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Demonstration in München
Kulturschaffende fordern mehr Hilfe in der Coronakrise

Keine Finanzhilfen, keine Anlaufstellen, keine Unterstützung. Die Münchener Kulturschaffenden fühlen sich von der Politik allein gelassen. Achthundert gingen heute auf die Straße. "Aufstehen für Kultur!", so der Titel der Veranstaltung, bei der auch ein ehemaliger CSU-Kultusminister auftrat.

Von Tobias Krone |
Hunderte Personen haben sich am Königsplatz zu einer Demonstration versammelt. Unter dem Motto «Aufstehen für die Kultur» erinnern Künstler an die schwierigen Lebenssituationen, die aus der Coronakrise für viele Kulturschaffende entstanden sind.
Singen, spielen, solidarisieren - Kulturschaffende demonstrierten in München unter dem Motto "Aufstehen für die Kultur" (Lino Mirgeler/dpa)
Bayern ist ein Kulturstaat, so heißt es in der Bayerischen Verfassung. Doch die Kulturschaffenden gerade in Bayern sind besonders unzufrieden mit ihrer Situation in der Pandemie. Ein Hilfsprogramm kam erst Monate nach dem Lockdown, und die Zuschauerbeschränkungen für Schauspielhäuser sind mit die stärksten deutschlandweit. Heute haben Künstlerinnen und Künstler in München eine Kundgebung organisiert: "Aufstehen für Kultur" hieß sie und viele Kulturschaffende sagtem dem anwesenden bayerischen Kunstminister direkt die Meinung.
Die gut 800 Demonstrierenden füllen den großen Münchner Königsplatz – unter den Abstandsbedingungen - ganz gut. Demonstrierende wie dieser Musiker und Komponist, sind seit Monaten ohne Auftritte.
"Das ist unsere Existenzgrundlage und das ist so, als würden Sie einem Schweinezüchter die Schweine alle nehmen und sagen: Guck mal, wie du überlebst. Also so ungefähr ist das. Das ist ein sensibles Thema, Künstler zu sein – schon immer gewesen. Aber Corona macht es noch brutaler."
Diese junge Frau ist von Beruf Musicalsängerin.
"Also jetzt für mich konkret ist es eben so, dass ich Arbeitslosengeld bekomme und sehr viele Events kurzfristig abgesagt werden und – ja – ich eben nicht arbeiten gehen kann, kein Geld verdienen kann. Ich finde dieses Corona-Thema sollte man schon ernst nehmen, aber eben die Unterstützung für unsere Branche, die ist sehr kacke, das muss man einfach so sagen."
Ärger und Angst
Sie und andere Kulturschaffende aus vielen Branchen sind hier, bei "Aufstehen für Kultur". Der frei arbeitende Cellist und Mitorganisator der Kundgebung Michael Rupprecht aus München, macht auf der Bühne seinem Ärger Luft.
"Musiker, Schauspieler, Veranstalter und Techniker wurden über Wochen und Monate mit einem de-facto Berufsverbot belegt, an der Auftragslage wäre es nicht gelegen, aber wir durften halt nicht."
Die Soforthilfe für soloselbständige Kulturschaffende kam in Bayern erst sehr spät ins Laufen. Letztlich riefen sie dann statt der geplanten 60.000 nur 8.000 Menschen ab – wohl, weil nicht alle in der Künstlersozialkasse waren, und einige schon Hartz-IV bekamen. Hans Maier von der CSU, unter Franz-Josef Strauß für Kultur zuständig, unterstützt die Kundgebung. Die Hilfsmaßnahmen der Regierung Söder kritisiert er deutlich.
"Zum Beispiel in der Schweiz hat man allen Künstlern einen Ausgleich angeboten auf Grundlage der Steuererklärung der letzten drei Jahre. Bisher ist bei uns außer Einzelzahlungen nichts derartiges geschehen."
Abstand und Ansteckung
Die Organisator*innen fordern zudem weniger Beschränkungen bei Zuschauerzahlen und bei Schließungen Geistertickets, finanziert durch den Staat. Sind diese Forderung angesichts stark steigender Ansteckungszahlen noch legitim? Vizepräsident des Landtags, Wolfgang Heubisch von der FDP, findet, ja.
"Doch das kann man fordern, gerade die Spielstätten und Theater haben einen unglaublich ausgetüftelten Plan, wie sie das Corona-Virus verhindern können in ihren Bereichen. Es gibt keinen Fall, keinen Corona-Fall, der in den Theatern entstanden wäre. Es ist sicher und die Leute wollen Kultur, werden aber von der Politik verängstigt, in die Theater auch zu gehen."
Kunstminister Bernd Sibler von der CSU steht die gesamten zwei Stunden in der ersten Reihe und hört zu. Anschließend verteidigt er in seiner Rede die Begrenzung auf nunmehr 50 Zuschauer*innen an Orten mit einer Inzidenz über 100 pro 100.000 Menschen. Eine Strategieänderung.
"Geplant war die erste Strategie, jetzt weitere Öffnungen zu bekommen. Und dann sind die Zahlen gestiegen – und sie sind gestiegen – und sie sind gestiegen…
Respekt und Kritik
Sibler kündigt weitere Hilfsmaßnahmen für Soloselbständige an und weitere Unterstützung für Spielstätten. Das nehmen die Organisator*innen dankbar auf. Auch Oppositionsministerin Sanne Kurz, Abgeordnete der Grünen im Bayerischen Landtag, zollt dem Minister Respekt.
"Ich rechne es dem Staatsminister Sibler hoch an, dass er heute kommt. Weil der wird hier heute kein Heimspiel haben, das Problem liegt nicht bei ihm. Wir haben einen Ministerpräsidenten, der nur schaut, was gerade populistisch möglich ist, das hat mit Infektionsschutz null komma null zu tun, was da aus der Staatskanzlei kommt."
Umso besser sei es, dass Kunstschaffende jetzt gemeinsam mobil machten, um auf ihre Situation aufmerksam zu machen. Nicht aufgerufen zur Demo hatte indes das Netzwerk der Kulturinstitutionen gegen Rechts "Die Vielen". Sie kritisierten, dass vor einigen Wochen die Kulturanwältin Kirsten König auf der Rednerliste stand, die regelmäßig auf Querdenken-Demos auftritt. Inzwischen ist sie ausgeladen worden. Gegenüber dem Deutschlandfunk distanzierte sich nun die Demo-Organisatorin Veronika Stross von Querdenken.