsbehörden zählen dazu.
    Experten und Pädagogen empfehlen, pro Woche eine Schulstunde für Demokratiebildung zu reservieren. Das können sogenannte Klassenlehrerstunden sein, die für Klassenthemen reserviert sind, aber auch aktuelle politische Themen, die Schülerinnen umtreiben.

    Welche Probleme gibt es bei der Demokratiebildung an Schulen?

    Die Fächer Politik und Geschichte in Klasse 5 und 6 stehen in manchen Bundesländern gar nicht auf dem Stundenplan. In einigen Bundesländern und Schulformen geht es damit sogar erst in Klasse 8 oder 9 los, ergänzt Monika Oberle. Viel zu spät, sagt die Bildungsexpertin, die auch Mitautorin des Gutachtens für das Kultusministerium ist. Denn wählen dürfen Jugendliche schon mit 16 Jahren bei der Europawahl und bei Kommunalwahlen in einigen Bundesländern. "Darauf müssen wir die Jugendlichen vorbereiten."
    Ein weiteres Problem sind fachfremd unterrichtende Lehrkräfte in Fächern politischer und historischer Wissensvermittlung: An Hauptschulen sind es bis zu 80 Prozent, an Realschulen bis zu 60 Prozent und an Gymnasien bis zu 25 Prozent. Diese Lehrkräfte müssten dringend besser geschult und fortgebildet werden, fordern die Bildungsforscherinnen Oberle und Thiel, weil sie sonst nicht in der Lage seien, die virulenten Themen aufzugreifen und mit den Schülern zu diskutieren.

    Demokratiebildung noch sehr vom Engagement einzelner anhängig

    Grundsätzlich ist die Qualität der Demokratiebildung noch zu sehr abhängig vom Engagement einzelner Lehrkräfte, die etwa Ausflüge in den Bundestag organisieren oder Politiker in den Unterricht einladen. Der Pädagoge Dejan Mihajlović bemängelt: „Die Erfahrung ist: Es ist eine Schönwettergeschichte. Das heißt, wenn alles andere passt, dann macht man Demokratiebildung on top.“

    Welche Formen der Mitbestimmung gibt es an Schulen?

    Typische Mitbestimmungsmöglichkeiten für Schülerinnen und Schüler betreffen Dinge wie: den Klassenausflug mitbestimmen, den Schulhof mitgestalten, Projekte oder Feiern planen. Entsprechende Ämter und Gremien sind Klassensprecher, Schülerräte, Schülervertretung und Schulversammlungen an weiterführenden Schulen.
    In Grundschulen gibt es in vielen Bundesländern den Klassenrat. Im Sitzkreis entwickeln die Kinder Ideen oder besprechen Probleme, lernen, einander aufmerksam zuzuhören, eine Meinung zu entwickeln und Stellung zu beziehen – und per Mehrheitsbeschluss zu entscheiden. Viele Fachleute halten den Klassenrat für einen zentralen Baustein demokratischer Schulkultur.

    Selbstwirksamkeit als Strategie gegen Populismus

    Ziel der demokratischen Bildung ist es, dass Schülerinnen Selbstwirksamkeit als Teil eines demokratischen Systems erfahren. Das sei auch mit Enttäuschungen verbunden, berichtet der Ethiklehrer Dejan Mihailovic, der auch Referent für Demokratiebildung in der Lehrerfortbildung ist. Die Schüler würden erfahren, wie schwierig es sei, Konsens auszuhandeln und dass Politik "nicht nur schwarz und weiß" sei.

    Wo ist in Sachen Mitsprache an Schulen noch Luft nach oben?

    Weniger bis keine Mitbestimmung gebe es, wenn es um den Unterricht geht, sagt die Bildungsforscherin Sabine Matschinke von der Universität Erlangen-Nürnberg. Während manche den Verlust der Autorität von Lehrkräften durch zu viel Mitbestimmung befürchten, oder geltend machen, dass Schulen weisungsgebunden sind, argumentiert Sabine Matschinke, dass zur Mitbestimmung nicht nur Wahlen oder Entscheidungen gehören, sondern, „dass man die Kinder informiert und ihnen zuhört.“
    Die Politik-Didaktikerin Anja Besand von der TU Dresden betont, dass die Mitbestimmung von Kindern und Jugendlichen nicht auf harmlose Themen beschränkt sein sollte. Denn: „Der Gedanke ist sehr verbreitet: Wir üben jetzt mal Partizipation an was Kleinem, wo nichts kaputt gehen kann. Aber Demokratie ist halt eine große Sache! Die kann man nicht nur im Kleinen üben. Da muss es schon um was gehen."
    Zur Demokratiebildung an Schulen gehört nicht zuletzt ein Kollegium, das demokratische Prozesse vorlebt - mit gemischten Teams, in denen Pädagoginnen kompetenzübergreifend mit Sonderpädagogen und Mitarbeiterinnen anderer Bereiche zusammenarbeiten.

    tha