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Den Gürtel enger schnallen

Zu über einem Drittel finanziert die Türkei den Haushalt ihres nordzypriotischen Bruderstaates. Damit soll jetzt Schluss sein. Doch die Sparpläne der Regierung in Ankara stoßen in Nordzypern auf heftigen Protest.

Von Steffen Wurzel |
    Eine Großdemo im Nordteil der zyprischen Hauptstadt Nikosia: Knapp 50.000 Menschen sollen gekommen sein, das entspricht etwa einem Sechstel der Bevölkerung des türkischen Teils der Insel. Die Demonstranten protestieren dagegen, dass ihre Regierung künftig erheblich weniger Geld aus der Türkei bekommen soll. Um etwa 25 Prozent will die Regierung in Ankara ihr Sponsoring für Nordzypern kürzen.

    Die Menschen in Nordzypern leben in einem Staat, der finanziell am Tropf der Regierung in Ankara hängt. Völkerrechtlich gesehen gehört der Nordteil Zyperns zum EU-Mitglied, der Republik Zypern. Seit den 70er Jahren allerdings ist die Insel geteilt: Neben der griechisch dominierten Republik Zypern existiert im Norden faktisch ein eigener Staat: die "Türkische Republik Nordzypern".

    Auch wenn diese Republik international von keiner Nation außer der Türkei anerkannt wird, leistet sie sich all das, was einen Staat eben so ausmacht: eine Regierung, Polizei, Schulen, Behörden und so weiter. Und das kostet. Vergangenes Jahr hatte der türkisch-nordzyprische Staatshaushalt einen Umfang von knapp 1,3 Milliarden Euro. Mehr als ein Drittel dieser Summe kam direkt oder indirekt aus Ankara. Doch dieser saftige Haushaltszuschuss soll im laufenden Jahr um gut ein Viertel runtergefahren werden. Der stellvertretende türkische Ministerpräsident Cemil Çiçek:

    "Trotz des Geldes aus der Türkei ist es Nordzypern nicht gelungen, von seinen Schulden runterzukommen. Wegen des maroden Staatsapparats und des Haushaltsdefizits bleibt in Nordzypern nichts mehr für Investitionen in Wirtschaft, Industrie und Landwirtschaft übrig. Diese Sektoren schrumpfen von Tag zu Tag! Der marode Staatsapparat frisst alle Ressourcen Nordzyperns auf."

    Deutliche Worte aus Ankara. Vor allem viele Beamte und öffentliche Angestellte in Nordzypern sind entsetzt. Sie dürften es am meisten zu spüren kriegen, wenn die Schutzmacht Türkei ihre Subventionen tatsächlich kürzt. So wie dieser Demonstrant, sehen es viele Zyprer aus dem türkischen Nordteil der Insel:

    "Die Menschen in der Türkei sind unsere Brüder und Schwestern, und sie werden es auch immer sein. Was wir aber nicht hinnehmen werden, ist, dass die türkische Regierung uns als eine Art Provinz der Türkei betrachtet, uns bevormundet und uns beleidigt. Nur darum geht es uns."

    Doch so differenziert wie dieser Teilnehmer drückten sich nicht alle Demonstranten aus. "Wir wollen Euer Geld nicht!", "Ankara, lass mich in Ruhe" und "Hände weg von Zypern", war während der Demonstration auf zahlreichen Transparenten zu lesen. Das wiederum brachte den türkischen Premierminister Tayyip Erdogan auf die Palme:

    "Ich habe mir die Aufnahmen dieser Transparente angesehen.
    Die Türkei wurde zum Teil auf das Übelste beschimpft! Das ging teilweise unter die Gürtellinie. Wir hätten uns gewünscht, dass die Regierung Nordzyperns deutlicher und kritischer auf diese Beschimpfungen reagiert hätte."

    Es kriselt ganz offensichtlich zwischen der Schutzmacht und dem international nicht anerkannten Bruderstaat. Der stellvertretende türkische Ministerpräsident Cemil Çiçek fasst den Ärger der türkischen Regierung so zusammen:

    "Wir haben Demonstranten erlebt, die die Türkei aufgefordert haben: ‘Haut ab, wir wollen Euer Geld nicht!’ Doch diejenigen, die da auf die Türkei geflucht haben, sind am nächsten Tag munter zur Bank gegangen und haben ihr aus der Türkei subventioniertes Monatsgehalt abgehoben."