Streit um staatliche Förderung
Das Demokratiefördergesetz liegt auf Eis

Der Entwurf für ein Demokratiefördergesetz liegt schon lange vor. Damit wollen SPD und Grüne zivilgesellschaftliches Engagement gegen Demokratiefeinde fördern. Doch von Union, AfD und der mitregierenden FDP kommt Kritik. Worum es in der Debatte geht.

    Blick in den Bundestag bei einer Parlamentssitzung
    Im Bundestag gibt es bislang keine Mehrheit für das Demokratiefördergesetz. (picture alliance / dpa / Kay Nietfeld)
    Initiativen, Organisationen und Vereine, die sich für die Demokratie einsetzen, sollen vom Staat künftig besser gefördert werden. Dies sieht der Entwurf eines Demokratiefördergesetzes vor, den Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) im Dezember 2022 vorstellten.
    „Zur verbindlichen und langfristig angelegten Stärkung der Zivilgesellschaft werden wir bis 2023 nach breiter Beteiligung ein Demokratiefördergesetz einbringen“, hieß es bereits im Koalitionsvertrag der Ampelregierung von 2021. Damit solle „die zivilgesellschaftliche Beratungs-, Präventions- und Ausstiegsarbeit“ gestärkt werden.
    Doch bislang wurde das Gesetz nicht beschlossen. Es gibt Streit darum – auch innerhalb der Ampelkoalition.

    Inhalt

    Warum braucht es ein Gesetz zur Förderung der Demokratie?

    Bei der Vorstellung des Entwurfs betonte Ministerin Paus die Gefahr durch den Rechtsextremismus. Die Republik werde „vor allem von rechtsextremistischen Gruppen bedroht und angegriffen“, sagte die Grünen-Politikerin. Demokratie müsse täglich gelebt und verteidigt werden. Deshalb wolle man „zivilgesellschaftliches Engagement und politische Bildung“ stärken. Projekte sollen längerfristiger und altersunabhängiger gefördert werden.
    Nancy Faeser (l, SPD), Bundesministerin für Inneres und Heimat, und Lisa Paus (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, stellen in der Bundespressekonferenz den vom Kabinett beschlossenen Gesetzentwurf zum Demokratiefördergesetz vor.
    Bei der Vorstellung des Demokratiefördergesetzes im Dezember 2022 gaben sich Innenministerin Faeser (SPD, l.) und Familienministerin Paus (Grüne) zuversichtlich, dass die Pläne bald Gesetz werden. (picture alliance / dpa / Kay Nietfeld)
    Man wolle das „großartige demokratische Engagement“ in Deutschland „endlich auch als Bund verlässlich und umfassend fördern können“, sagte Innenministerin Faeser.

    Was steht im Entwurf des Demokratiefördergesetzes?

    Im Gesetzentwurf werden „Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus, Islam- und Muslimfeindlichkeit, Queerfeindlichkeit, Frauenfeindlichkeit, Sexismus, Behindertenfeindlichkeit und Extremismen wie Rechtsextremismus, islamistischer Extremismus, Linksextremismus“ sowie „Hass im Netz, Desinformation und Wissenschaftsleugnung“ als Gefahren für die Demokratie genannt.
    Konkret gefördert werden sollen unter anderem Initiativen zur „Stärkung und Förderung demokratischer Werte“ und des demokratischen Engagements, Projekte zur „Selbstermächtigung und Selbstbestimmung der von Diskriminierung betroffenen Gruppen“ sowie Maßnahmen zur Extremismusprävention. Zudem sollen überregionale Strukturen gefördert werden, „die Opfer von politisch und ideologisch motivierter Gewalt sowie Betroffene von Diskriminierung im gesamten Bundesgebiet beraten und unterstützen“. Ministerin Paus nannte als ein Beispiel die Organisation „HateAid“, die Betroffene von Hass im Internet berät.
    Wie viel Geld die geförderten Initiativen vom Staat bekommen, soll im Haushaltsplan des Bundes festgeschrieben werden. Einmal pro Legislaturperiode soll die Bundesregierung laut Entwurf einen Bericht über die geförderten Projekte und Initiativen vorlegen.

    Welche Kritik gibt es an den Plänen?

    Innerhalb der Koalition gibt es Vorbehalte gegen den Entwurf. Obwohl das Bundeskabinett den Gesetzentwurf bereits gebilligt hatte, rückte die FDP immer stärker von den Plänen ab. Die Zivilgesellschaft bestehe nicht nur aus denjenigen, die aus Programmen oder über dieses Gesetz Geld bekommen wollten, „sondern aus vielen mehr in dieser Gesellschaft“, sagte Linda Teuteberg, Innen- und Rechtsexpertin der FDP im Deutschlandfunk. Auch heute schon würden solche Projekte gefördert. Eine dauerhafte Förderung aber sei „durchaus problematisch“, sagte Teuteberg unter Verweis auf den Etatvorbehalt des Bundestags.
    Auch andere Kritiker finden, dass es nicht Aufgabe des Staates sei, zivilgesellschaftliches Engagement mit viel Geld zu subventionieren oder gar Organisationen mit politisch angeblich zu linker Ausrichtung dauerhaft zu sponsern. Die FDP verlangte zudem eine Extremismusklausel im Gesetz, um die Förderung linksradikaler Gruppen auszuschließen.
    Die CDU/CSU kritisierte unter anderem, die Förderbedingungen des Gesetzes seien intransparent: "Für ein Gesetz, das ausgerechnet den Namen Demokratiefördergesetz trägt, mangelt es dem vorliegenden Entwurf erheblich an Transparenz. Konkrete Förderbedingungen werden den bislang unbekannten Förderrichtlinien überlassen, der Gesetzentwurf selbst regelt allenfalls die rudimentären Rahmenbedingungen."
    Schon in der bis 2021 regierenden Großen Koalition hatte die CDU/CSU ein Demokratiefördergesetz abgelehnt, weil man sich nicht mit der SPD auf eine Extremismusklausel einigen konnte.
    Für die AfD läuft das Gesetz auf eine Förderung von „linksgrünen Organisationen“ hinaus. Gegen die AfD, die vom Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft wird, waren in den letzten Monaten zahlreiche Menschen in ganz Deutschland auf die Straßen gegangen.

    Was sagen Befürworter des Gesetzes?

    Ein Demokratiefördergesetz werde gebraucht „als Grundlage für eine Förderung, die längerfristig ist“, sagte Heiko Klare von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus im Interview mit Deutschlandfunk Nova . Denn bisher könnten sich Initiativen nur darauf verlassen, dass für ein Jahr gefördert werde.
    Der Präsident des Deutschen Kinderhilfswerks, Thomas Krüger, sagte Mitte März 2024 der „Neuen Osnabrücker Zeitung“, eine nachhaltige Absicherung durch den Bund sei dringend erforderlich. Das gelte insbesondere für die regionale und lokale Ebene sowie für strukturschwache Bundesländer. Das Kinderhilfswerk spreche sich „mit aller Vehemenz“ für das Gesetz aus, führte Krüger aus. Es sei essenziell, um zukünftig demokratische Werte aktiv zu pflegen. Krüger ist auch Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung.
    Auch der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, bedauerte in einem Interview, dass der Bundestag das Gesetz bisher nicht beschlossen hat. Das Demokratiefördergesetz biete die Möglichkeit, Initiativen gegen Judenhass, Rechtsextremismus und Rassismus zu unterstützen. „Wenn hier entsprechende finanzielle Förderungen zurückgeschraubt werden müssen, ist das für unsere Demokratie kein gutes Zeichen."
    Bedenken von Bundestagsjuristen, die Zweifel an der Gesetzgebungskompetenz des Bundes in dieser Frage geäußert hatten, wiesen Sprecher der federführenden Ressorts für Inneres und für Familien zurück. Selbstverständlich halte man das vom Kabinett bereits beschlossene Gesetz auch für verfassungskonform. Dies sei wie bei jedem Gesetz vorab geprüft worden, sagte der Sprecher des Innenministeriums.

    Welche staatliche Demokratieförderung gibt es bereits?

    Es gibt zahlreiche Förderprogramme von Bund und Ländern etwa zur Prävention gegen Rechtsextremismus. Ins Ressort von Familienministerin Paus fällt zum Beispiel das 2015 gestartete Programm „Demokratie leben“. In diesem Jahr umfasst das Programm 182 Millionen Euro. Bundesweit werden mehr als 700 Projekte gefördert. Man werde die begonnene Arbeit fortsetzen, ob der Bundestag das geplante Demokratiefördergesetz verabschiede oder nicht, kündigte Paus Mitte März 2024 an.
    Mit der nächsten Förderperiode ab 2025 werde man den nächsten Schritt gehen, so die Ministerin. Dazu sollten etwa bereits entstandene Kompetenznetzwerke noch enger kooperieren. In einzelnen Programmbereichen seien längere Förderzeiten vorgesehen. Außerdem will Paus neue Schwerpunkte beispielsweise im Digitalbereich setzen. Ebenso seien ihr Fragen von Vielfalt und Geschlechtergerechtigkeit wichtig.

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