Archiv


Den Tätern auf der Spur

"Spurenworkshop" nennt sich eine Fortbildungsveranstaltung von Rechtsmedizinern, auf der zu Beginn jeden Jahres die neuesten Erkenntnisse der forensischen Forschung vorgestellt werden. Im Mittelpunkt steht die Molekulargenetik, mit deren Hilfe kleinste Spuren am Tatort analysiert werden.

Von Christian Forberg |
    Wie entwickeln wir Rechtsmediziner die DNA-Analyse weiter, um den Ermittlern und der Justiz Beweise noch sicherer liefern zu können? Diese Grundfrage bewegt wohl jeden Spurenworkshop, seit der "genetische Fingerabdruck" zur wichtigsten Methode geworden ist, einen Täter zu ermitteln. Einige Beiträge behandelten deshalb die möglichst absolute Reinheit von Untersuchungsmaterialien. Auch die Pannen bei der Aufklärung der NSU-Verbrechen kamen zur Sprache. Wattestäbchen waren bereits bei der Herstellung mit Genmaterial von Mitarbeitern kontaminiert worden, führten in die Irre. Die Wissenschaftler hätten daraus gelernt, sagt Peter Schneider, Leiter der forensischen Molekulargenetik am Institut für Rechtsmedizin der Uni Köln:

    "Das ist dadurch sicher ganz klar geworden, dass man hier die eigenen Befunde immer wieder auf den Prüfstand stellen muss. Es gibt auch in der nationalen Datenbank Mechanismen, wenn solche Treffer über ganz unterschiedliche Fälle erzielt werden, wo man weiß, die haben eigentlich überhaupt nichts miteinander zu tun, dass dann automatisch eine Warnlampe angeht und man sagt: Kann das überhaupt sein?"

    Vergleiche werden über DNA-Datenbanken gezogen, auch international. In Deutschland existieren sie seit 1998 und erfassen etwa vier Millionen Fälle. In England sind es weit mehr. Jedes Vergehen, dass dort protokolliert und ermittelt wird, führt dazu, dass jemand in die Datenbank gelangt.

    Ladendiebe oder Schwarzfahrer zum Beispiel. Davon hält Peter Schneider ebenso wenig, wie von mobilen DNA-Labors und ihrem Versprechen, in nahezu Null-Komma-Nix den genetischen Fingerabdruck liefern zu können ...

    "... und dann gleich online übers WLAN die nationale Datenbank abfragen kann. Man darf nicht vergessen, dass Spuren nur in begrenzter Menge vorhanden sind. Wenn man jetzt leichtfertig mit irgendwelchen Schnellverfahren etwas untersucht und dann das Spurenmaterial verdorben ist, man nicht mehr eine sorgfältige Laboranalyse machen kann, dann ist das sicher nicht der richtige Weg. "

    Dank sorgfältiger Forschungsarbeit im Labor der Rechtsmedizin der Uni Bonn fanden der Biologe Cornelius Courts und Kollegen heraus, dass feinste DNA-Spuren selbst im Inneren abgefeuerter Waffen zu finden sind. Da man es lange Zeit für unwahrscheinlich hielt, begannen sie mit theoretischen Überlegungen und Experimenten.

    "Wir haben geguckt: Wann tritt das auf, wann tritt das nicht mehr auf? Wie lange halten sich die Spuren? Was halten die Spuren im Inneren aus? Und dann ist es Ende 2012 dazu gekommen, dass dieses Verfahren tatsächlich Anwendung gefunden hat in einem echten Kriminalfall mit drei Opfern."

    Im August waren in Neuss eine Mutter und ihre zwei Kinder wahrscheinlich vom noch immer flüchtigen Vater erschossen worden, und zwar mit einer Pistole, aus der er fünf Schüsse abfeuerte.

    "Wir haben in der Waffe – überall in der Waffe! – die DNA von den drei Opfern auffinden können und konnten ausschließen, dass der Täter auch Teil der Mischung war, und die drei Opfer erstens nachweisen und außerdem voneinander unterscheiden. Und das war nicht trivial, weil diese Opfer waren blutsverwandt. Das bedeutet, die teilen sich eine große Zahl der genetischen Merkmale."

    Sind mit der DNA-Analyse alle anderen bisherigen Spuren unbedeutend geworden? Der Fingerabdruck zum Beispiel. Zwischen beiden gebe es Unterschiede, aber auch interessante Parallelen, sagt Professor Schneider:

    "" Denn der Daumenabdruck ist noch variabler als der genetische Fingerabdruck, weil sich da selbst eineiige Zwillinge unterscheiden, während wir mit der DNA-Analyse eineiige Zwillinge nicht unterscheiden können.""

    Allerdings wurden mit dem genetischen Fingerabdruck inzwischen so hohe Standards in der Qualität der Analyse und der Erfassung in Datenbanken gesetzt, dass der klassische Fingerabdruck um Jahrzehnte hinterherhinkt.