Fabian Elsäßer: Mister Smith, ihre Fusionband Vital Information gibt es jetzt seit mehr als 30 Jahren. Wie hat sich der Stil in dieser Zeit verändert, ist er rocklastiger oder jazziger geworden?
Steve Smith: Wir haben uns mit der Zeit mehr am Funk und am Worldbeat orientiert. Für unser drittes Album "Global Beat" zum Beispiel haben wir damals afrikanische Musiker dazugeholt, haben Reggae und Jujube-Rhythmen hinzugefügt. In den späten 80ern, frühen 90ern, haben wir angefangen mit Computern zu arbeiten, wie das damals so üblich war. Als wir dann bei Intuition Records, einem deutschen Label, unterschrieben haben, sind wir davon etwas abgekommen und wieder eine – sagen wir mal – organischere Band geworden. Das Album "Where we come from" 1997 war dann ein radikaler Richtungswechsel. Wir haben alle Computer und Clicktracks rausgeworfen und Musik gespielt, die wieder nah unseren persönlichen Wurzeln war, hauptsächlich Jazz, eine Menge Rhythm n Blues und New Orleans-Rhythmen. Bei "Come on in" habe ich indische Rhythmen gelernt, was unseren Klang und unsere Art zu komponieren sehr verändert hat. Da haben wir uns noch einmal neu definiert. Und ich benutze jetzt meine Stimme, um indische Rhythmen zu erzeugen.
Elsäßer: So wie beim Skatgesang?
Smith: Es ist so ähnlich wie Skatten, man nennt es Konnakol. Dabei dabei macht man zum Beispiel so: Da! Takataketikatumm! Takettikataketika-tak-da! (improvisiert einige Zeilen)
Elsäßer: Wie Tablaspielen?
Smith: So in der Art, aber es ähnelt noch mehr der Mridangam, das ist die Trommel Südindiens, während die Tabla aus Nordindien kommt. Die Silben des Konnakol sind also auch überwiegend südindische.
Elsäßer: Wie viel Raum geben Sie Improvisationen auf der Bühne? Ihre Stücke sind ja recht strukturiert für Fusionrock, inwiefern weichen Sie live davon ab?
Smith: Ich würde sagen, Improvisation macht 80 Prozent unserer Auftritte aus. Dennoch sind wir dabei sehr songorientiert. Manche Interviewer dachten schon, dass wir gar nicht improvisieren. Dass wir alles durcharrangiert hätten, so wie im Progrock. Vielleicht kannten sie sich zu wenig aus im Jazz. Aber es ist improvisiert. Wir unterhalten uns dabei quasi nett miteinander und spielen sehr logisch zusammen. Wir nehmen die Zuschauer mit auf eine Reise, wir erzählen mit unseren Improvisationen eine Geschichte.
Elsäßer: Ich habe eine Menge Video- Aufnahmen von ihnen im Internet gesehen. Es wirkte auf mich eigentlich nicht so, als würden Sie die Trommeln schlagen, sondern eher sie dirigieren, fast auf Ihnen malen, so mühelos wirkt das alles. Spielen sie das meiste intuitiv oder haben sie als studierter Musiker einen akademischen Ansatz?
Smith: Das ist eine gute Beobachtung. Denn beim Spielen gehen meine Stöcke nicht weiter in die Abwärtsbewegung, sondern federn sofort beim Aufprall zurück, und ich nutze das, um den Stock von der Trommel wegzubewegen. Auf diese Weise ziehe ich den Klang regelrecht aus der Trommel heraus, ich spiele nicht ins Schlagzeug "hinein". Daher haben meine Felle auch nach einem Monat Touren keine einzige Beule, ich muss sie so gut wie nie wechseln, und ich zerbreche auch nie Stöcke. Meine Technik ist jetzt so verfeinert, dass ich mit geringem Aufwand einen schönen und breiten Klang aus meinen Trommeln holen kann. Ohne mich und mein Instrument dabei zu verletzen. Ich habe die technischen Grundlagen studiert, aber beim Spielen nutze ich sie intuitiv. Nur deshalb lernt man die Technik: damit der eigene Körper den Ideen nicht im Weg ist.
Elsäßer: Hat Sie Progressive Rock eigentlich jemals interessiert?
Smith: Vieles davon höre ich mir gerne an. Wenn man Pink Floyd als Progressive bezeichnen möchte, das ist eine meiner Lieblingsgruppen. Im modernen Progrock ist Porcupine Tree für mich bei Weitem die beste Band, weil sie dieses vielfältige Material haben, das auch Pink Floyd Ansätze beinhaltet, mit Hardrockelementen. Es ist kein Genre, auf das ich viel Zeit verwende, aber diese Band gefällt mir sehr.
Elsäßer: Das bringt uns zu Ihrer frühen Karriere in den 70ern mit der Hardrockband Journey. Zuvor hatten sie schon Fusionmusik gespielt, war es da nicht ein bisschen anstrengend, Ihr Spiel so zu reduzieren.
Smith: Die Verwandlung von einem Fusion in einen Rockschlagzeuger bei Journey war schon schwierig. Ich war zwar offen für Veränderungen, aber ich musste mein Spiel disziplinieren. Ich musste lernen, ein komponierender Rock-Pop-Schlagzeuger zu sein. Ich improvisierte nicht in den Songs, sondern spielte ein festgelegtes Schlagmuster, das Teil der Komposition wurde. Da musste ich einige Hausaufgaben machen. Von da an fing ich an, ernsthaft Led Zeppelin zuzuhören. Wie macht Jon Bonham das, wie Ringo bei den Beatles und Charlie Watts bei den Stones? Es war eine großartige Gelegenheit, und ich war dann auch neun Jahre bei Journey.
Elsäßer: Hätten Sie damals gedacht, dass Journey so groß werden würden? Nach dem Album Escape 1982 waren sie glaube ich eine der erfolgreichsten Bands der USA.
Smith: Naja, das war ja auch unsere feste Absicht: groß zu werden! Anfangs spielte die Band so vor 1.500 Leuten, ungefähr vor so vielen wie ich vorher bei Jean Luc Ponty. Mit "Escape" änderte sich alles. Bis dahin hatten unsere Alben alle Platin bekommen, sich also eine Million mal verkauft. Aber von Escape verkauften wir in den ersten Monaten fünf Millionen Exemplare! Auf einmal spielten wir in riesigen Stadien vor 70.000 bis 90.000 Zuschauern, manchmal drei Tage hintereinander. In dieser Zeit, von 1982 bis 1984, waren die drei bestbesuchten Konzertereignisse: Police, Bruce Springsteen – und Journey. Ziemlich aufregend.
Elsäßer: Da waren sie nicht mal 30 Jahre alt. Steigt einem das nicht zu Kopf, viele Musiker halten sich dann für Superstars, nehmen Kokain und drehen durch. Wie haben Sie sich davor geschützt?
Smith: Oh, ich habe Vital Information gegründet (schallendes Gelächter).
Elsäßer: Vermissen Sie diesen riesigen Stadien manchmal, denn jetzt spielen Sie wieder in kleinen Clubs?
Smith: Nein, überhaupt nicht. Weil das nicht annähernd so persönlich ist, wie in einem Club oder einem kleinen Theater zu spielen, wo die Reaktion der Zuschauer viel direkter und interessanter ist. In den Stadien hingegen ist das eher ein Spektakel als eine musikalische Erfahrung.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Steve Smith: Wir haben uns mit der Zeit mehr am Funk und am Worldbeat orientiert. Für unser drittes Album "Global Beat" zum Beispiel haben wir damals afrikanische Musiker dazugeholt, haben Reggae und Jujube-Rhythmen hinzugefügt. In den späten 80ern, frühen 90ern, haben wir angefangen mit Computern zu arbeiten, wie das damals so üblich war. Als wir dann bei Intuition Records, einem deutschen Label, unterschrieben haben, sind wir davon etwas abgekommen und wieder eine – sagen wir mal – organischere Band geworden. Das Album "Where we come from" 1997 war dann ein radikaler Richtungswechsel. Wir haben alle Computer und Clicktracks rausgeworfen und Musik gespielt, die wieder nah unseren persönlichen Wurzeln war, hauptsächlich Jazz, eine Menge Rhythm n Blues und New Orleans-Rhythmen. Bei "Come on in" habe ich indische Rhythmen gelernt, was unseren Klang und unsere Art zu komponieren sehr verändert hat. Da haben wir uns noch einmal neu definiert. Und ich benutze jetzt meine Stimme, um indische Rhythmen zu erzeugen.
Elsäßer: So wie beim Skatgesang?
Smith: Es ist so ähnlich wie Skatten, man nennt es Konnakol. Dabei dabei macht man zum Beispiel so: Da! Takataketikatumm! Takettikataketika-tak-da! (improvisiert einige Zeilen)
Elsäßer: Wie Tablaspielen?
Smith: So in der Art, aber es ähnelt noch mehr der Mridangam, das ist die Trommel Südindiens, während die Tabla aus Nordindien kommt. Die Silben des Konnakol sind also auch überwiegend südindische.
Elsäßer: Wie viel Raum geben Sie Improvisationen auf der Bühne? Ihre Stücke sind ja recht strukturiert für Fusionrock, inwiefern weichen Sie live davon ab?
Smith: Ich würde sagen, Improvisation macht 80 Prozent unserer Auftritte aus. Dennoch sind wir dabei sehr songorientiert. Manche Interviewer dachten schon, dass wir gar nicht improvisieren. Dass wir alles durcharrangiert hätten, so wie im Progrock. Vielleicht kannten sie sich zu wenig aus im Jazz. Aber es ist improvisiert. Wir unterhalten uns dabei quasi nett miteinander und spielen sehr logisch zusammen. Wir nehmen die Zuschauer mit auf eine Reise, wir erzählen mit unseren Improvisationen eine Geschichte.
Elsäßer: Ich habe eine Menge Video- Aufnahmen von ihnen im Internet gesehen. Es wirkte auf mich eigentlich nicht so, als würden Sie die Trommeln schlagen, sondern eher sie dirigieren, fast auf Ihnen malen, so mühelos wirkt das alles. Spielen sie das meiste intuitiv oder haben sie als studierter Musiker einen akademischen Ansatz?
Smith: Das ist eine gute Beobachtung. Denn beim Spielen gehen meine Stöcke nicht weiter in die Abwärtsbewegung, sondern federn sofort beim Aufprall zurück, und ich nutze das, um den Stock von der Trommel wegzubewegen. Auf diese Weise ziehe ich den Klang regelrecht aus der Trommel heraus, ich spiele nicht ins Schlagzeug "hinein". Daher haben meine Felle auch nach einem Monat Touren keine einzige Beule, ich muss sie so gut wie nie wechseln, und ich zerbreche auch nie Stöcke. Meine Technik ist jetzt so verfeinert, dass ich mit geringem Aufwand einen schönen und breiten Klang aus meinen Trommeln holen kann. Ohne mich und mein Instrument dabei zu verletzen. Ich habe die technischen Grundlagen studiert, aber beim Spielen nutze ich sie intuitiv. Nur deshalb lernt man die Technik: damit der eigene Körper den Ideen nicht im Weg ist.
Elsäßer: Hat Sie Progressive Rock eigentlich jemals interessiert?
Smith: Vieles davon höre ich mir gerne an. Wenn man Pink Floyd als Progressive bezeichnen möchte, das ist eine meiner Lieblingsgruppen. Im modernen Progrock ist Porcupine Tree für mich bei Weitem die beste Band, weil sie dieses vielfältige Material haben, das auch Pink Floyd Ansätze beinhaltet, mit Hardrockelementen. Es ist kein Genre, auf das ich viel Zeit verwende, aber diese Band gefällt mir sehr.
Elsäßer: Das bringt uns zu Ihrer frühen Karriere in den 70ern mit der Hardrockband Journey. Zuvor hatten sie schon Fusionmusik gespielt, war es da nicht ein bisschen anstrengend, Ihr Spiel so zu reduzieren.
Smith: Die Verwandlung von einem Fusion in einen Rockschlagzeuger bei Journey war schon schwierig. Ich war zwar offen für Veränderungen, aber ich musste mein Spiel disziplinieren. Ich musste lernen, ein komponierender Rock-Pop-Schlagzeuger zu sein. Ich improvisierte nicht in den Songs, sondern spielte ein festgelegtes Schlagmuster, das Teil der Komposition wurde. Da musste ich einige Hausaufgaben machen. Von da an fing ich an, ernsthaft Led Zeppelin zuzuhören. Wie macht Jon Bonham das, wie Ringo bei den Beatles und Charlie Watts bei den Stones? Es war eine großartige Gelegenheit, und ich war dann auch neun Jahre bei Journey.
Elsäßer: Hätten Sie damals gedacht, dass Journey so groß werden würden? Nach dem Album Escape 1982 waren sie glaube ich eine der erfolgreichsten Bands der USA.
Smith: Naja, das war ja auch unsere feste Absicht: groß zu werden! Anfangs spielte die Band so vor 1.500 Leuten, ungefähr vor so vielen wie ich vorher bei Jean Luc Ponty. Mit "Escape" änderte sich alles. Bis dahin hatten unsere Alben alle Platin bekommen, sich also eine Million mal verkauft. Aber von Escape verkauften wir in den ersten Monaten fünf Millionen Exemplare! Auf einmal spielten wir in riesigen Stadien vor 70.000 bis 90.000 Zuschauern, manchmal drei Tage hintereinander. In dieser Zeit, von 1982 bis 1984, waren die drei bestbesuchten Konzertereignisse: Police, Bruce Springsteen – und Journey. Ziemlich aufregend.
Elsäßer: Da waren sie nicht mal 30 Jahre alt. Steigt einem das nicht zu Kopf, viele Musiker halten sich dann für Superstars, nehmen Kokain und drehen durch. Wie haben Sie sich davor geschützt?
Smith: Oh, ich habe Vital Information gegründet (schallendes Gelächter).
Elsäßer: Vermissen Sie diesen riesigen Stadien manchmal, denn jetzt spielen Sie wieder in kleinen Clubs?
Smith: Nein, überhaupt nicht. Weil das nicht annähernd so persönlich ist, wie in einem Club oder einem kleinen Theater zu spielen, wo die Reaktion der Zuschauer viel direkter und interessanter ist. In den Stadien hingegen ist das eher ein Spektakel als eine musikalische Erfahrung.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.