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Demonstrationen vor Grundschulen
Der Frust der Eltern wächst

Mit der steigenden Zahl der Corona-Infektionen fürchten viele Eltern erneute Schulschließungen in Hotspots. Im Berchtesgadener Land ist dieser Fall wieder eingetreten - und der Ärger der Eltern wächst.

Von Tobias Krone |
Ein Schüler arbeitet in einer Grundschule an einem Tablet
In Freilassing im Berchtesgadener Land mussten Schüler wieder auf Homeschooling ausweichen. (picture alliance/Sebastian Gollnow/dpa)
"Vor eineinhalb Wochen war ja eh schon Schichtbetrieb und dann hat es noch einmal geheißen: Gut, das ist der letzte Tag jetzt – und ab dann ist wieder gar nix. Und man kann sich bis 18 Uhr für eine Notbetreuung anmelden. Und dann geht es leider nicht mehr."
So fühlt sich ein zweiter Lockdown für Eltern an. Nina Flieger, Mutter einer Viertklässlerin beschreibt, wie vergangene Woche die Grundschule im bayerischen Freilassing wie alle Schulen im Landkreis dichtmachte.
"Ja! Und dann steht man halt da. Wie kann ich das organisieren, kann ich Homeoffice machen, habe ich Oma und Opa in der Nähe, sind sie gesund, sind sie mobil?"
"Viele Selbständige sind am Rande des Existenzminimums"
Im Fall von Nina Fliegers Tochter helfen jetzt die Großeltern aus. Kontakte mit Menschen aus der Risikogruppe seien – anders als beim ersten Lockdown – auch erlaubt. Sie selbst müsse tagsüber als Lehrerin arbeiten - im nahen Salzburg. Dort wo Großeltern fehlen, seien Eltern selbst gefragt, erzählt Peter Weber, Vater einer Sechstklässlerin, der eine Demonstration in Freilassing organisiert hat – gegen Schulschließungen und für einen maskenfreien Unterricht.
"Im Wesentlichen ist ihr Urlaub aufgebraucht. Sie müssen gucken, wie sie es organisieren, wenn keine Großeltern da sind. Viele Selbständige sind am Rande des Existenzminimums. Und dann fällt es natürlich besonders schwer, die Kinder zu Hause zu betreuen."
Ein Schild mit der Aufschrift "Ab hier gilt Maskenpflicht!" hängt am Eingang der Fußgängerzone in Berchtesgaden
Diese Maßnahmen will die Bundesregierung umsetzen
Mit drastischen Einschränkungen will die Bundesregierung die massiv steigenden Corona-Infektionszahlen wieder eindämmen. Die geplanten Maßnahmen im Überblick.
Lehrkräfte vermitteln gerade ihren Schülern neue Lerninhalte via Videokonferenz. Das Pensum der Aufgaben für die anschließenden Übungsphasen sei aber höchst unterschiedlich.
"Ich habe Glück, meine Tochter ist relativ schnell. Die ist spätestens nach eineinhalb Stunden fertig. Und dann gibt es aber andere Lehrer, die geben so viel Hausaufgaben, also so viele Homeschooling-Aufgaben, dass die Kinder nach fünf Stunden einfach immer noch nicht ganz fertig sind."
Gerade Kinder mit Migrationshintergrund stünden zu Hause vor besonderen Problem. Nina Flieger: "Und dann gibt’s in der Klasse, wo meine Tochter ist, eine Familie – vier Kinder. Die Mutter spricht schlecht Deutsch, der Vater ist Schichtarbeiter. Sie haben zwei, die Homeschooling machen müssen. Sie haben einen Laptop und ein Handy und der Vater ist in Schicht. Und die Mutter versteht nicht wirklich gut Deutsch."
"Viel mehr Erklärung und viel mehr Transparenz in die Entscheidungen"
Das verstärke die soziale Schere zwischen den Elternhäusern noch, vermutet Nina Flieger. Ihre Forderung daher an die bayerische Politik: "Viel mehr Erklärung und viel mehr Transparenz in die Entscheidungen. Weil – was sind diese ganzen Studien aus Baden-Württemberg, wo gesagt wird: Kinder sind wohl Träger, aber sie sind keine Spreader. Sie sind keine, bei denen sich die Lehrer anstecken. Und deswegen verstehe ich es auch nicht ganz, wieso die Schule wieder geschlossen wird."
Erst gestern erklärte Ministerpräsident Markus Söder, für ihn sei es Priorität "Schulen und Kitas so lange wie möglich offen zu halten". Wie das in den Ohren der Freilassinger Eltern klingt: "Das klingt wie Hohn in meinen Ohren, weil wenn er sagt, dass Kitas und Schulen offen bleiben sollen – warum hat er dann bei uns die Kitas und Schulen geschlossen?"
Unter ein Video der Demonstration im Netz hat jemand den Hashtag der lokalen Ortsgruppe des Corona-Leugner-Netzwerks Querdenken gepostet. Damit habe aber ihr Protest nichts zu tun, erklärt Organisator Peter Weber. Es gehe ihnen nicht um Politik. Dennoch: "Der Unmut hier ist so groß gegenüber diesem Ministerpräsidenten – ja, das können Sie sich nicht vorstellen."