Murugan sitzt auf einem tischhohen Podest: ganz in Gold, mit einer Blumenkette um den Hals und einer Lanze in der Hand. Ein Hindu-Priester zerrupft Blumen und wirft der Gottheit die Blätter hin, opfert ihm Bananen, kreist mit einer Kerze um den Kopf der Figur und murmelt heilige Mantren, Lobeshymnen für Gott Murugan.
Die Puja – eine Zeremonie für einen hinduistischen Gott – findet in einem Kellerraum in Berlin-Kreuzberg statt. Hier hat die tamilische Hindu-Gemeinde ihren Sitz. Sechsmal am Tag wird in einer solchen Andacht ihr Hauptgott Murugan verehrt.
Von draußen verraten nur ein paar Plakate in den Kellerfenstern, dass sich hier ein Hindu-Tempel befindet, in einer umgebauten Kellerwohnung. Es riecht muffig. Kein angemessener Ort für die Götter, die – so sagt es der Hinduismus – wie Könige behandelt werden sollen. Um ihre Götter in Zukunft in angemessener Weise verehren zu können, baut die tamilische Gemeinde derzeit den ersten repräsentativen Hindu-Tempel in Berlin.
"Man will natürlich auch die Tempel so haben, wie man sie aus dem Herkunftsland kennt. Man will nicht immer nur im Keller sitzen oder in irgendeinem Schuppen, in irgendeiner Fabrikhalle. Man möchte ja auch zeigen, welcher Religion man angehört, man möchte das natürlich auch in der jeweiligen Architektur präsentieren."
Sagt die Religionswissenschaftlerin Liane Wobbe, die über die Hindu-Gemeinden in Berlin geforscht hat. 13 Meter lang und elf Meter hoch wird der neue Tempel in der Blaschkoallee, direkt neben dem Bezirksamt von Berlin-Neukölln. Der Tempelbau – in typisch südindischer Architektur mit zwei verschnörkelten Türmen auf dem Dach – ist schon beinahe fertig. Noch im Herbst dieses Jahres soll er eröffnet werden.
In dem grauen Rohbau arbeiten zwei südindische Kunsthandwerker an den Götterfiguren auf den verschiedenen Altären. Die Arbeiter wurden extra aus Indien eingeflogen, um sie nach jahrhundertealter Tradition zu fertigen. Der Architekt des Tempels, Rainer Szepat, ist von ihrer Kunstfertigkeit beeindruckt.
"Das war für mich auch sehr erstaunlich, dass sie keinerlei schriftliche Aufzeichnungen, Skizzen, Pläne haben. Auch sonst mit großen Wasserwagen nicht arbeiten, sondern einfach ihr Wissen, was bei ihnen gespeichert ist, hier vervollständigt haben. Und wie man sehen kann, sehr exakt alles gearbeitet, ein deutscher Skulpteur könnte so was nie hinzaubern, ohne dass er nicht genau vermaßte Zeichnungen hat."
Was noch fehlt, sind die großen Flügeltüren aus Teakholz für den Eingang, die wegen der komplizierten Ornamentik in Indien gefertigt werden, die Türme auf dem Dach und die bunten Bemalungen der Altäre für die verschiedenen Hindu-Götter im Innenraum des Tempels.
Von solch großen Fortschritten beim Tempelbau kann die indische Gemeinde am Volkspark Hasenheide in Neukölln nur träumen. Hier stehen bislang nur die Betonpfeiler des geplanten 17 Meter hohen Eingangsturms. Derzeit nutzt die Gemeinde eine alte Sporthalle - mit Teppichen ausgelegt – als Kultort. Hier wird nur einmal am Tag eine Puja für den Hauptgott der Gemeinde, Ganesha, gefeiert.
Ganesha, der Gott mit Elefantenkopf und menschlichem Körper gilt als Garant des guten Gelingens. Während der Gott Murugan fast ausschließlich von tamilischen Hindus verehrt wird, ist Ganesha – ein Bruder Murugans – weithin beliebt. Hindus aus ganz unterschiedlichen Regionen verehren ihn. Ganesha soll auch der neue Tempel gewidmet werden. Denn er sei eine Art Integrationsfigur für Hindus, die an ganz verschiedene Götter glaubten, sagt der Geschäftsführer der Gemeinde Hanumaiah Vaidyanathan.
"Ganesha, der wird ja von allen Hindus verehrt. Ist egal, ob er aus Indien kommt, aus Sri Lanka kommt, aus Bali, Indonesien oder Thailand. Sie glauben an Ganesha. Weil wir alle Hindus hier haben wollen, habe ich gesagt, dann suchen wir mal eine Gottheit aus, die von allen Hindus gleichermaßen verehrt wird."
400 Quadratmeter soll der neue Tempel haben und Platz für rund 200 Menschen bieten. Weil es schwierig für die indische Gemeinde ist, das Geld zusammenzubekommen, geht der Bau nur langsam voran. Zwar gibt es einen Kredit der Berliner Volksbank, doch die Gemeinde ist auf Spenden ihrer Gläubigen angewiesen. Obwohl die indischen Hindus in der Regel wohlhabender sind als die tamilischen, ist das Spendenaufkommen aber eher gering. Es fehlt an Zusammenhalt. Außerdem sei ihnen in eigener Tempel auch aus einem anderen Grund nicht ganz so wichtig, sagt Religionswissenschaftlerin Liane Wobbe.
"Während indische Hindus in den 50er- und in den 60er-Jahren eher zum Studieren und zum Arbeiten hierher gekommen sind, trotzdem immer noch engen Kontakt mit ihrem Herkunftsland gehalten haben, war hier auch das Bedürfnis nicht so groß, ihre Religion in derselben Form weiterzuführen. Man hat zwar eigene kleine Schreine für die Götter in den Wohnungen errichtet, aber es war nie so das Bedürfnis in den Tempel zu gehen. Und, wenn man das Bedürfnis hatte, ist man nach Indien geflogen. Man hatte ja Geld, und eben die Möglichkeit, wichtige Zeremonien da durchführen zu lassen."
Für die Hindu-Götter fehlt es in Deutschland auch an heiligen Opfergaben, die es hierzulande einfach nicht gibt: Mangoblätter, heilige Gräser und Blumen oder heilige Zweige von Bäumen, die nur in Indien wachsen. Auch die Feste und genauen Zeiten der Rituale können in Deutschland nicht so gut eingehalten werden. Sie richten sich nach dem Mond oder den Sternenkonstellationen in Indien. Den Gläubigen fehlt es schlicht an Wissen, diese in Deutschland zu berechnen.
"Die Götter werden vernachlässigt. Also wenn man hier in den Murugan-Tempel sieht, zum Beispiel. Man findet dann eben auch mal vertrocknete Blumen, die zum Beispiel in Indien oder in Sri Lanka regelmäßig ausgetauscht werden. Rituale werden nicht mehr so regelmäßig durchgeführt. Sind Tempelbesucher da, führt man die Tempelrituale korrekt durch, sind keine Tempelbesucher da, na ja, dann sitzt man eben auch mal da und lässt sich's gut gehen."
Vielleicht wird sich das ja ändern, wenn bald zwei große Hindu-Tempel in Berlin stehen. Besucher sind jederzeit willkommen, ganz gleich ob sie Hindus sind oder nicht.
Die Puja – eine Zeremonie für einen hinduistischen Gott – findet in einem Kellerraum in Berlin-Kreuzberg statt. Hier hat die tamilische Hindu-Gemeinde ihren Sitz. Sechsmal am Tag wird in einer solchen Andacht ihr Hauptgott Murugan verehrt.
Von draußen verraten nur ein paar Plakate in den Kellerfenstern, dass sich hier ein Hindu-Tempel befindet, in einer umgebauten Kellerwohnung. Es riecht muffig. Kein angemessener Ort für die Götter, die – so sagt es der Hinduismus – wie Könige behandelt werden sollen. Um ihre Götter in Zukunft in angemessener Weise verehren zu können, baut die tamilische Gemeinde derzeit den ersten repräsentativen Hindu-Tempel in Berlin.
"Man will natürlich auch die Tempel so haben, wie man sie aus dem Herkunftsland kennt. Man will nicht immer nur im Keller sitzen oder in irgendeinem Schuppen, in irgendeiner Fabrikhalle. Man möchte ja auch zeigen, welcher Religion man angehört, man möchte das natürlich auch in der jeweiligen Architektur präsentieren."
Sagt die Religionswissenschaftlerin Liane Wobbe, die über die Hindu-Gemeinden in Berlin geforscht hat. 13 Meter lang und elf Meter hoch wird der neue Tempel in der Blaschkoallee, direkt neben dem Bezirksamt von Berlin-Neukölln. Der Tempelbau – in typisch südindischer Architektur mit zwei verschnörkelten Türmen auf dem Dach – ist schon beinahe fertig. Noch im Herbst dieses Jahres soll er eröffnet werden.
In dem grauen Rohbau arbeiten zwei südindische Kunsthandwerker an den Götterfiguren auf den verschiedenen Altären. Die Arbeiter wurden extra aus Indien eingeflogen, um sie nach jahrhundertealter Tradition zu fertigen. Der Architekt des Tempels, Rainer Szepat, ist von ihrer Kunstfertigkeit beeindruckt.
"Das war für mich auch sehr erstaunlich, dass sie keinerlei schriftliche Aufzeichnungen, Skizzen, Pläne haben. Auch sonst mit großen Wasserwagen nicht arbeiten, sondern einfach ihr Wissen, was bei ihnen gespeichert ist, hier vervollständigt haben. Und wie man sehen kann, sehr exakt alles gearbeitet, ein deutscher Skulpteur könnte so was nie hinzaubern, ohne dass er nicht genau vermaßte Zeichnungen hat."
Was noch fehlt, sind die großen Flügeltüren aus Teakholz für den Eingang, die wegen der komplizierten Ornamentik in Indien gefertigt werden, die Türme auf dem Dach und die bunten Bemalungen der Altäre für die verschiedenen Hindu-Götter im Innenraum des Tempels.
Von solch großen Fortschritten beim Tempelbau kann die indische Gemeinde am Volkspark Hasenheide in Neukölln nur träumen. Hier stehen bislang nur die Betonpfeiler des geplanten 17 Meter hohen Eingangsturms. Derzeit nutzt die Gemeinde eine alte Sporthalle - mit Teppichen ausgelegt – als Kultort. Hier wird nur einmal am Tag eine Puja für den Hauptgott der Gemeinde, Ganesha, gefeiert.
Ganesha, der Gott mit Elefantenkopf und menschlichem Körper gilt als Garant des guten Gelingens. Während der Gott Murugan fast ausschließlich von tamilischen Hindus verehrt wird, ist Ganesha – ein Bruder Murugans – weithin beliebt. Hindus aus ganz unterschiedlichen Regionen verehren ihn. Ganesha soll auch der neue Tempel gewidmet werden. Denn er sei eine Art Integrationsfigur für Hindus, die an ganz verschiedene Götter glaubten, sagt der Geschäftsführer der Gemeinde Hanumaiah Vaidyanathan.
"Ganesha, der wird ja von allen Hindus verehrt. Ist egal, ob er aus Indien kommt, aus Sri Lanka kommt, aus Bali, Indonesien oder Thailand. Sie glauben an Ganesha. Weil wir alle Hindus hier haben wollen, habe ich gesagt, dann suchen wir mal eine Gottheit aus, die von allen Hindus gleichermaßen verehrt wird."
400 Quadratmeter soll der neue Tempel haben und Platz für rund 200 Menschen bieten. Weil es schwierig für die indische Gemeinde ist, das Geld zusammenzubekommen, geht der Bau nur langsam voran. Zwar gibt es einen Kredit der Berliner Volksbank, doch die Gemeinde ist auf Spenden ihrer Gläubigen angewiesen. Obwohl die indischen Hindus in der Regel wohlhabender sind als die tamilischen, ist das Spendenaufkommen aber eher gering. Es fehlt an Zusammenhalt. Außerdem sei ihnen in eigener Tempel auch aus einem anderen Grund nicht ganz so wichtig, sagt Religionswissenschaftlerin Liane Wobbe.
"Während indische Hindus in den 50er- und in den 60er-Jahren eher zum Studieren und zum Arbeiten hierher gekommen sind, trotzdem immer noch engen Kontakt mit ihrem Herkunftsland gehalten haben, war hier auch das Bedürfnis nicht so groß, ihre Religion in derselben Form weiterzuführen. Man hat zwar eigene kleine Schreine für die Götter in den Wohnungen errichtet, aber es war nie so das Bedürfnis in den Tempel zu gehen. Und, wenn man das Bedürfnis hatte, ist man nach Indien geflogen. Man hatte ja Geld, und eben die Möglichkeit, wichtige Zeremonien da durchführen zu lassen."
Für die Hindu-Götter fehlt es in Deutschland auch an heiligen Opfergaben, die es hierzulande einfach nicht gibt: Mangoblätter, heilige Gräser und Blumen oder heilige Zweige von Bäumen, die nur in Indien wachsen. Auch die Feste und genauen Zeiten der Rituale können in Deutschland nicht so gut eingehalten werden. Sie richten sich nach dem Mond oder den Sternenkonstellationen in Indien. Den Gläubigen fehlt es schlicht an Wissen, diese in Deutschland zu berechnen.
"Die Götter werden vernachlässigt. Also wenn man hier in den Murugan-Tempel sieht, zum Beispiel. Man findet dann eben auch mal vertrocknete Blumen, die zum Beispiel in Indien oder in Sri Lanka regelmäßig ausgetauscht werden. Rituale werden nicht mehr so regelmäßig durchgeführt. Sind Tempelbesucher da, führt man die Tempelrituale korrekt durch, sind keine Tempelbesucher da, na ja, dann sitzt man eben auch mal da und lässt sich's gut gehen."
Vielleicht wird sich das ja ändern, wenn bald zwei große Hindu-Tempel in Berlin stehen. Besucher sind jederzeit willkommen, ganz gleich ob sie Hindus sind oder nicht.