Redaktionskonferenz bei der Zeitung "Le Souverain" in Bukavu, der Hauptstadt der ostkongolesischen Provinz Südkivu. Vor dem offenen Fenster brettern Laster durch knöcheltiefe Schlaglöcher. Drinnen steht die Luft. Vergilbte Raufaser, drei zusammengeschobene Tische nehmen fast den ganzen Raum ein. Um sie herum acht Männer und Frauen und die Herausgeberin Solange Lusiku Nsimire:
"Das ist eine gute Idee. Eine Sonderedition. Großer Titel: Kabila beerdigt die Kongolesen. Dann brauchen wir aber noch Artikel in allen Rubriken: Politik, das macht Darius."
Die Schlagzeile steht schon mal. Der Kongolesische Franc hat ein Drittel seines Werts verloren, seit Präsident Kabila mit seiner Weigerung, Wahlen zu organisieren, das Land ins Chaos stürzt. Der Präsident, der sein eigenes Volk beerdigt, als Sinnbild für diese Inflation - das wird die Machthaber provozieren, keine Frage. Aber im Anecken hat Solange Lusiku Routine:
"Die Provinzregierung hat an alle Beamten den Befehl rausgegeben, niemals einem Journalisten des 'Souverain' ein Interview zu geben. 'Und wenn Solange persönlich kommt, soll die Polizei sie erst mal so richtig erniedrigen.'"
Inzwischen musste der Gouverneur zurücktreten, der "Souverain" hat berichtet.
Zeitung lesen macht kritisch
1.000 Zeitungen lässt Solange Lusiku drucken, mal monatlich, mal alle zwei Monate - je nachdem, wie lange es braucht. Die Straßen sind miserabel. Für eine 30 Kilometer entfernte Recherche muss ein Journalist eine Tagesreise mit Übernachtung einrechnen. Eine Druckerpresse gibt es hier auch nicht. Ein Kollege muss ganz Ruanda durchqueren und zum Drucken nach Uganda reisen. Das Geld dafür kommt von Nichtregierungsorganisationen.
Lusiku: "Die meisten Kongolesen kommen nicht viel rum. Diejenigen, die reisen, sind die Autoritäten – die, die das Land schlecht managen. Dabei können sie Lügen verbreiten. Wer die Zeitung gelesen hat, wird denen kritische Fragen stellen. Und deshalb verteilen wir die Zeitung hier kostenlos."
Vor 10 Jahren hat Solange Lusiku Nsimire, 47 Jahre alt, den "Souverain" übernommen. Unter ihrer Führung hat die Zeitung internationale Bergbauunternehmen kritisiert, die die Bevölkerung ausbeuten. Sie hat berichtet, wie Armee und Rebellengruppen systematisch Frauen vergewaltigen und über die Jahre so ziemlich jedem Politiker ans Bein gepinkelt. Frauenthemen haben für Solange Lusiku aber immer Vorrang.
"Wenn in einer Gesellschaft die Rechte der Frau respektiert werden, ist das wie ein Thermometer, dass man hier die Menschenrechte im Allgemeinen achtet. Dort, wo die Frauen immer nur gebückt gehen, mit resignierten Gesichtern, aus denen die Probleme sprechen, wissen Sie: Hier werden die Menschenrechte nicht geachtet. Und das ist in unserem Land der Fall."
Journalistinnen mit Charakter
Feministin sei sie von Geburt an, sagt Solange Lusiku. Als sie aufwächst, heißt der Kongo noch Zaire und wird vom Diktator Mobutu regiert. Ihr Vater ist Lehrer. Wenn er seinen Unterricht vorbereitet, sitzt die kleine Solange daneben, liest alle Texte laut vor und schreibt Zusammenfassungen. Zur Übung. Dass die einzige Tochter neben den drei Söhnen so gefördert wird, ist ganz und gar nicht typisch Kongo.
"Ich bin davon ausgegangen, dass ich dieselben Rechte habe wie die Männer. Erst später habe ich gemerkt: Oh nein! Unsere Sitten und Traditionen erziehen uns dazu, schüchtern zu sein. Bloß nicht das Wort ergreifen. Im Kongo ist der Journalismus das Vorrecht des Mannes. Wenn du als Frau im Kongo Journalistin wirst, ist das kein Zufall. Du wirst es, weil du Charakter hast."
Mut braucht es auch: Vier Kollegen sind in den letzten Jahren ermordet worden. Im Ostkongo ist Krieg. Sechs Millionen Tote in 20 Jahren, Gräueltaten, halbseidene multinationale Konzerne, die vom Chaos profitieren und die Bodenschätze plündern. Wer darüber schreibt, lebt gefährlich. Solange Lusiku, Mutter von sieben Kindern, hat schon öfter Drohanrufe bekommen, musste monatelang untertauchen.
Momente der Angst
"Sie haben meine Töchter auf dem Schulweg abgegriffen und gefragt: 'Du siehst Solange ähnlich.' - 'Ja, das ist meine Mama.' - 'Richte ihr aus: Wir hatten ja keine Ahnung, dass ihre Töchter schon Teenager sind. Wir werden euch vergewaltigen und dann sehen wir mal, ob sie darüber in ihrer Zeitung schreibt.'"
Natürlich hat sie Momente der Angst. Aber für die gläubige Katholikin ist das eher ein Ansporn. Irgendwas muss sie als Journalistin schon richtig machen, wenn sich so viele auf den Schlips getreten fühlen. Sie ist schon an der nächsten Story dran. Worum es geht, kann sie aber nicht verraten.