Die Schuldenlast von Bund, Ländern und Gemeinden ist innerhalb eines dreiviertel Jahres um fast 100 Milliarden Euro gestiegen. Jeder Bundesbürger steht damit im Schnitt rein rechnerisch mit 21.882 Euro in der Kreide. Vor allem die Kommunen steuern auf einen neuen Schuldenrekord zu, wie der Deutsche Städte- und Gemeindebund gestern in Berlin verlauten ließ. Demnach schließen die Kommunen 2010 als das finanziell bisher schlechteste Jahr der Nachkriegsgesichte ab. Und das, obwohl die boomende Wirtschaft die Steuerkassen eigentlich klingeln lässt. Ein Widerspruch? Nur auf den ersten Blick.
Es ist einer dieser schmuddeligen Wintertage im Dezember. Wer von der Autobahn A3 in Richtung Leverkusen-Opladen abbiegt, findet sich - nach einer Fahrt durch kleinere Gewerbegebiete - recht schnell in adretten Wohnvierteln wieder. Hier stehen sehr gepflegte, schmucke Einfamilienhäuschen, die vermuten lassen, dass die Finanzlage der Stadt nicht so schlecht sein kann. Immerhin sind zwei große Chemiekonzerne in Leverkusen ansässig. Linkerhand taucht mitten zwischen den Wohnhäusern ein fünfstöckiger Betonklotz mit braunen Fenstern auf, der so gar nicht ins Bild passt: der Sitz der Stadtverwaltung. Rainer Häusler, der Stadtkämmerer von Leverkusen, residiert im ersten Stock. Seit dem Jahr 1992 versucht er, den städtischen Haushalt zu konsolidieren:
"Wir kennen das Thema schon seit 18 Jahren, haben die Zitrone schon mehrfach gequetscht und noch mal gewürgt und haben also auch wirklich schon viel getan. Nur alles dies war bisher vergeblich. Denn das, was wir erreicht haben, den Haushalt ein Stück weit zu konsolidieren, wird konterkariert eben über den Weg, dass wir zwischenzeitlich neue Aufgaben übertragen bekommen. Politisch gesehen, gesellschaftspolitisch, arbeitsmarktpolitisch, familienpolitisch ist das alles okay. Aber wie das Ganze finanziert wird, findet die endgültige Lösung nicht statt, so nach dem Motto: Da unten macht das die Stadt."
Kosten für die Unterkunft von Langzeitarbeitslosen, Grundsicherung im Alter, Eingliederungshilfe für Behinderte, Kinder- und Jugendhilfe: Die Soziallasten für die Kommunen haben sich in den vergangenen Jahren nahezu verdoppelt. Nach Angaben des Deutschen Städtetags summieren sich die Sozialausgaben für die Kommunen bis Ende des Jahres auf rund 42 Milliarden Euro. Sowohl der Bund als auch die jeweiligen Bundesländer können den Städten und Gemeinden neue Aufgaben übertragen oder bestehende ausweiten - häufig mit erheblichen zusätzlichen Kosten.
Das sogenannte Konnexitätsprinzip ist inzwischen in allen Landesverfassungen verankert. Es besagt, dass die Kosten für eine öffentliche Aufgabe von der Ebene zu tragen sind, die darüber entscheidet. In der Praxis aber bleiben die Gemeinden oft auf den Ausgaben sitzen. Sie müssen das Geld woanders her beschaffen oder an anderer Stelle einsparen. Im Haushalt der Stadt Leverkusen klafft ein Loch von knapp 85 Millionen Euro. Seit einiger Zeit ist die Stadt sogar Mitglied im kommunalen Aktionsbündnis "Raus aus den Schulden", dem auch klamme Ruhrgebietsmetropolen wie Dortmund oder Bochum angehören. In den nächsten fünf Jahren sollen mit einem 99-Punkte-Paket, das der Stadtrat soeben beschlossen hat, 148 Millionen Euro gespart werden. Kämmerer Häusler muss Personal abbauen, Leistungen kürzen oder ganz streichen und Steuern erhöhen.
"Zum Beispiel in der Grundsteuer haben wir eine 18-prozentige Erhöhung von 500 Prozentpunkten auf 590 Prozentpunkte. Das sucht seinesgleichen erst mal in den Nachbargemeinden. Es gibt glaube ich in Nordrhein-Westfalen zurzeit nur drei andere Städte, die diesen Weg auch gegangen sind. Aber wir sehen gar nicht uns imstande, außer über Personalreduzierung, außer über allgemeine Aufwandsreduzierungen, uns zu helfen, weil uns die Soziallasten, die rennen uns davon."
Es ist einer dieser schmuddeligen Wintertage im Dezember. Wer von der Autobahn A3 in Richtung Leverkusen-Opladen abbiegt, findet sich - nach einer Fahrt durch kleinere Gewerbegebiete - recht schnell in adretten Wohnvierteln wieder. Hier stehen sehr gepflegte, schmucke Einfamilienhäuschen, die vermuten lassen, dass die Finanzlage der Stadt nicht so schlecht sein kann. Immerhin sind zwei große Chemiekonzerne in Leverkusen ansässig. Linkerhand taucht mitten zwischen den Wohnhäusern ein fünfstöckiger Betonklotz mit braunen Fenstern auf, der so gar nicht ins Bild passt: der Sitz der Stadtverwaltung. Rainer Häusler, der Stadtkämmerer von Leverkusen, residiert im ersten Stock. Seit dem Jahr 1992 versucht er, den städtischen Haushalt zu konsolidieren:
"Wir kennen das Thema schon seit 18 Jahren, haben die Zitrone schon mehrfach gequetscht und noch mal gewürgt und haben also auch wirklich schon viel getan. Nur alles dies war bisher vergeblich. Denn das, was wir erreicht haben, den Haushalt ein Stück weit zu konsolidieren, wird konterkariert eben über den Weg, dass wir zwischenzeitlich neue Aufgaben übertragen bekommen. Politisch gesehen, gesellschaftspolitisch, arbeitsmarktpolitisch, familienpolitisch ist das alles okay. Aber wie das Ganze finanziert wird, findet die endgültige Lösung nicht statt, so nach dem Motto: Da unten macht das die Stadt."
Kosten für die Unterkunft von Langzeitarbeitslosen, Grundsicherung im Alter, Eingliederungshilfe für Behinderte, Kinder- und Jugendhilfe: Die Soziallasten für die Kommunen haben sich in den vergangenen Jahren nahezu verdoppelt. Nach Angaben des Deutschen Städtetags summieren sich die Sozialausgaben für die Kommunen bis Ende des Jahres auf rund 42 Milliarden Euro. Sowohl der Bund als auch die jeweiligen Bundesländer können den Städten und Gemeinden neue Aufgaben übertragen oder bestehende ausweiten - häufig mit erheblichen zusätzlichen Kosten.
Das sogenannte Konnexitätsprinzip ist inzwischen in allen Landesverfassungen verankert. Es besagt, dass die Kosten für eine öffentliche Aufgabe von der Ebene zu tragen sind, die darüber entscheidet. In der Praxis aber bleiben die Gemeinden oft auf den Ausgaben sitzen. Sie müssen das Geld woanders her beschaffen oder an anderer Stelle einsparen. Im Haushalt der Stadt Leverkusen klafft ein Loch von knapp 85 Millionen Euro. Seit einiger Zeit ist die Stadt sogar Mitglied im kommunalen Aktionsbündnis "Raus aus den Schulden", dem auch klamme Ruhrgebietsmetropolen wie Dortmund oder Bochum angehören. In den nächsten fünf Jahren sollen mit einem 99-Punkte-Paket, das der Stadtrat soeben beschlossen hat, 148 Millionen Euro gespart werden. Kämmerer Häusler muss Personal abbauen, Leistungen kürzen oder ganz streichen und Steuern erhöhen.
"Zum Beispiel in der Grundsteuer haben wir eine 18-prozentige Erhöhung von 500 Prozentpunkten auf 590 Prozentpunkte. Das sucht seinesgleichen erst mal in den Nachbargemeinden. Es gibt glaube ich in Nordrhein-Westfalen zurzeit nur drei andere Städte, die diesen Weg auch gegangen sind. Aber wir sehen gar nicht uns imstande, außer über Personalreduzierung, außer über allgemeine Aufwandsreduzierungen, uns zu helfen, weil uns die Soziallasten, die rennen uns davon."
Woher nehmen, wenn nicht stehlen
Schon im November geisterten Meldungen durch die Presse, dass viele Städte und Gemeinden im Jahr 2011 aufgrund ihrer miserablen Finanzlage Gebühren und Steuern deutlich aufstocken werden müssen. Wobei das Wirtschaftlichkeitsgebot Kommunen grundsätzlich dazu zwingt, für erbrachte Leistungen Gebühren so zu erheben, dass die konkreten Kosten gedeckt sind. Erhöhungen resultieren meist daraus, dass Städte und Gemeinden in der Vergangenheit aus politischen Gründen Gebühren zu niedrig angesetzt hatten. Zum Beispiel für die örtlichen Büchereien oder für das Ausstellen des neuen Personalausweises. Die einträchtigere Einnahmequelle aber sind die Steuern. In diesem Bereich wird mit Jahresbeginn von der Grundsteuer bis hin zur Hundesteuer erhöht - und auch neue Steuern erfunden. So denken einige Kommunen über die Einführung einer Pferde- und Tierfuttersteuer nach, andere kreieren eine Kultur-Förderabgabe. Das sei kein neuer Trend, erläutert der Heidelberger Finanz- und Steuerrechtler, Professor Ekkehart Reimer:
"Das größte Aufsehen hat in den 70er-Jahren die Zweitwohnungssteuer erlangt. Erstmals in Überlingen am Bodensee eingeführt, beruht sie auf einem wissenschaftlichen Vorschlag und die Zweitwohnungssteuer hat sich heute in vielen Städten durchgesetzt. Sie hat sich aber auch durchgesetzt in typischen Fremdenverkehrsgemeinden, in denen sehr viele Leute ein Ferienhaus haben. Und am Beispiel der Zweitwohnungssteuer lässt sich eines gut zeigen: Die Kommunen haben durchaus ein eigenes Steuererfindungsrecht."
Dieses Steuer-Erfindungsrecht der Kommunen ist allerdings beschränkt. Im Grundgesetz ist festgelegt, dass nur spezielle Verbrauch- und Aufwandsteuern von den Städten und Gemeinden direkt erhoben werden dürfen. Ob zum Beispiel die viel diskutierte Bettensteuer, die etwa München, Köln oder Bremen künftig bei Touristen abkassieren wollen, diesem Kriterium standhält, ist noch offen.
Die wichtigste Einnahmequelle ist - neben dem Anteil an der Einkommensteuer, den die Kommunen von Bund und Ländern erhalten - die Gewerbesteuer. Rund 34,6 Milliarden Euro flossen nach Angaben des Deutschen Städtetags im laufenden Jahr - mit steigender Tendenz. Obwohl die Gewerbesteuer als äußerst konjunkturanfällig und damit als unstet gilt, wundert es daher nicht, dass die Städte und Gemeinden sich mit Vehemenz gegen ihre Reform oder gar Abschaffung wehren. Professor Ekkehart Reimer:
"Der Bürgermeister muss sich, wenn er die örtlichen Steuersätze anhebt, nur mit einigen wenigen Gewerbetreibenden herumschlagen. Hätte man eine Steuer, die die ganze Bevölkerung betrifft, stünde die örtliche Haushaltspolitik, die kommunale Steuerpolitik viel stärker unter öffentlicher Beobachtung. Und es gibt immer noch einige Kommunalpolitiker, die das nicht wertschätzen."
Eine von der Bundesregierung eingesetzte Gemeindefinanzkommission sollte die Gewerbesteuer auf den Prüfstand stellen und Alternativen vorschlagen. Dieses Gremium diskutiert nunmehr seit mehr als einem Dreivierteljahr, wie die kommunalen Finanzen saniert werden könnten - bislang ohne Ergebnis. Anfang November erklärten die Beteiligten - der Bundesfinanzminister und die kommunalen Spitzenverbände -, dass sie sich im Grunde auf nichts verständigen könnten.
"Die Teilnehmer des Gesprächs stellen fest, dass bisher keine Einigung auf das mit dem Ziel einer Verstetigung der kommunalen Steuereinnahmen von der Bundesregierung eingebrachte Modell zum Ersatz der Gewerbesteuer erreicht wurde und die Kommunen ihre Auffassung beibehalten, dass es nach wie vor keine tragfähige Alternative zur Gewerbesteuer gibt."
Ein Vorschlag von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), die Einkommensteuersätze zu senken und dafür den Kommunen ein individuelles Zuschlagsrecht zu gewähren, wurde vor allem von den Städten, aber auch von der Opposition im Bundestag abgelehnt. Dass die Kommunen einen Teil der Einkommensteuer selbst festsetzen dürfen, steht übrigens schon lange im Grundgesetz.
"Die Gemeinden erhalten einen Anteil an dem Aufkommen der Einkommensteuer, der von den Ländern an ihre Gemeinden auf der Grundlage der Einkommensteuerleistungen ihrer Einwohner weiterzuleiten ist. Das Nähere bestimmt ein Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Es kann bestimmen, dass die Gemeinden Hebesätze für den Gemeindeanteil festsetzen."
Ein solches Gesetz gibt es aber bis heute nicht. Und in der zustimmungspflichtigen Länderkammer hat die Bundesregierung aus CDU/CSU und FDP keine Mehrheit mehr; die Opposition aus SPD, Grünen und Linkspartei im Bundesrat aber wird eine derartige Neuregelung wohl kaum billigen.
"Das größte Aufsehen hat in den 70er-Jahren die Zweitwohnungssteuer erlangt. Erstmals in Überlingen am Bodensee eingeführt, beruht sie auf einem wissenschaftlichen Vorschlag und die Zweitwohnungssteuer hat sich heute in vielen Städten durchgesetzt. Sie hat sich aber auch durchgesetzt in typischen Fremdenverkehrsgemeinden, in denen sehr viele Leute ein Ferienhaus haben. Und am Beispiel der Zweitwohnungssteuer lässt sich eines gut zeigen: Die Kommunen haben durchaus ein eigenes Steuererfindungsrecht."
Dieses Steuer-Erfindungsrecht der Kommunen ist allerdings beschränkt. Im Grundgesetz ist festgelegt, dass nur spezielle Verbrauch- und Aufwandsteuern von den Städten und Gemeinden direkt erhoben werden dürfen. Ob zum Beispiel die viel diskutierte Bettensteuer, die etwa München, Köln oder Bremen künftig bei Touristen abkassieren wollen, diesem Kriterium standhält, ist noch offen.
Die wichtigste Einnahmequelle ist - neben dem Anteil an der Einkommensteuer, den die Kommunen von Bund und Ländern erhalten - die Gewerbesteuer. Rund 34,6 Milliarden Euro flossen nach Angaben des Deutschen Städtetags im laufenden Jahr - mit steigender Tendenz. Obwohl die Gewerbesteuer als äußerst konjunkturanfällig und damit als unstet gilt, wundert es daher nicht, dass die Städte und Gemeinden sich mit Vehemenz gegen ihre Reform oder gar Abschaffung wehren. Professor Ekkehart Reimer:
"Der Bürgermeister muss sich, wenn er die örtlichen Steuersätze anhebt, nur mit einigen wenigen Gewerbetreibenden herumschlagen. Hätte man eine Steuer, die die ganze Bevölkerung betrifft, stünde die örtliche Haushaltspolitik, die kommunale Steuerpolitik viel stärker unter öffentlicher Beobachtung. Und es gibt immer noch einige Kommunalpolitiker, die das nicht wertschätzen."
Eine von der Bundesregierung eingesetzte Gemeindefinanzkommission sollte die Gewerbesteuer auf den Prüfstand stellen und Alternativen vorschlagen. Dieses Gremium diskutiert nunmehr seit mehr als einem Dreivierteljahr, wie die kommunalen Finanzen saniert werden könnten - bislang ohne Ergebnis. Anfang November erklärten die Beteiligten - der Bundesfinanzminister und die kommunalen Spitzenverbände -, dass sie sich im Grunde auf nichts verständigen könnten.
"Die Teilnehmer des Gesprächs stellen fest, dass bisher keine Einigung auf das mit dem Ziel einer Verstetigung der kommunalen Steuereinnahmen von der Bundesregierung eingebrachte Modell zum Ersatz der Gewerbesteuer erreicht wurde und die Kommunen ihre Auffassung beibehalten, dass es nach wie vor keine tragfähige Alternative zur Gewerbesteuer gibt."
Ein Vorschlag von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), die Einkommensteuersätze zu senken und dafür den Kommunen ein individuelles Zuschlagsrecht zu gewähren, wurde vor allem von den Städten, aber auch von der Opposition im Bundestag abgelehnt. Dass die Kommunen einen Teil der Einkommensteuer selbst festsetzen dürfen, steht übrigens schon lange im Grundgesetz.
"Die Gemeinden erhalten einen Anteil an dem Aufkommen der Einkommensteuer, der von den Ländern an ihre Gemeinden auf der Grundlage der Einkommensteuerleistungen ihrer Einwohner weiterzuleiten ist. Das Nähere bestimmt ein Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Es kann bestimmen, dass die Gemeinden Hebesätze für den Gemeindeanteil festsetzen."
Ein solches Gesetz gibt es aber bis heute nicht. Und in der zustimmungspflichtigen Länderkammer hat die Bundesregierung aus CDU/CSU und FDP keine Mehrheit mehr; die Opposition aus SPD, Grünen und Linkspartei im Bundesrat aber wird eine derartige Neuregelung wohl kaum billigen.
Dispo überzogen: Die Ausgabenseite
Seit Monaten arbeitet der Finanzwissenschaftler Thomas Lenk, Professor an der Universität Leipzig, gemeinsam mit Kollegen an einem Gutachten für die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen. In der Studie, die noch die schwarz-gelbe Rüttgers-Regierung in Auftrag gegeben hat, geht es um Haushaltsausgleich und Schuldenabbau. Ein höchst brisantes Thema, da die kommunale Verschuldung im bevölkerungsreichsten Bundesland inzwischen jenseits von Gut und Böse liegt:
"Die kommunale Verschuldung pro Kopf war im Jahr 2000 ungefähr bei 100 Euro und ist jetzt in Deutschland das Fünffache - bei also 500 Euro pro Kopf. Das ist der Durchschnitt. Und wenn wir uns jetzt Nordrhein-Westfalen anschauen, dann liegt Nordrhein-Westfalen im Durchschnitt pro Einwohner am Ende des Jahres 2009 bei fast 1.000 Euro. Zum Vergleich kann man mal die Länder nehmen, wo der Kassenkredit pro Einwohner recht niedrig ist. Da ist das beste Land Sachsen mit 15 Euro oder Baden-Württemberg mit 20 Euro. Das ist alles im Normalbereich."
Die Negativ-Hitliste für ganz Deutschland führt Oberhausen mit fünfeinhalbtausend Euro pro Kopf an. Eine Schuldenfalle, aus der sich die Städte kaum mehr selbst befreien können. Dabei dürfen Kommunen eigentlich gar keine Schulden machen, zumindest nicht in dem Sinne, wie es Bund und Länder tun. Claus Hamacher ist beim Städte- und Gemeindebund Nordrhein-Westfalen zuständig für den Bereich Finanzen. Er erklärt, wo auf kommunaler Ebene die Problematik liegt:
"Die Regel ist einfach die, dass den Schulden auch Werte, Vermögenswerte gegenüberstehen müssen. Also, Kreditaufnahme für Investitionen ist ganz unproblematisch. Problematisch sind die Kassenkredite. Das sind ja eigentlich die, ich sag mal, Überziehungskredite, wenn man das auf Privatpersonen münzen würde, die Überziehung des Girokontos. Eigentlich nur gedacht zur kurzfristigen Überbrückung von Liquiditätsschwierigkeiten. Aber die Funktion haben sie längst verloren."
Mittlerweile werden viele Kassenkredite nicht mehr bis zum Jahresende getilgt, sondern laufen über drei bis zu zehn Jahren. Diese Kassenkredite machen inzwischen mehr als ein Drittel der kommunalen Verschuldung aus. Mit der Folge, dass viele Kommunen ihre Haushalte zum Jahresende nicht ausgleichen können und von der Substanz leben.
"Die kommunale Verschuldung pro Kopf war im Jahr 2000 ungefähr bei 100 Euro und ist jetzt in Deutschland das Fünffache - bei also 500 Euro pro Kopf. Das ist der Durchschnitt. Und wenn wir uns jetzt Nordrhein-Westfalen anschauen, dann liegt Nordrhein-Westfalen im Durchschnitt pro Einwohner am Ende des Jahres 2009 bei fast 1.000 Euro. Zum Vergleich kann man mal die Länder nehmen, wo der Kassenkredit pro Einwohner recht niedrig ist. Da ist das beste Land Sachsen mit 15 Euro oder Baden-Württemberg mit 20 Euro. Das ist alles im Normalbereich."
Die Negativ-Hitliste für ganz Deutschland führt Oberhausen mit fünfeinhalbtausend Euro pro Kopf an. Eine Schuldenfalle, aus der sich die Städte kaum mehr selbst befreien können. Dabei dürfen Kommunen eigentlich gar keine Schulden machen, zumindest nicht in dem Sinne, wie es Bund und Länder tun. Claus Hamacher ist beim Städte- und Gemeindebund Nordrhein-Westfalen zuständig für den Bereich Finanzen. Er erklärt, wo auf kommunaler Ebene die Problematik liegt:
"Die Regel ist einfach die, dass den Schulden auch Werte, Vermögenswerte gegenüberstehen müssen. Also, Kreditaufnahme für Investitionen ist ganz unproblematisch. Problematisch sind die Kassenkredite. Das sind ja eigentlich die, ich sag mal, Überziehungskredite, wenn man das auf Privatpersonen münzen würde, die Überziehung des Girokontos. Eigentlich nur gedacht zur kurzfristigen Überbrückung von Liquiditätsschwierigkeiten. Aber die Funktion haben sie längst verloren."
Mittlerweile werden viele Kassenkredite nicht mehr bis zum Jahresende getilgt, sondern laufen über drei bis zu zehn Jahren. Diese Kassenkredite machen inzwischen mehr als ein Drittel der kommunalen Verschuldung aus. Mit der Folge, dass viele Kommunen ihre Haushalte zum Jahresende nicht ausgleichen können und von der Substanz leben.
Sparen ohne Alternative?
Meerbusch ist ein nettes Städtchen vor den Toren von Düsseldorf. Viele kleine rot verklinkerte Häuser und die katholische Dorfkirche säumen die Ortsdurchfahrtsstraße. Es wird gebaut, ein grünes Schild weist auf den Golfpark Meerbusch hin. Der große Parkplatz vor dem zweistöckigen Steinbau der Stadtverwaltung ist gebührenfrei. Drinnen sitzt Helmut Fiebig, der Kämmerer der Stadt. Er konnte in der Vergangenheit Sanierungen, zum Beispiel für das neue Schuldach, nicht ausschließlich über Kredite, sondern auch aus dem laufenden Haushalt finanzieren. Stolz ist er auch darauf, dass er dieses Jahr Kredite tilgen kann:
"Es ist nicht viel. Aber damit unterscheiden wir uns schon von anderen Gemeinden oder auch von Bund und Ländern, die von einer Nettoneuverschuldung sprechen. Wir sprechen von einer Nettoneukredittilgung. Wir haben also in diesem Jahr drei Millionen an Krediten aufgenommen, aber 3,7 Millionen getilgt."
Allerdings weist auch der Haushalt der Stadt Meerbusch ein Loch auf, das mit einer höheren Grundsteuer gestopft werden soll.
"Die Mehreinnahmen sind knapp 900.000 Euro. Das ist eine Steuer, die letztendlich von allen Bürgern zu erbringen ist. Entweder haben sie selbst Eigentum und bezahlen es dann direkt über die Grundbesitzabgaben oder sie sind Mieter und bezahlen es über die Nebenkosten. Das liegt ganz einfach daran, dass die Dienstleistungen oder die Serviceangebote der Stadt Meerbusch in der Regel von allen Bürgern in Anspruch genommen werden. Und deshalb macht es schon Sinn, genau diejenigen, die von den Vorteilen profitieren, auch mit den Kosten zu belasten."
Denn im Gegensatz zu Gebühren - etwa für den Eintritt ins Schwimmbad oder für Kosten der Müllabfuhr - sind Steuern grundsätzlich nicht an eine bestimmte Gegenleistung geknüpft. Und dürfen daher auch für alle Ausgaben, die eine Kommune hat, verwendet werden. Und genau das macht den Umgang mit diesen Einnahmen so riskant. Claus Hamacher vom Städte- und Gemeindebund sieht daher im Ausgabeverhalten mancher Kommunen eine Ursache für das Verschuldungsproblem. Vor allem die großen Städte hätten häufig Probleme, politischen Konsens für eine Sparlinie zu finden:
"Wenn eine hoch verschuldete Stadt noch zweistellige Millionenbeträge in den Neubau eines Fußballstadions investiert, dann stellen natürlich die Kleinen die Frage: Ist das so richtig? Insbesondere, wenn ihnen möglicherweise später abverlangt wird, das im Wege interkommunaler Solidarität mitzufinanzieren. Gerade wenn vielleicht diese betroffene kleine Kommune sich seit Jahren den Kunstrasenplatz für den eigenen Sportverein verkneift."
"Es ist nicht viel. Aber damit unterscheiden wir uns schon von anderen Gemeinden oder auch von Bund und Ländern, die von einer Nettoneuverschuldung sprechen. Wir sprechen von einer Nettoneukredittilgung. Wir haben also in diesem Jahr drei Millionen an Krediten aufgenommen, aber 3,7 Millionen getilgt."
Allerdings weist auch der Haushalt der Stadt Meerbusch ein Loch auf, das mit einer höheren Grundsteuer gestopft werden soll.
"Die Mehreinnahmen sind knapp 900.000 Euro. Das ist eine Steuer, die letztendlich von allen Bürgern zu erbringen ist. Entweder haben sie selbst Eigentum und bezahlen es dann direkt über die Grundbesitzabgaben oder sie sind Mieter und bezahlen es über die Nebenkosten. Das liegt ganz einfach daran, dass die Dienstleistungen oder die Serviceangebote der Stadt Meerbusch in der Regel von allen Bürgern in Anspruch genommen werden. Und deshalb macht es schon Sinn, genau diejenigen, die von den Vorteilen profitieren, auch mit den Kosten zu belasten."
Denn im Gegensatz zu Gebühren - etwa für den Eintritt ins Schwimmbad oder für Kosten der Müllabfuhr - sind Steuern grundsätzlich nicht an eine bestimmte Gegenleistung geknüpft. Und dürfen daher auch für alle Ausgaben, die eine Kommune hat, verwendet werden. Und genau das macht den Umgang mit diesen Einnahmen so riskant. Claus Hamacher vom Städte- und Gemeindebund sieht daher im Ausgabeverhalten mancher Kommunen eine Ursache für das Verschuldungsproblem. Vor allem die großen Städte hätten häufig Probleme, politischen Konsens für eine Sparlinie zu finden:
"Wenn eine hoch verschuldete Stadt noch zweistellige Millionenbeträge in den Neubau eines Fußballstadions investiert, dann stellen natürlich die Kleinen die Frage: Ist das so richtig? Insbesondere, wenn ihnen möglicherweise später abverlangt wird, das im Wege interkommunaler Solidarität mitzufinanzieren. Gerade wenn vielleicht diese betroffene kleine Kommune sich seit Jahren den Kunstrasenplatz für den eigenen Sportverein verkneift."
Was der Bürger nicht weiß ...
Neben den steigenden Sozialausgaben sind es vor allem hausgemachte Faktoren, die den Kommunen finanziell zu schaffen machen. Doch die Bürger können nicht mehr verfolgen, ob die Verantwortlichen an der Spitze ihrer Gemeinde wirklich sparsam und so verantwortlich wie möglich mit den Steuergeldern umgehen. Christian Flöter ist seit mehr als 20 Jahren Magistratsmitglied im hessischen Groß-Umstadt. Als einer der ersten in Deutschland brachte der Grünen-Politiker das Thema Bürgerhaushalt auf die Agenda der Kleinstadt: Die unverständlichen Zahlen des Haushaltsplans werden in lesbare Form gebracht, an die Bürger verteilt und im Internet veröffentlicht.
"Man darf da keine zu großen Erwartungen haben. Das Thema Finanzen interessiert auch in dieser Form eher eine Minderheit innerhalb der Bürgerschaft. Aber die ist dann in der Regel auch neugierig. Die möchte es dann auch detaillierter wissen. Von daher kommen schon interessante Gespräche zustande - und es kommen Anregungen."
Seit mehr als zehn Jahren wird nun in der hessischen Kleinstadt diese Art von Bürgerbeteiligung praktiziert. Mit Ergebnissen, die sich sehen lassen können: Mal werden leer stehende städtische Gebäude mithilfe der Bürger saniert, mal geht es um Straßenreparaturen. Für die wurde dann sogar die Grundsteuer auf Anregung der Bürger erhöht.
"Leute, die sich an diesem Verfahren beteiligen, beteiligen sich ja nicht nur aktiv, sondern sie kriegen umgekehrt einen viel größeren Überblick über das, was tatsächlich in den städtischen Finanzen los ist, und sie sehen, wo die Probleme liegen. Und von daher entsteht eher Akzeptanz auch für schwierige Entscheidungen der Stadt."
Eine Erfolgsgarantie ist der Bürgerhaushalt jedoch nicht. In Meerbusch etwa hat man es in diesem Jahr noch einmal probiert, nachdem ähnliche Versuche vor einigen Jahren ohne nennenswerte Reaktionen der Bevölkerung geblieben waren. Und auch dieses Mal war die Beteiligung ernüchternd gering. Für den Leipziger Finanzwissenschaftler Lenk Beweis für mangelndes Wissen.
"Ein nicht ausgeglichener Haushalt zeigt doch eigentlich auch, dass die Bürger an diesem Ort wahrscheinlich von ihrem Bürgermeister Dinge abverlangen, die normalerweise aufgrund der Finanzierungssituation überhaupt nicht sein müssten oder sein dürften. Und wenn diese Bürger diese zusätzlichen Leistungen, die in Anführungsstrichen über das Normale hinausgehen, verlangen, dann sollten sie auch dafür einen extra Steuerbeitrag zahlen, den man Bürgerbeitrag beispielsweise nennen könnte."
Möglicherweise würde es schon helfen, auf allen föderalen Ebenen die staatlichen Aufgaben zu durchleuchten. Und den Städten und Gemeinden in jeder Hinsicht ihre kommunale Selbstverantwortung zurückzugeben. Der Heidelberger Finanzhistoriker Ekkehart Reimer:
"In vielen Nachbarstaaten, insbesondere in den nicht-föderal organisierten Staaten - etwa Frankreich, Niederlande, England - haben wir die Kommunen als reine Kostgänger des Zentralstaates. Dass sie bei uns auch verfassungsrechtlich abgesichert eigene Steuerquellen haben, ist nicht überall so. Die Gemeinden haben deswegen aber auch in der Finanzausstattung nicht automatisch teil an der Prosperität des Gesamtstaates, sie sind abgekoppelt. Gelegentlich geht es ihnen schlechter, in den meisten Jahren haben sie aber die höheren Steigerungsraten aufzuweisen, und das ist im internationalen Vergleich ein besonderer Vorteil der deutschen Kommunalfinanzierung."
Ein Vorteil, den keine Seite auf Dauer verspielen möchte.
"Man darf da keine zu großen Erwartungen haben. Das Thema Finanzen interessiert auch in dieser Form eher eine Minderheit innerhalb der Bürgerschaft. Aber die ist dann in der Regel auch neugierig. Die möchte es dann auch detaillierter wissen. Von daher kommen schon interessante Gespräche zustande - und es kommen Anregungen."
Seit mehr als zehn Jahren wird nun in der hessischen Kleinstadt diese Art von Bürgerbeteiligung praktiziert. Mit Ergebnissen, die sich sehen lassen können: Mal werden leer stehende städtische Gebäude mithilfe der Bürger saniert, mal geht es um Straßenreparaturen. Für die wurde dann sogar die Grundsteuer auf Anregung der Bürger erhöht.
"Leute, die sich an diesem Verfahren beteiligen, beteiligen sich ja nicht nur aktiv, sondern sie kriegen umgekehrt einen viel größeren Überblick über das, was tatsächlich in den städtischen Finanzen los ist, und sie sehen, wo die Probleme liegen. Und von daher entsteht eher Akzeptanz auch für schwierige Entscheidungen der Stadt."
Eine Erfolgsgarantie ist der Bürgerhaushalt jedoch nicht. In Meerbusch etwa hat man es in diesem Jahr noch einmal probiert, nachdem ähnliche Versuche vor einigen Jahren ohne nennenswerte Reaktionen der Bevölkerung geblieben waren. Und auch dieses Mal war die Beteiligung ernüchternd gering. Für den Leipziger Finanzwissenschaftler Lenk Beweis für mangelndes Wissen.
"Ein nicht ausgeglichener Haushalt zeigt doch eigentlich auch, dass die Bürger an diesem Ort wahrscheinlich von ihrem Bürgermeister Dinge abverlangen, die normalerweise aufgrund der Finanzierungssituation überhaupt nicht sein müssten oder sein dürften. Und wenn diese Bürger diese zusätzlichen Leistungen, die in Anführungsstrichen über das Normale hinausgehen, verlangen, dann sollten sie auch dafür einen extra Steuerbeitrag zahlen, den man Bürgerbeitrag beispielsweise nennen könnte."
Möglicherweise würde es schon helfen, auf allen föderalen Ebenen die staatlichen Aufgaben zu durchleuchten. Und den Städten und Gemeinden in jeder Hinsicht ihre kommunale Selbstverantwortung zurückzugeben. Der Heidelberger Finanzhistoriker Ekkehart Reimer:
"In vielen Nachbarstaaten, insbesondere in den nicht-föderal organisierten Staaten - etwa Frankreich, Niederlande, England - haben wir die Kommunen als reine Kostgänger des Zentralstaates. Dass sie bei uns auch verfassungsrechtlich abgesichert eigene Steuerquellen haben, ist nicht überall so. Die Gemeinden haben deswegen aber auch in der Finanzausstattung nicht automatisch teil an der Prosperität des Gesamtstaates, sie sind abgekoppelt. Gelegentlich geht es ihnen schlechter, in den meisten Jahren haben sie aber die höheren Steigerungsraten aufzuweisen, und das ist im internationalen Vergleich ein besonderer Vorteil der deutschen Kommunalfinanzierung."
Ein Vorteil, den keine Seite auf Dauer verspielen möchte.