Es waren vor allem Vertreter patriotischer und religiöser Organisationen, die in Moskau für die Politik des Kreml auf die Straße gingen. Sie skandierten "Wir geben die Krim nicht her", und "Russland". In der Menge auffallend viele Grüppchen älterer Berufstätiger. Schon vorher hatten Staatsangestellte in sozialen Netzwerken geschrieben, sie würden von ihren Vorgesetzten gezwungen, zu der Demonstration zu gehen.
Eine Demonstrantin bestätigte das. Sie unterrichtet an einer Hochschule. "Uns wurde das ganz offiziell mitgeteilt, von der Stadtverwaltung für Bildung. Alle Kollegen wurden benachrichtigt. Da kann man nicht wegbleiben. Schauen Sie doch mal, wie viele Leute hier sind, die kommen doch nicht einfach so." Vor Beginn der Kundgebung waren denn auch Frauen zu sehen, die Namenslisten abhakten.
Putin soll noch nicht entschieden haben
Nach Angaben seines Sprechers hat Präsident Wladimir Putin bisher nicht darüber entschieden, ob er von der Genehmigung des Föderationsrates Gebrauch machen und tatsächlich einen Militäreinsatz in der Ukraine anordnen wird.
Sie hätten dazu keine eigene Meinung, aber Angst vor einem Krieg hätten sie auch nicht, sagen mehrere Frauen bei der Kundgebung: "Unser Präsident ist sehr klug. Er wird entscheiden, was das Beste ist. Wir vertrauen ihm vollständig. Was er macht, ist richtig." - "Wir haben immer in Freundschaft gelebt: Russland und die Ukraine. Wir möchten, dass das aufhört, was dort jetzt passiert. Das Sterben. In Kiew. Sie zeigen das im Fernsehen." Das russische Staatsfernsehen vermittelt den Eindruck, in der Ukraine würden neofaschistische Banden durch die Straßen ziehen und Russen bedrohen.
Kyrill: Blutvergießen unter Zivilisten vermeiden
Das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche, Patriarch Kyrill, rief am Nachmittag dazu auf, Blutvergießen unter Zivilisten zu vermeiden. Zuvor hatte Kirchensprecher Vsevolod Tschaplin den möglichen Militäreinsatz Russlands in der Ukraine als, so wörtlich, Friedensmission bezeichnet.
In einigen russischen Städten gingen auch Menschen gegen einen Militäreinsatz auf die Straße. In Moskau wurden dabei mindestens 160, in St. Petersburg rund dreißig Demonstranten festgenommen.
Russischer Menschenrechtsrat votiert gegen Militäreinsatz
Kritik an dem möglichen Militäreinsatz kommt aus dem Menschenrechtsrat des russischen Präsidenten. Das russische Oberhaus, der Föderationsrat, hatte sein Votum für einen Militäreinsatz gestern mit angeblichen russischen Opfern auf der Krim begründet. Unter anderem sollten Russen bei der versuchten Besetzung des Innenministeriums in Simferopol zu Schaden gekommen sein.
Andrej Jurow, im Menschenrechtsrat des russischen Präsidenten zuständig für Menschenrechte im Ausland, ist seit Tagen auf der Krim. Er sagte er dem unabhängigen Internetsender Doschd TV: "Es gab keine russischen Opfer. Und am Innenministerium der Krim wurde lediglich in die Luft geschossen. Unsere Abgeordneten treffen Entscheidungen aufgrund von Falschinformationen. Ich verstehe nicht, warum man hier überhaupt irgendwelche Truppen her schicken muss."
Unterdessen setzen führende Politiker ihre verbalen Angriffe gegen den Westen fort. Sergej Scheleznjak von der Regierungspartei Einiges Russland, Vizesprecher der Staatsduma, erklärte heute, jedes zivilisierte Land würde so handeln wie Russland. Russland trete für die Verfassungsordnung in der Ukraine ein, "der Westen hingegen unterstütze weiter die", so Scheleznjak wörtlich, "faschistische Chunta, die die Macht in Kiew ergriffen habe".