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Demos gegen Corona-Einschränkungen
"Ich wüsste nicht, warum Linke weniger spinnen sollten"

Bei den Demos gegen die Einschränkungen zur Eindämmung des Coronavirus versammeln sich ganz unterschiedliche Gruppen: Menschen vom extrem rechten und vom extrem linken politischen Spektrum. Der Publizist Daniel Cohn-Bendit sieht darin eine Herausforderung, aber keine Gefahr für die Demokratie.

Daniel Cohn-Bendit im Gespräch mit Jörg Biesler |
Der Grünen-Politiker Daniel Cohn-Bendit beim Photo call bei den Filmfestspielen in Cannes, 2018.
Erfahren mit Demonstrationen: Der Publizist und Politiker Daniel Cohn-Bendit (picture alliance / Photoshot)
Der deutsch-französische Publizist und Grünen-Politiker Daniel Cohn-Bendit sieht in der Verbindung von Verschwörungstheoretikern und Menschen extrem linker wie rechter Gesinnung bei Demonstrationen gegen die Corona-Einschränkungen keine Gefahr für die Demokratie. "Wir werden da ästhetisch, politisch, gesellschaftlich herausgefordert", sagte Cohn-Bendit im Dlf. Aber der Fortbestand der Demokratie sei nicht gefährdet.
Die Tatsache, dass es auch unter den Linken Spinner gebe, sei für ihn mittlerweile eine Selbstverständlichkeit. "Ich wüsste nicht, warum Linke weniger spinnen sollten." Das habe man in der Geschichte gesehen, betonte er. "Da gibt es viele Ereignisse, wo man sich wundert, wozu 'Linke' fähig sind."
"Hass auf den Staat verbindet"
Gemeinsam sei radikalen rechten und linken Demonstranten gegen die Corona-Einschränkungen der Hass auf den Staat und das Misstrauen gegenüber den Regierenden. Die Demonstrierenden glaubten tatsächlich, dass die Coronakrise der Regierung als Vorwand diene, um Freiheiten einzuschränken. "Es gibt einige Linke, die haben ihre Ideologie im Kopf und die ist: Der Staat ist böse", so der Publizist.
Problematisch findet Cohn-Bendit, wie weit die Einstellung "Lieber frei und tot, als lebendig und eingeschränkt leben" auch bei Linksliberalen, Schriftstellern und Journalisten verbreitet sei.
In einer Demokratie dürfe man aber auch für idiotische Dinge demonstrieren. Die Aufgabe von Polizei und Staat bestehe dann allerdings darin, die physische Distanz auf den Demonstrationen sicherzustellen, um die Ausbreitung des Coronavirus auf solchen Veranstaltungen zu verhindern. Die Argumentation dieser Demonstrierenden bleibe ihm unerklärlich, aber die Demokratie halte das aus: "Diese Spinner sind eine sehr unangenehme Grippe, aber Corona ist schlimmer."