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"Den Beständen geht es deutlich besser"

Die EU hat neue Fischfangquoten für die Ostsee vorgelegt. Karoline Schacht, Fachfrau für Fischerei der Umweltorganisation WWF, freut es, dass sich die Politik bei ihren Entscheidungen stärker als früher an den Empfehlungen der Wissenschaftler orientiert.

Karoline Schacht im Gespräch mit Susanne Kuhlmann |
    Susanne Kuhlmann: Ende vergangener Woche haben die Fischereiminister der EU in Luxemburg die neuen Fangquoten für die Ostsee festgelegt. Im kommenden Jahr dürfen deutsche Fischer dort mehr Dorsch und Hering fangen als in diesem Jahr. Vom World Wide Found For Nature (WWF) bekamen die Minister dafür deutlichen Tadel, aber auch ein wenig Lob. Karoline Schacht ist die Fischereiexpertin der Umweltorganisation und jetzt am Telefon. Hallo, Frau Schacht.

    Karoline Schacht: Hallo!

    Kuhlmann: Was finden Sie denn lobenswert an den Ministerbeschlüssen?

    Schacht: Ich muss tatsächlich auch gleich zu Anfang sagen, dass wir eigentlich erfreut sind oder waren über die Entscheidung, weil es einen ganz generellen Trend beschreibt, den wir sehr begrüßenswert finden, nämlich dass die Wissenschaftler, die erst gefragt sind, möglichst erfolgreiche Höchstfangmengen festzulegen, wenn es denn um eine nachhaltige Bewirtschaftung gehen soll, dass diese Empfehlungen jetzt nicht mehr ignoriert werden von den Ministern und die Ministerentscheidung sich tendenziell deutlich annähert an das, was die Wissenschaftler vorgeschlagen haben. Das hat sich in den letzten Jahren ganz anders angehört und das ist schon mal sehr erfolgreich und sehr erfreulich.

    Kuhlmann: Hat das mit der neuen Fischereikommissarin, mit Maria Damanaki zu tun, die ja hohe Erwartungen weckte, als sie Anfang des Jahres sagte, sie wolle eine neue nachhaltige Fischereipolitik?

    Schacht: Ja, ich glaube sehr, dass das persönliche Engagement der Kommissarin hier bleibenden Eindruck hinterlässt. Sie hat es geschafft, tatsächlich auch in der Riege der Länderminister oder der Mitgliedsstaatenminister eine gewisse Gefolgschaftshierarchie aufzubauen, so dass man jetzt hoffen kann, dass im Laufe der Debatte um diese Reform, die Frau Damanaki antreibt, tatsächlich auch die etwas störrischeren Mitgliedsländer am Ende mitziehen.

    Kuhlmann: Was wird sich denn tun in Sachen wesentliche Speisefischarten? Wie werden die Quoten sich auswirken auf Lachs und Scholle beispielsweise und auch auf den erwähnten Dorsch und den Hering?

    Schacht: Nun war ich gerade des Lobes voll für die Entscheidung der Minister, und die einzigen Ausnahmen haben Sie jetzt beide gerade genannt, nämlich Lachs und Scholle. Die Entscheidungen in der Ostsee sind alles andere als erfreulich ausgefallen. Die Wissenschaftler hatten vor allem für die Lachsbestände ein Alarmzeichen gegeben und hatten vorgeschlagen – und diesem Vorschlag ist im übrigen die Kommission auch gefolgt -, um wenigstens 80, 79,8 Prozent abzusenken. Das hat offensichtlich vor allem den intensiven Nutzerstaaten Finnland und Schweden nicht gefallen und am Ende sind nur 50 Prozent Kürzung dabei herausgekommen. Das ist natürlich nicht das, was wir uns von einer langfristig nachhaltigen Bewirtschaftung erhoffen. Bei der Scholle hätte es eine interessante Konstellation geben können. Die Kommission hat nämlich beschlossen, dass immer dort, wo ein erheblicher Datenmangel vorliegt – und in der Tat ist das in diesem Fall bei der Scholle auch so -, dass man dann vom schlimmsten ausgehen muss und dass man eine pauschale Kürzung von 25 Prozent verhängt für Datenlücken, die unter anderem ja auch deswegen vorliegen, weil die Behörden der Mitgliedsländer nicht rechtzeitig oder nicht in vollem Umfange die Daten geliefert haben. Diese Kürzung ist aber nicht zu Stande gekommen, man ist bei fünf Prozent hängen geblieben.

    Kuhlmann: Wie werden denn überhaupt Daten gesammelt über die Größe der Fischbestände und in welchen Abständen geschieht das?

    Schacht: Das kommt einem wirklich ein bisschen komisch vor, dass man irgendwie versucht, Fische zu zählen. Aber es gibt natürlich wissenschaftliche Grundlagen, die über viele Jahre und Jahrzehnte mit Daten gefüttert ein gutes Modell ergeben, um die Bestandsgrößen zu schätzen. Am Ende ist es natürlich eine Schätzung oder ein möglichst genauer Nährungswert. Tatsächlich sind die Daten aus der Fischerei erheblich daran beteiligt. Die Fangdaten und Anlandedaten aus der Fischerei bilden ein solides Fundament für die Wissenschaft, die dann aber natürlich auch noch eigene Untersuchungsreihen per Ausfahrten und Fangzügen pro Jahr zur Ergänzung macht, und daraus ergeben sich diese wissenschaftlichen Ermittlungen.

    Kuhlmann: Welche Schlüsse sollten wir denn daraus ziehen, wenn wir an der Fischtheke stehen und uns etwas aussuchen wollen?

    Schacht: Die erfreulichen Nachrichten beziehen sich ja oder erstrecken sich ja auch noch auf den Ostsee-Dorsch. Auch hier sind ja erfreuliche Entwicklungen zu verzeichnen. Den Beständen geht es deutlich besser, so dass der Verbraucher auch den beliebten Kabeljau aus der Ostsee sozusagen wieder empfohlen bekommt, auch von uns als den Umweltschützern. Und ansonsten gilt natürlich, immer dann den guten Fisch zu essen. Wir raten ja nicht vom generellen Fischkonsum ab, sondern es gibt in der Regel eine gute Alternative, und die findet man unter anderem auch in unseren Ratgebern zum Fischeinkauf, sowohl online als auch auf Papier zu bestellen, und hier gibt es einige Orientierungswerte. Das eine ist zum Beispiel ein Siegel, was den Verbrauchern nachhaltige Fischerei garantiert. Das heißt MSC.

    Kuhlmann: Danke schön! Es gibt einige Fortschritte, aber um manche Fischarten aus der Ostsee ist es nicht so gut bestellt. Danke schön an Karoline Schacht, die Fischereiexpertin der Umweltorganisation WWF.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.